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5. Liebelei
box 12/1
a A
Telephon 12.801.
„OBSERVER
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Clevelamf, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Oaellenangabe ohne Gewahr.
Ausschnitt aus:
Neue Praussische Z.itung, Bersin
E
dieser Aufführung hat Direktor Gregor uns das Scheiden überhaupt
Theater und Musik.
ganz besonders schwer gemacht; sie gehört zu den besten unter den
Komische Oper.
vielen guten, die dieser ausgezeichnete Mann uns geboten hat. Frl.!
ok „Liebelei.“ Oper in 3 Akten von Franz Neumann,
Labia als Christine war freilich zu anfang nichts weniger als eine
Dichtung von Arthur Schnitzler. Erste Aufführung am Freitag,
Wienerin, aber in den tragischen Szenen des dritten Altes war ihr
20. Januar.
Spiel von überzeugender Wahrheit und wuchtiger Größe. Schade,
Der Versuch des Hrn. Richard Strauß, Schauspiele, so wie
daß ihre Stimme noch immer so wenig ausgeglichen ist. Hr. Na¬
dolovitch (Fritz) bewährte sich wieder als der vornehme Sänger und
sie sind, als Operntexte zu verwenden, scheint Schule zu machen.
Darsteller, den wir schon lange schätzen, Susanne Bachrich (Mizi)
Auch Neumann hat Schnitzlers Drama — abgesehen von einigen
spielte ganz allerliebst, ein echtes Wiener Madel, munter und natür¬
Kürzungen — unverändert gelassen, aber gleichfalls bewiesen, daß ein
lich, zum Schluffe sehr echt in ihrem Mitleid mit der unglücklichen
Konversationsstück, dessen Verfasser garnicht an Musik gedacht hat,
Freundin. Herr Wissiak (Theodor) hätte vielleicht hier und da
nicht komponierbar ist. Wenn jemand den andren bittet, ihm den
Propfenzieher zu geben, wenn einer fragt: „Haben Sie nicht ein
etwas lebendiger sein können; im ganzen stand er hinter den andern
aber nicht zurück. Das Zusammenspiel beider Paare im ersten Alte
Zündholz?“ ist die Musik nicht #r überflüssig, sondern geradezu un¬
möglich, und solche Stellen finden sich in dem Stücke massenhaft.
war ganz hervorragend, und die ihn abschließende kurze packende
Der leichte Unterhaltungston des Stückes erhält durch die Musik eine
Unterredung zwischen Fritz und dem „Herren“, (Karl Armster) die
bleierne Schwere, und anderseits wird der Musik eine ihrer un¬
den tragischen Ausgang schon ahnen läßt, war ein kleines Meister¬
würdige Rolle zugemutet, wenn sie eine ganz auf Realismus gestellte
stück. Emma Scebold als klatschsüchtige Frau Binder und
alltägliche Sprache alltäglicher Menschen, wie sie in Schnitzlers Stück
Hr. Zadow als treuherziger Musikus waren ebenfulls vortrefflich.
durchaus vorherrscht, durch ihre eigene ganz anders gestaltete Sprache
Kapellmeister E. v. Reznicek leitete das Orchester, und damit war
schon eine gute musikalische Leistung verbürgt. Der Beifall war nach
noch „erläutern“ soll. Aber was ist hier noch zu erläutern? Das
Drama versteht sich ganz vor selbst, es bietet nichts, was nur zwischen jidem ersten Akte merkwürdigerweise ziemlich lau, später wurde er aber
sehr lebhaft, und mit den Darstellern wurde auch der Komponist oft
den Zeilen zu lesen ist, was auszusprechen, das gesprochene
hervorgerufen.
Wort zu arm ist, wo also die Musik einzusetzen hätte. Was soll diese
hier also? Sie hat nichts zu tun und belastet nur den Dialog,
hindert den raschen Fortgang, der bei solchen Stoffen unerläßlich ist.
Dies sind grundsätzliche Bedenken, die den Komponisten von vorttherein!
hätten abhalten müssen, Schnitzlers Drama mit Musik zu versehen.
Was er nun in seiner Musik bietet, ist an sich recht achtbar; er weiß
den jeweiligen Ton gut zu treffen, behandelt das Orchester
angemessen und geschickt und
dem
st sichtlich bestrebt,
Dichter auf Schritt und Tritt zu folgen. Im ersten, vorwiegend
heiteren Akte liegt der Schwerpunkt im Orchester, das im leichten, oft
an die Operette erinnernden Stile plaudert und Isprudelt, während
die Siagstimmen rezitativisch, oft sogar pfalmodierend behandelt sind.
Die offenbare Absicht, hierdurch den Fluß möglichst lebendig zu ge¬
stalten, ist freilich doch nicht geglückt; Schnitzkers Dialog wider¬
strebt eben der musikalischen Behandlung von Grund aus.
In der Liebesszene des zweiten Aktes werden die Sing¬
stimmen reicher bedacht, aber hier fehlt doch die rechte melodische
Kraft, und in den tragischen Szenen, die von der Musik gut unter¬
stützt werden, erinnert die Art des Komponisten biswellen zu sehr
an die Jungitaliener, deren hohles Pathos mit dem leichtlebigen
Wienertum, das sich auch bei aller Tragik in dem Stücke nie ver¬
leugnet, durchaus keinen Bund eingehen kann. Es zwang die Dar¬
steller oft. auf Stelzen zu gehen und eine Pose anzunehmen, wo
ein frisches, lebendiges Spiel am Platze war; daß sie diesen
Widerspruch, soweit es irgend möglich war, vertuschten, war
ein Verdienst, das nicht hoch genug anzuschlagen ist. Mit: