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Liebele
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Schnitzlers Dramatik und der Kino
von Wolf Ritscher
Man sagt, Schnitzler wollte popu¬
Die Handlung hält sich mit großer
lär werden, darum ließ er seine Lie¬
Genauigkeit und nur wenigen ge¬
belei verfilmen. Man sagt das auch
ringfügigen Ausnahmen, die durch die
von anderen Größen der Literatur.
Natur der Darstellungsart bedingt
Der Kino sollte gleichsam eine Dolks¬
sind, an das dramatische Dorbild. Die
ausgabe des betreffenden Werkes her¬
tatsächlichen Begebenheiten des Büh¬
ausgeben und den Namen des Dich¬
nendramas werden nackt und unge¬
ters in die fernsten Winkel tragen.
schminkt durch das Bild wieder ge¬
Den Namen! Und das Werk? Ist es
geben. Aber auch nur diese reinen
Tatsachen sind der Inhalt des Films.
denn überhaupt möglich, daß der
kinomäßige Abguß eines Bühnenstük¬
Ganz abgesehen von dem groben
kes, eines Stückes, daß für die Bühne
Fehler der Regie, die den Film nicht
geschrieben ist und nur durch die
einmal auf seinem heimatlichen Bo¬
Bühne Leben erhält, auch nur einiger¬
den in Wien, aufnehmen ließ, und da¬
maßen einen Ersatz für das Bühnen¬
durch die Möglichkeit verlor, das
drama schaffen kann? Oder fassen
wienerische Lokalkolorit, das mit der
wir die Frage genauer: Konnte sich
Liebelei unzerreißbar verknüpft ist,
der Dramatiker Schnitzler auf irgend
einigermaßen im Bilde wiederzuge¬
eine Weise im Kino offenbaren?
ben, kann man der ganzen Dorfüh¬
Der Film „Liebelei“ ist nicht wie
rung nur bedingterweise den Namen
viele seiner Art. Er fällt auch dem,
des Schnitzlerschen Bühnenstückes zu¬
der sich gegen alles stemmt, was Kino
erkennen. Der Film zeigt genau so
wie hundert andere eine Liebesge¬
heißt, unbedingt auf. Es fehlen be¬
schichte mit traurigem Ausgang (es
stimmte Mängel, die bisher untrenn¬
bar mit der filmmäßigen Darstellung
fehlt am Schluß tatsächlich nur noch
das harmonium . .. und der Kitsch
als solcher erschienen. Ein gewisser
ist fertig), aber von dem eigentlichen
äußerer Zusammenhang hält die
Reihe der Bilder und die Aufmerk¬
Problem, das Schnitzler in seinem
Drama behandelt hat, von der Liebe¬
samkeit, die ihnen der Zuschauer
lei im Gegensatze zur echten Liebe,
schenkt, zusammen. Auch spürt man
erfahren wir so gut wie garnichts.
hie und da einen wählerischen Ge¬
Wenn dort auf der Bühne „Liebe“
schmack in der Anordnung der Kino¬
und „Liebelei", ernstes Empfinden
szenen, und kann auch einen gewissen
hang zur Zurückhaltung, zur Dämp¬
und tändelndes Spielen, sich als die
großen tragischen Gegensätze im Le¬
fung alles Uebertriebenen feststellen.
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