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Liebeler
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Kaker
Gens
Z.#cg. N4.
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Liebelei.

Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler.
Berlin, Fischer.
Unsere moderne dramatische Kunst steht noch immer unter
dem Zeichen der Reaction gegen das Epigonenthum. Noch
immer wird alles, was an einen „kunstgerechten Aufbau er¬
innert, vermieden. Es kommt einem allmählich der Gedanke,
daß viele von den Modernen aus der Noth eine Tugend machen,
daß es ihnen einfach unmöglich ist, eine dramatisch wirksame
Fabel zu erfinden und sie wahrhaft bühnengerecht auszu¬
gestalten. (Sudermann, der diese Gabe im hohen Maße besitzt,
wird ja von den unentwegt Modernen als Stümper zurück¬
gewiesen. Vgl. z. B. den boshaften Aufsatz Kerr's im Juni¬
heft der „Neuen D. Rundsch.“) Milien= und Charakter¬
schilderung und ein wenig Stimmungsmalerei thun es aber
doch nicht allein. Der effectvolle dramatische Aufbau gehört
nun einmal dazu. Gewiß, Ihr Herren, ist das etwas „Neben¬
sächliches, Abgeschmacktes, Unmodernes“. Aber Sie werden sich
doch dazu verstehen müssen, dieser Abgeschmacktheit ein wenig
Rechnung zu tragen, wenn Sie endlich einmal aus der Welt¬
einsamkeit der freien Bühnen heraustreten und die größeren
Theater für länger als die üblichen drei Respectsabende erobern
wollen. Fragen Sie doch unsere Theaterdirectoren! Einer der
angesehensten modernen englischen Dramatiker und Dramaturgen
sagt einmal: Art, dramatic art, every art, ist nothing at
bottom but design, selection, arrangement, and ornament.“
Wollten Sie doch die bitteren, antüdeale Wahrheit dieses Satzes
einsehen lernen!
ja! (Wenn es auf Stimmungsmalerei und
Milieuschilderung allein ankäme,
wäre auch Arthur
Er
Schnitzler ein vollgültiger Dramatiker.
versteht
es wie kein anderer, ein Milien mit allen interessanten Kleinig¬
keiten darzustellen. Der erste Akt des vorliegenoen Dramas ist
wunderbar gelungen in dieser Hinsicht: die Schilderung eines
flotten Soupers à quatre in der Wohnung eines wohlhabenden
jungen Lebemannes. Und kaum minder gut ist in den beiden
anderen Akten das Haus Weiring gemalt, Christinens tägliche
Umgebung, Zwei grundverschiedene Welten sind meisterhaft in
dem Stücke charakterisirt, meisterhaft charakterisirt auch die
Personen, die ihnen angehören. Da ist der leichtsinnige Genu߬
mensch Theodor, der sich in der Parodoxe kennzeichnet: „Wir
hassen nämlich die Fräuen, die wir lieben, und lieben nur die
Frauen, die uns gleichgültig sind. Da ist der melancholische
und charakterschwache Pritz.
a sind die beiden prächtigen
Wiener Mädels: die natterhafte, schelmische, genußfrohe Mizi
und die herzige, gemüthstiefe Christine: alle mit vollendeter
Kunst ausgemeißelte Figuren. — Und ferner, wie weiß uns
Schnitzler in den Bereich der Stimmungen zu ziehen! Bald
nimmt Angst, bald Wehmikh, bald göttlicher Leichtsinn unser
Herz gefangen.
Un doch, ist das in einem Drama alles? Ist es nur
nöthig, daß uns die Charaktere gezeichnet, daß das Milieu ge¬
schildert, daß uns einige Stimmungsbilder gegeben werden?
Soll nicht vielmehr das Drama ein Stück Leben in seinen
Hauptbeziehungen wiedergeben? — Schnitzler's Technik ist
Novellenstil, ist japanische Malerei. Er giebt uns einen „Aus¬
schnitt aus dem Leben“, schneidet aber aus dem Riesengemälde
der Welt sein Stückchen so heraus, daß wir von den Personen,
die uns durch ihre Beziehungen zur Haupthandlung lebhaft
interessiren, oft nur einen Kleidersaum oder nur einen Rock¬
ärmel zu sehen bekommen. — Verfolgen wir einmal die Hand¬
lung des Stückes! Theodor hat es wieder und wieder versucht,
seinen Freund Fritz von der Leidenschaft für eine „dämonische“
Frau abzubringen. Als alles vergebens ist, will er ihn durch
eine andere, harmlose Liebschaft fesseln und bringt ihn häufig
in die Gesellschaft Christinens, die auch auf Fritz wirklich Ein¬
druck zu machen beginnt. Auch heute hat er die beiden frischen
abets zum Avendeffen in Fritz' Wohnung geladen. Das
Picknick verläuft äußerst drollig. Fritz fühlt sich glücklich in
harmlos kustigen Kreise — da plößlich erscheint der Gatte
ste
ämonischen“ Frau. Fritz schickt die Mädchen in
nd empfängt den Gast. Der wirft ihm di
Füße, die er seiner Frau geschrieben, und forde
uell. Soweit der erste Akt. Im zweiten Aufzuge wird
rAbschied der dunkel ahnenden Christine von dem leiden¬