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iebelei
box 12/8
I. — .— 5
Halberstädter 2-1#0
u: Inteingenzblatt
Halberstadt

TAUG

Silee
Theater, Sienrelne
Liebelei.
Schauspiel in drei Akten von Arthur Schn###er.
Dr. W. „Liebelei“ entstanden 1896, gehökk zl den ältesten Werken
Schnitzlersder Dichter Hat seitdem viele Schauspiele geschrieben, aber
kein besseres=Der=Stolteist oft behandelt worden, weil er echt menschlich
ist; es ist die alte schichte, sagt Heinrich Heine, und bleibt doch ewig
neu, und werß sie just passieret dem bricht sie das Herz entzwei. Faust
und Gretchem Egmpnt und Clärchen, in die Gegenwart übertragen, ins
Mienerische überseht, unter sonst gänzlich verschiedenen Verhältnissen —
daran wird man unwillkürlich erinnert. Jemand — ich glaube, es war
Schopenhauer — hat einmal gesagt, daß die Liebe für den Mann eine
Episode, ein Zeitvertreib sei, für die Frau aber ein Erlebnis, das Erleb¬
nis. Auf Christine, die Tochter des alten Geigers am Josefstädtischen
Theater, trifft das zu. Sie lebt ganz allein mit ihrem Vater, der sie als
sein Einziges liebt und ihr mehr Freude und Glück gönnen möchte, als
sie bei ihm findet in der bescheidenen Wohnung, mit der Aussicht über
die vielen Dächer. Da sitzt sie und schreibt Noten für ihn ab; das ist ihr
Leben! Als nun der junge, flotte Fritz in dieses Leben tritt, da beginnt
ein neuer Abschnitt für sie; echt, tief und innig liebt sie ihn, er ist ihr
ganzes Glück. Ganz anders Fritz; er liebt leidenschaftlich eine verheirätete
Frau. Um ihn von ihr abzulenken, hat sein Freund Theodor ihn mit
Christine zusammengeführt. Aber es ist zu spät; der Gatte hat inzwischen
schon das Verhältnis gemerkt; er fordert den Liebhaber seiner Frau
zum Zweikampf. Wie ein greller Mißklang wirkt es, als der Be¬
leidigte in das Zimmer tritt, wo grade Fritz und Christine, Theodor und
Mizi einen fröhlichen Abend miteinander verleben.Während sich die ober¬
flächliche Mizi ganz dem Genuß der Gegenwart hingibt und kein tieferes
Gefühl für Theodor hat, regen sich bei Christine schon Zweifel; sie hat
den Geliebten im Theater in der Loge bei einer vornehmen Dame ge¬
sehen; es ist eben die, welche er liebt und über die er jede Auskunft ver¬
weigert.
Der zweite und dritte Aufzug führt uns in die Wohnung des Geigers,
wo sich das Stück schnell bis zum trostlosen Ende abspielt.
Zum ersten Male betritt Fritz Christines bescheidenes Heim; er will
sich von ihr verabschieden, um eine kleine Reise zu machen. Bange
Ahnungen beschleichen sie, und als Fritz zwei Tage fortbleibt, ohne etwas
von sich hören zu lassen, gibt sie ihn auf. In ihrem Kummer erscheint
Theodor und berichtet kurz,, was geschehen. Fritz ist im Zweikampf ge¬
fallen. Das Schlimmste für Chriftine ist aber, daß er für eine andere
gefallen ist, die er noch immer liebte, während er mit ihr tändelte. Sie
war ihm also nur ein Zeitvertreib, ein Spiel. Nicht einmal einen letzten
Gruß hat er ihr hinterlassen. Sie stürzt fort, den unglücklichen Vater
allein lassend. Der weiß, daß sie nicht wiederkommen wird.
Das aus dem Leben gegriffene, packende Stück wurde vor fast aus¬
verkauftem Hause gespielt. Alfred Durra gab den Violinspieler Hans
Weiring, den Vater Christinens; er wirkte naturwahr als milder, ver¬
stehender, alles verzeihender Vater, erschütternd in seinem Schmerze.
Berthel Grether als Christine war ganz Hingabe an den Geliebten,
weich und innig im Glück, voll höchster Leidenschaft, als sie erfährt, daß
er eine andere liebt, während er ihr Liebe vortäuscht. Bruno Uepach
war ein zärtlicher Liebhaber, dabei von Qual zerrissen durch seine
Leidenschaft zu der Frau eines andern; man durfte ihm zutrauen, daß
er durch Christines echte Liebe hätte geläutert werden können; „letzt bin
ich nahe daran zu glauben, daß hier mein Glück wäre.“ Hans Wiggers
als Theodor und Carla Schliefen als Mizi bildeten den Gegensatz zu
dem ernsteren Paar; beide ganz Gegenwartsmenschen, flott, ohne tiefe
Leidenschaft; Clara Schliefen war von übersprudelnder Laune. Halka
Heller und Hans Eick gaben kleine Rollen, jene die Frau des Strumpf¬
wirkers Binder, dieser den beleidigten Ehemann; beide haben früher ge¬
zeigt, daß sie auch größeren Aufgaben gewachsen find. Das Zusammen¬
spiel unter DurrasLeitung befriedigte durchaus. Während nach den ersten:
beiden Aufzügen die Zuschauer in stummer Ergriffenheit verharrten,
gab sich nach dem letzten Fallen des Vorhanges kebhafter Beifall kund,
der um so berechtigter war, als es sich besonders um eine Ehrung für
Alfred Durra handelte. Unvergessen bleiben werden sein Nathan der
Weise, Peer Gynt, Timoska (in Hauptmanns Elga), sein Rittmeister (in
Strindbergs Vater), sein Vagabund (in Bittlingers Schauspiel, gleichen
Namens). Blumen wurden daher in erster Linie ihm zu Teil. Wir
wünschen dem tüchtigen Künstler und seiner begabten Gattin alles Gute
für die Zukunft.