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Liebelei
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Agselung, Preden
7. JUR 28
Schnitzlers „Liebelei“
Purde in den Spie plan des Neuen Theaters
gaufgenommen. Die Tragödie des armen süßen
Mädels, das die erotischen Amüsements blasierter
und etwas dekadenter junger Bürgerherrn ernst
nimmt und an diesem Mißverständnis zugrunde
geht, ist, im Fall Schnitzler, eine dermaßen Wiene
rische, ja fast vom Bezirksmilieu bestimmte Ag¬
gelegenheit, daß man mit jeder norddeutschen
Aufführung ein Danebenspielen riskiert. Und
diese Aufführung war, obgleich Dresden gar nicht
so weit abseits von der einstigen österreichischen
Grenze liegt, im wesentlichen eine norddeutsche.
Nur zwei der Mitwirkenden — Willy v. Hendrichs
als Theodor und Elisabeth Frank als Mizzi —
beherrschen den unverfälschten Wiener Dialekt.
Charakteristischerweise waren ihre Leistungen die
besten des gestrigen Abends. Sowohl die Anatol¬
Gestalt des Theodor Kaiser, dem das Leben nur
Spiel ist, ein glitzerndes, verantwortungsloses
Spiel müder, verwöhnter Nerven, als auch die
leichte, im Grunde aber doch gutmütige Mizzi
Schlager, die von der Liebe nie enttäuscht werden
kann, weil sie von ihr ja doch nichts erwartei: beide
treffen den lokalen Ton und die lokale Stimmung.
Auch der regional weniger betonte „Herr“ der in
das Bacchanal des jungen Fritz Lobheimer, des
Verführers seiner Frau, einbricht wie der steinerne
Gast, ist bei Richard Eivenack in den rechten
Händen. Dagegen kommt der Fritz Lobheimer
ohne die spezifisch Wienerische Note nicht aus. Herr
Bahlkampf gibt den unversehens in Verant¬
wortung und Lebensernst Verstricklen ohne die un¬
entbehrliche Kontrastfarbe der Leichtigkeit, die doch
irgendwie von Anfang her durch das ahnungsvolle
Düster seiner Seelenstimmung hindurchschimmern
muß. Ilse Voigt als Christine hat stellenweise
den Ausdruck wahrer Leidenschaft und weiß im
Schmerz zu rühren: aber ihre Schwerblütigkeit
Emmt mehr aus dem Verstand und Charalter als
laus dem Blut und aus südlich=leidenschaftlicheni
Temperament. Paul Lewitts darstellerisch gat
angelegter Vater Weiring war in Format und
Maske verfehlt. Die von Robert George ge¬
leitete Aufführung hatie den Achtungserfolg, der
M. 2
dem Werk an sich gebührt.
Dr. Max Goldschmict
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= Neues Theater. Die„Liebele!“ war vor
dreißig Jahren Arthur Schnitzlers erster großer
Bühnenerfolg. Und daß dieses Stück einmal gewirkt
haben muß, begreift man leicht, auch heute
noch, da wir inzwischen längst die Sprache
Bühne gehört
andrer Generationen auf der
haben. Einmal waren auch diese Töne neu; neu war
diese große Kunst, Leichtsinn und Wehmut in einem
zu geben, Wienerisches und auch einiges, was über
das Wienerische yinausführt ins Menschliche schlecht¬
hin. Das Menschliche ergreift heute noch wie ehemals:
wie denn überhaupt diese ganze Art, Stufungen des
Erotischen aufzuzeigen, Liebes= und Lebensgefühle
auszudrücken, nicht ohne feinen Reiz ist. Die
drei Jahrzehnte, die das Schauspiel alt ist, könnte
freilich keine Aufführung ganz vergessen machen.
auch die beste nicht. Und die des Neuen Theaters,
unter Spielleitung von Robert George, war nicht
einmal die beste. Wenn Ilse Voigt die Christine
mit solcher Maske und mit solchem Aufwand an
Theatralik spielt. glaubt ihr niemand dieses Wiener
Mädchen, das wohl schwerblütiger ist als die Freun¬
din, aber deswegen nicht weniger schlicht und herzlich.
Auch Ottokar Vahlkampf als Fritz Lobheimer gab
mehr die äußeren Gesten als die inneren Vorgänge.
Eine sehr glückliche Besetzung hingegen hatte das
andre Liebespaar gefunden: Willy v. Hendrichs
in der Rolle des leichtlebigen Freundes und Elisabeth
Frank als Mizi, ganz das Wiener „süße Mädel“
das sich über den Unterschied zwischen Liebelei und
Lieba nicht viel Gedanken macht. Den Tonfall des