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Liebel
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Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N 4
Telefon Norden 3051
Ausschnitt aus
Hamburgischer Correspondent
26. März 1927.
Passage=Theater.
Liebelei.
Ganz knapp und einfach sind die Konturen dieses kleinen
itzle
Dramas und doch so ungemein wirkungsvoll und
gegenwärtig. Ein junger Student verfängt sich ins raffi¬
#iert geknüpfté Netz einer charmanten Frau und verendet darin
— der Pistolenschuß des betrogenen Gatten spricht ein letztes
Wort zur Liebelei. Und ein Jungmädelherz zerbricht, unentrinn¬
So sagt es Schnitz¬
bare Einsamkeit hebt den Giftbecher
ler, ohne Pathos, zarte Linien malt er, gedämpftes Wiener
Kolorit, graziös, blutdurchriefelt.
In brennend dunklen Farben, voll Spannung und sanfter
Traurigkeit, ohne Bruch und Sprung hebt der Film die Vision
des Dichters ins Licht. Figuren von Fleisch und Blut stehen
triebgebunden an der Grenze einer sinnvoll=sinnlosen Weltord¬
nung, man fühlt: hier ist der Tod Notwendigkeit, Ruhe, Er¬
lösung. Und erschüttert steht man im Schatten unerbittlich¬
unbegreiflicher Naturgesetze. J. u. L. Fleck, die für die Regie
zeichnen, sind keine Unbekannte. Aber ihr seitheriges Schaffen
tritt weit zurück hinter die überragende Leistung in diesem
Siebenakter. Mit Klugheit und feinem Gefühl für das Wesent¬
liche sind Großes und Kleines zu einem Stück Leben voll sakraler
und profaner Bedingtheiten geformt. Hier ist kein Zuviel, kein
Zuwenig, alles wohl abgestimmt auf weichen Kontrast von Dur
und Moll, harmonisch und sicher im Rhythmus.
Zum ersten Mal begegnet uns Evelyn Holt in Ham¬
burg, der junge Star der Hegewald Film=Gesellschaft. Um ihr
rührendes Spiel weben alle herben und zarten Lichter des deut¬
schen Gretchen=Ideals und sichern ihr von Anbeginn unsere
ganze Sympathie. Es ist erstaunlich, mit welcher dramatischen
Entschiedenheit, geistiger Durchdringung ihrer Rolle, mit wel¬
cher Bühnensicherheit uns diese Filmnovize entgegentritt. Ihr
natürlicher Liebreiz (nicht einmal einen Bubikopf trägt die
herzige Evelyn) hebt sie leicht aus der Masse, die innere Frei¬
heit des Spiels ist ergreifend, der äußeren fehlt manchmal noch
ein letzter Schliff. Zu Lillian Gish, deren Mimi in „Bohème“
noch unvergessen ist, weisen starke Züge. Aber Evelyn Holt
ist noch straffer, herber — gretchenhafter. Süßlich=Geziertes ist
der Künstlerin fremd. Ihre Liebe und ihr Leid senken Wurzeln
ins Herzblut, sie macht die hauchdünne Wand zwischen Kind und
Weib sichtbar — und wir begreifen, daß soviel Zartheit sich
ganz auflösen mußte, von innen heraus.
Vivian Gibson spielt überzeugend mit allen Mitteln der
verführerischen Frau. Alle Elemente der endlichen Katastrophe
ballen sich in diesem Weibchen und drängen sunkenknatternd zur
Entladung; so gut hat sie uns noch nicht gefallen. Hilde Maroff
ist „nüdlich“, und in den männlichen Rollen sieht man wohl¬
gefällige Erscheinungen. Louis Lück, in der Hauptrolle führt
sich gut ein, doch Henry Stuart steht ihm kaum nach; Robert
— schlachterprobte Kämpen.
Scholz und Karl Platen-
Evelyn Holt und das Regisseur=Ehepaar stellten sich per¬
sönlich vor — ein überaus lärmvoller Zwischenakt.
Der Beethovenfilm ist sehenswert. Mitunter zu bedächtig
registrierend — was hätte Romain Rolland daraus gemacht! —
aber für breite Kreise eine packende Schilderung dieses Titanen¬
Schicksals. Fritz Kortner bringt eine fabelhafte Maske, die man
allerdings in den ersten Akten als solche empfindet, aber zum
Schluß kann er stellenweise erschüttern. Die Szene, wo Beet¬
hoven seiner zunehmenden Taubheit inne wird, ist unnachahm¬
lich gestaltet. Beethovens Gedächtnis im Volk dient der Film
sicher mehr als die meisten Feiern.
*
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Teleion: Norden 3051
Ausschnitt aus
Hamburgischer Correspondent
9. April 1927
Kursaal=Lichtspiele,
Reform=Kino und Kammer=Lichtspiele.
Zwei interessante Neuheiten, die obige drei Pflegestätter
Besuchern in dieser Woche
wirklich guter Filmkunst ihre
bieten. Besonders begrüßenswert wieder einmal ei
erfilmt zu sehen, das bereits ungezählte Me
lg über die Bühne gegangen ist: Artl
Berk „Liehel
und L. Freas¬
dlung eine kün
ment
re
ung.
nnendster
westfilme entsprechend voll sp
der bekannte Tom Tyler eine ganz hervor
spielt. Die Emelka=Wochenschau wartet, wie
—K.•—
mit den neuesten Tagesereignissen auf.
nt.
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