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Liebelei
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Wochen-Rundschau
für
dramatische Kunst, Literatur und Musik.
Unter Mitwirkung von Fachmännern herausgegeben von
Anton. Bing.
Die Wochn=Rndschere erscehnt den Dorersieg und koset fer huentien aen Pain 19 Bent ver Heahr eusheinis 14 Wer inch. Preiter
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N. 2.
Frankfurt a. M., den 16. Januar 1896. XVII. Jahrgang
Vereinigte Frankfurter Stadttheater.
fallenen Max Piccolemini bewegen, der Autor über¬
g. Schauspiel. Am 11. d. Mts. ging das
sah aber, daß er schon selbst seine Heldin ihre Liebe
bereits am Wiener Hofburgtheater mit vielem Erfolge
früher als eine aussichtslose bezeichnen ließ. Auch
dargestellte dreiaktige Schauspiel „Liebelei" von
läßt die ganze Charakteranlage des Mädchens kaum
Arthur Schnitzler erstmals in Scene und erfreute
den Schluß zu, daß es, nachdem es sich von der
sich auch hier wohlwollender Aufnahme. Schnitzler
Unwürdigkeit des Geliebten überzeugt hat, statt Ver¬
zeigt in diesem ernsten Drama die Leiden eines jungen
achtung und Ekel, solchen wilden rasenden Schmerz
Mädchens, welches seine erste Liebe einem jungen
empfinden und zur Selbstvernichtung schreiten würde.
Manne schenkte, der gleichzeitig ein sträfliches Ver¬
Es ist somit in Schnitzler's Schauspiel weniger die
hältniß zu einer verheiratheten Frau unterhielt.
durchsichtige Handlung, als die sehr sorgsame und
Die Folgen des letzteren sind ein töblicher Zweikampf
mit liebevoller Feinheit ausgeführte Kleinmalerei,
und die Vernichtung des Seelenfriedens und des
die zu fesseln vermag. Sobald eine gute, wenn
Lebens des dem Liebhaber vertrauenden jungen
möglich das Wiener Lokalkolorit richtig betonende
Mädchens. Schnitzler hat aber nicht sowohl die
Darstellung, wie die hiesige, des Autor unterstützt,
treibenden Momente der einfachen Handlung, deren
wird „Liebelei“, ohne gerade einen nachhaltigen
eigentliche immerhin, wenn auch nicht besonders
Eindruck zurückzulassen, überall ansprechen. Von den
starke dramatische Vorgänge für sein Stück ver¬
Herrenrollen ist nur jene des Vaters Weiring, eines
werthet, als sich mit großem Geschicke in die Aus¬
einfachen armen, sein unglückliches Kind heiß liebenden
malung der feelischen Zustände der einzelnen Per¬
Musikers dankbac. Herr Szika schlug mit derselben
sonen vertiest. „Liebelei“ bringt denn auch in den
weiche Gemüthstöne au, und suchte auch die tragischen
beiden ersten Akten fast ausschließlich Stimmungs¬
Momente des letzten Aktes nach Kräften überzeugend
bilder, die zwar durch eine der Wirklichkeit abge¬
herauszuarbeiten. Herr Bauer gab den Liebhaber
lauschte Wiener Lokalfärbung einen starken Reiz
Fritz Lobheimer vorzüglich. Vor Allem legte er auf
erhalten, die aber dennoch nicht ganz für die fehlende
die Schilderung der selbstverschuldeten inneren Pein
Handlung schadlos halten. Auch im Schlußakte
starkes Gewicht, die ihm selbst bei dem fröhlichen,
wird die letztere fast nur dem Zuschauer durch Er¬
übrigens stark an Henri Murger's Vie de Bohème
zählungen kundgegeben, die sich abermals zuweilen
erinnernden Gelage des ersten Aktes schwermüthig
in starke epische Breiten verlieren, und damit das
die Freude vergällt. In der Abschiedsscene von der
Interesse an der Charakteristik und von dem Ge¬
Geliebten war er von rührender Wärme und Herz¬
schicke des verlassenen Mädchens ablenken. Durch
lichkeit, die vollendete Behandlung des Wiener
diese Ausdehnung wirkt der letzte Akt überhaupt
Dialekts der besseren Gesellschaftskreise vervollstän¬
digte die vorzügliche lebenstreue Charakteristik. Herr
mehr quälend als befreiend, und stellt zudem an
die Hauptdarstellerin und die sie unterstützenden
Bolz zeigte als Theodor Kaiser, den er auch sehr
Schauspieler Aufgaben, die mehr im modernen
glücklich als Wiener individualisirte, den vernünftigen
Raffinement und in der Mache, als in der klaren
Lebemann von der gewinnendsten Seite, während er
schlichten Wahrheit wurzeln. Die Verzweiflung der
die peinliche Verlegenheit, den Tod des Freundes
Getäuschten, sich einem Unwürdigen hingegeben zu
des Geliebten zu verkünden, und die tiefe Trauer um
denselben durch einfaches, aber sehr überzeugendes
haben, ergeht sich in jenen Empfindungen; die
etwa Thekla bei der Nachricht vom Tode des ge= Spiel veranschaulichte. Herr Roll gab den betrogenen