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Theater
Schnitzler=Abend in der
Josefstadt
(Schnitzlers „Liebelei“, aufgeführt mit
Paula Wessely, Friedl Czepa, Anny Rosar,
Hans und Hugo Thimig und Heinrich
Schnitzler, versucht, die Pause bis zur näch¬
sten Novisät mit einer edlen Beschäftigung
auszufüllen, die unter Paul Kalbecks um¬
sichtigem Plick dem Andenken des Dichters
dient. Das Burgtheater, in gleicher Lage.
griff etwas derher zu. Kalbecks Vorstellung
verlänft stiller, inniger und musikalischer:
lichtes Moll mit scherzhaften Motiven
aus der Geheimkammer des Wiener We¬
setis. Ein Seher wienerischer Art wählt
hier unter den verschiedenen Wiener Na¬
men für lockere Liebesdeziehungen, als da
sind „Techtel=mechtel“, „Gspul“ und „Pan¬
tscherl“, das mildeste, süßeste und am besten
klingende: „Liebelei“ neunt er jenes
höchst angenehme Gefühl zweie: Menschen
für einander, die, ohne viel Beschwer, vor¬
übergehend so viel als möglich glücklich
sein möchten; wird großs Leidereschaft dar¬
aus, so verliert die Liebe ihr „lei“ und
wird eben Liebe ganz allein. Fühlt endlich
der eine Teil ewige Liebe, der andere aber
nur Liebelei, dann gibt es eben Schmerz,
Verzweiflung, Sehnsucht und selbstquäle¬
risches Grüblerglück, das heroischer
Willenskraft bedarf, um nicht zum Unter¬
gang zu führen. Christine Weyringer zet¬
bricht an diesem Zwiespalt; sie kann nicht
verstehen und nicht fassen, daß einer, der
ihre große Liebe erkennt und erwidert, zur
selben Stunde hingeht, um im Duell mit
dem Gatten einer anderen Frau zu fallen,
und daß es Zeiten und Zustände gibt, die
erlaubt, den Schuldigen ohn: Verfahren
vor die Pistole des anderen zu stellen, ohne
daß ein Regimentskommandant den Mut
hätte, zu erklären: das Duell kindet aus
höheren, menschlichen und damit zugleich
auch dienstlichen Gründen nicht statt.
Paula Wessely erschütternd echt in ihrer
Qual, sieht ihren Glauben an das Mensch¬
liche und Vernünftige dieser Welt jäh zu¬
sammenstürzen; sie eilt zum Grabe des Ge¬
liebten und selbst der Dichter nimmt an,
daß sie nicht mehr wiederkam: ein schwacher
Schluß, den zu spielen ihr sichtlich Mühe
macht. Die einleuchtende Kraft ihrer Dar¬
stellungskunst brachte Paula Wessely starken
Erfolg. Die anmutige Frau Czepa, gewitz¬
ter als ihre Freundin, wird mit dem
Problem der Liebelei weit rascher und
gründlicher fertig; sie plaudert sich durch
und hofft auf bessere Zeiten. Von den bei¬
den jungen Männern, die ihren Partnerin¬
nen in wienerischer Polarität gegenüber¬
stehen, befestigt Hans Thimig die Ueber¬
zeugung, daß seinem großen Talent keine
Grenzen gesetzt sind, obwohl die reine Lieh¬
box 13/3
5. Liebelei
enne en enen eee ne
haberschaft nicht seines ursprünglichen n= mungsvollen Vorstellung bei. Ob Herr
tes ist. Heinrich Schnitzler aber, der ohn Hübner als gekränkter und rachegieriger
Ehemann fehl am Platze war, möchte ich
des Dichters, übetrascht durch weise Bän¬
nicht entscheiden. Seine Unerbittlichkeit und
digung des Schauspielerischen, zu natür¬
tödliche Sicherheit in der Sache selbst schei¬
licher und einfacher Partnerschaft am
nen mit glänzend gespielt. Weit eher möchte
Schicksal des Freundes; anscheinend farb¬
man dem Dichter den Vorwurf machen, er
los, erweckt er gerade damit das sichete Ge¬
habe den Gehörnten gänzlich ohne einen
fühl, daß es in seinem Innern umso stür¬
Unterton me schlicher Anteilnahme gelassen
mischer zugeht. Hugo Thimigs rährender
und dadurch den Schauspieler gleichsam un¬
Vater unb Anny Rosars Katharina Binder,
möglich gemacht, in seine Hörner zu blasen.
eine von Gewissensbisten heimgesuchte Ehe¬
Hans Liebstoeckl.
stifterin, tragen zum Gesamtbild der stim¬
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Meuiskeits Weitblatt, Wien,
vom:
2 2.FEB. 1933

Theater und Kunst
Taula Wessely wieder im Theater in der
Josefstadt.
Ein Arthur Schnißler=Abend.
Paula Wessely ist nun wieder aus den Gefilden
der Operette, in denen sie allerdings als „Sisly“
wandeln durfte, in die Josefstadt, an die Bühne, die
sie Künstlerin werden und emporwachsen ließ.
zurückgekehrt. Als Antrittsrolle spielte sie die
Christine in Arthur Schnitzlers „Liebelei“ jenen
Tyy des herben Wiener Mädels, dessen Liebe in
Tragik endet. Sie spielte sie mit ergreifender Echt¬
heit vom ersten Auftreten bis zu dem meisterhaften
Verzweiflungsausbruch, mit dem das Stück endet. Ihr
Vater, der alte Musikus Weyring, war Hugo
Thimig, einfach meisterhaft, rührend in seiner
Vaterliebe, erschütternd in seinem Schmerz. Ein ent¬
zückendes Gegenstück zur Christl war die blonde,
lebenslustige, von keinerlei Sorgen beschwerte Schlager
Mitzi des Fräulein Czepa. Hans Thimig gab den
von Tragik umwitterten jungen Mann, der eine
Albernheit mit dem Duelltod büßen muß, gewandt,
allerdings ohne besondere Betonung des Wienerischen.
Schnitzler spielte seinen Freund als wohl¬
zogenen, korrekten Jüngling aus gutem Hause in
guter Haltung. Der Beifall war groß und feierte ins¬
besondere die heimgekehrte Paula Wessely.
Der „Liebelei“ ging das graziöse Puppenspiel
„Der tapfere Cassian“ voran, in dem auch
Hans Thimig und Fräulein Czepa als Pierrot
und Kolombine brillierten. Neugebauer fiel
allerdings mit dem etwas zu derb angelegten Cassian,
der seine Wirkung im übrigen nicht versagte, aus dem
r. p.
Rahmen des Puppenspieles heraus.