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Liebelei
55 B. enenen
ESERVER“
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Osterreichische Polken¬
vom:
25
Theater in der Josefstadt: „Liebelei“ von Schnitzler.
Würde-heute-ein Antor das Shäuspier „Liebelei bei einer
Theaterdirektion einreichen, würde es wohl mit einem über¬
legenen Lächeln von der Direktion abgelehnt werden. Am ehesten
von der Josefstadt. Wir wollen über die Qualitäten des Stückes
schweigen, dessen Vorzug vor allem die wienerische Note ist. Die
ausgezeichnete Darstellung der Schauspieler in der Josefstadt
macht auch diesen Abend zum Genuß. In erster Linie ist Hugo
Thimig zu nennen, der die Liebe, den Schmerz des Vaters
und die Angst vor dem Verlust der innig geliebten Tochter in
einer schauspielerischen Höchstleistung zum Ausdruck bringt. Es
verschlägt nichts, daß er das nicht wienerisch tut. So lange
Hans Thimig den jungen Lebemann spielt, mag er uns
nicht recht gefallen, in dem Moment aber, wo er vom Tod ge¬
zeichnet ist, zeigt er seine hohen künstlerischen Qualitäten. Da
spielt schon Heinrich Schnitzler den jungen Lebemann viel
echter. Fräulein Czepa ist entzückend, ein bißchen keck, ein
bißchen liebenswürdig, eine gute Portion Leichtsinn, das Wiener
Mädl in Schnitzlerischem Sinn. Paula Wessely spielt die
Christine simpel, ganz unsentimental, aber doch tief innig. Es
will allerdings nicht zu dieser Art Liebe passen, daß sie ihr
„auf Zeit“ genügt. Erschütternd in dem Seelenaufschrei der
ersten jungen enttäuschten Liebe. Für die geschwätzige, neu¬
gierige, für den guten Ruf des jungen Mädchens besorgte
Strumpfwirkersgattin findet Anny Rosar den richtigen Ton.
Herr Hübner als Bote des Todes, der mitten in das lachende
Leben der jungen Leute tritt, überaus wirkungsvoll.
Im Vorspiel den „Tapferen Cassian“ sind Hans Thimig
und Fräulein Czepa hervorzuheben. Eine Meisterleistung
bietet in Gestalt, Rede und Aufschneiderei der Münchhaufner
Neugebauer, Über allem aber ist die glänzende Regie
Paul Kalbecks hervorzuheben, der dieses zwischen Ernst und
Scherz, zwischen Parodie und Wirklichkeit pendelnde Puppen¬
spiel mit originellen Einfällen ausstattet.
• GENOVI
I.
25FE8
TEATRI ESTERI
e Di Arturo Schnitzler sono state rap
presentate cön öttimo sudcesso al Teatro
in der Josephstadt di Vienna, con la re¬
gia di Paul Kalbek e scene di Otto Nie¬
dermoser, la-commedia in un atto all
valoroso Cassiaus e-Libeleis che in Ita¬
lia é6 stata rappresentata col titolo &Gri¬
stinas.
Thaal
Wien, I., Wellzelle Br.n
Teleion R-9 3-0=48
Korge apost,
25. Februar 1
Mater unsKunst
Schnitzler=Abend im Theater in
der Jofefstadt
„Der kapfere Cässtan“ und „Liebelei“.
Ein Abend voll tiefer Weihe. Nach dem
Puppenspiel „Der tapfere Cassian“, in dem
neben Czepa und Neugebauer vor allem Hans
Thimig seine Drolligkeit spielen lassen konnte.
die heute wie ch und je ergreifende Geschichte
von der kleinen „Liebelei“ die so traurig
endet. Ganz groß vor allem die Christine Paula
Wesselys, die mit ihrer wehen Tragik tief
ans Herz greift. Paula Wessely ist nun schon
weit hinaus über kleine schauspielerische Rou¬
tinekunststückchen und gewährt in Blick und
Wort reifste Kunst. Um sie Hans Thimig und
Heinrich Schnitzler, Fräulein Czepa und Frau
Rosar, Hugo Thimig als Vater Weyring —
Leistungen, wie sie eben nur das Theater in
der Josefstadt auf die Bühne bringt.
Oesterr.
OBSERVER Senörel. konz.
Gro für Zeltungsnachrichten
IEN I, WOLLZEILE1
vetiner Börsen-Caursen, bate
25. FEB.1933
haben mag. Aber was die drei Akte dadurch
an Wienerischer Weichheit, die längst eine Sage
Hartmann und Wessely
geworden ist, verlieren, gewinnen sie an dra¬
Pen
matischer Unmittelbarkeit. So nah, so ge¬
mn Wien
schlossen als eine menschliche und dichterische
In einer auf robuste Theaterwirkung von
Einheit hat man die „Liebelei“ schon lange
Hermann Röbbeling inszenierten Auffüh¬
nicht gesehen. Hugo Thimig ist ein wunder¬
rung des „Florian Ceyer“ am Burgtheater
voller alter Meyring. Heinrich Schnitzler
spielt Paul Hartmann die Titelrolle. Er ist
spielt den Tleodor mit-überraschender Kraft
ein echter Ritter. Treu seiner Sache bis in den
als einen wienerischen Karlos neben einem Cla¬
Tod. Ein blutwarmer Mensch. Ein Prachtkerl.
vigo von 1890. Auch Friedl Czepa spielt die
Nur manchmal noch zuviel Schiller. Er legt
Schlager-Mizzi ganz neuartig und selbständig.
Sie spielt die Figur ohne jede Drastik, ohne
dann los, während bei Hauptmann das Wort
jene falschen Theatertöne, die bereits Konven¬
seinen Helden überwältigt. Paul Hartmann
tion dieser Rolle geworden sind. Sie gibt wie¬
müßte, um ganz in den Florian Geyer hinein¬
der den ursprünglichen Sinn der Gestalt voll
zuwachsen, ihn noch mehr aus der Sprache, die
Frische, Zartheit und Humor. Paula Wesse¬
er spricht, herausgestalten. In dem Fränki¬
lys Christine ist ein stiller, herber, in sich ge¬
schen seiner Mundart wird sein Wesen offen¬
haltener Mensch. Ohne Lüge. Ohne Schein.
bar, sie gibt ihm auch die Körnigkeit im See¬
Das Gefühl dieser Christine liegt nicht offen
lischen. Hartmanns Florian Geyer verweilt
zu Tag, es brennt nach innen. Sie gibt sich
noch auf der Schwebe zwischen Jüngling und
schwer, aber wenn sie sich einmal gegeben hat,
Mann.
bewahrt sie nichts für sich zurück. Kein pas¬
Das Theater in der Josefstadt brachte als
sives Geschöpf, das genommen und zerbrochen
Schnitzler-Abend die „Drebese#mit Paula
wird. Immer ist es sie selbst, die entscheidet,
Wessely als Christine. Das Schauspiel kommt
und hat darum auch die gleiche, ungeteilte,
in der Regie Paul Kalbecks um einige Grade
O. M. F.
härter heraus, als es sich Schnitzler gedacht j elementare Kraft im Schmerz.