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Liebelei
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5. Lanauau
„. Jubel. Er etgahfie mnt
Ar Einngars Kanonalgeschenteübergeden; er hier, obwohl es sich auf uralte Rechte berusen könnte, damit, serner, wie freudig erstaunt er war, als er einen Einblick in
wies ihn zu Gunsten der Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen den jetzigen Status aufrecht zu erhalten.
die reichen Schätze an spanischen Manuscripten und seltenen
zurück. Ein zweites Mal verfuhr er ganz ähnlich, nachdem er] Denn ersteus könnte jeder Versuch einer Aenderung desselben
Drucken gewann, welche eine Zierde unserer Hof¬
bibliothek bilden.
den letzten Aufstand auf Cuba überwältigt hatte. Dabei junberechenbare Verwicklungen herbeiführen, da
Die stärksten Proben seines Talents hat Schnitzler für
müßigen Poetengehirns, das von dem Dichter der „Nora“
bis sie selbst davon anfängt, nachdem die Gefahr vorüber ist.
den letzten Act aufgespart, der entschieden zur Tragödie
zum Produciren angeregt worden ist. Giacosa's „Rechte
„Welche Gefahr?“ ruft der halb verrückt gemachte Paul
abschwenkt und, nachdem der verächtliche Held im Zwischen¬
der Seele“ suchen sich dadurch zu beglaubigen, daß sie alle
und verlangt die Briefe zu sehen, die Ludwig an Anna ge¬
act aus dem Wege geräumt worden ist, das verlassene
übrigen Rechte mit Füßen treten. Die Seele ist natürlich
richtet hat. Das ist sein Recht, und sie überläßt sie ihm.
Mädchen als wahre tragische Heldin auf den Schild erhebt.
eine hysterische Frauenseele, welche von ihrem Gatten das
Er, hochherzig wie er einmal ist, wirst das Bündel un¬
Verurtheilt, gerichtet und beendet ist die Liebelei, die wahre
eröffnet ins Feuer, bittet seine Frau mit Thränen um Ver¬
Unmögliche verlangt. Nie befand sich ein sonst wohlsituirter
Liebe lebe, um den Märtyrertod zu sterben! So ist dieser
zeihung und schlägt ihr eine Erholungsreise in die Schweiz
gehaltvollste und schönste Theil des Werkes eigentlich nur
brave, mit besonders hervorragenden Eigenschaften des
vor. Das empört sie aufs äußerste und sie schreit: „Ich
ein Epilog der vorhergehenden Theile. In dem lockeren
liebte Ludwig und ich liebe ihn noch. Ich habe nie einen
Geistes und Körpers allerdings nicht gerade gesegnete Paul.
Gesüge des Ganzen verräth sich der Anfänger oder, wenn
Was geschieht ihm? Er bekommt ein Telegramm aus
Anderen geliebt und empfinde nun die Reue meiner Tugend“
das besser klingt, der Schüler des modernen Naturalismus.
London, daß sich dort sein Freund und Vetter Ludwig er¬
(soll wohl heißen: ich bereue, daß ich tugendhaft geblieben
Nun, wir meinen, wer so reich begabt ist wie Schnitzler, hat
schossen hat. Er verläßt sofort sein Landhaus bei Mailand,
bin), und nun rückt sie dem bestürzten Manne vor, was er
es, Gott sei Dank, nicht nöthig, Naturalist zu sein oder zu
reist hin und bringt die Angelegenheiten des Verstorbenen
Alles hätte ahnen, fühlen, wittern, sehen, hören, thun und
in Ordnung. Ueber das Motiv des Selbstmordes verlautet
bleiben, und wer im Einzelnen so vortrefflich und
lassen sollen, um sie sich zu erhalten. Denn nur um ihn zu
künstlerisch zu componiren versteht, wird es auch im Ganzen
nichts. Als er nach Hause zurückkehrt, übergibt ihm die
schonen, hat sie ihm nie etwas gesagt und sich so gestellt, als
können. Die Scene zwischen Christine und ihrem Vater, der
Behörde eine Briestasche, die man nachträglich im Rocke des
liebte sie ihn. Wie hätte also Paul sich benehmen sollen?
sie auf die furchtbare Nachricht vorbereiten will, worüber
Todten gefunden, und in dieser Briestasche erblickt Paul zu
Vielleicht hätte er in einer trauten Stunde ihr ins Ohr
ihm selbst das Herz bricht, sowie die späteren Seenen,
seiner Ueberraschung einen Brief seiner Frau folgenden
flüstern sollen: „Sag' mal, liebes Kind, Du liebst wohl
welche dem Selbstmord Christinens vorangehen, üben eine
unseren Vetter Ludwig? Ich verdenke es Dir nicht; denn
Inhalts: „Du schreibst mir, daß Du, wenn ich Dir nicht
wahrhaft erschütternde Gewalt auf den in athemloser Span¬
antworte, sofort hieher zurückkehrst. Ich liebe meinen Mann.
er ist ein hübscher Junge und zehnmal gescheidter als ich.“
nung lauschenden Zuschauer aus. Nicht sowoyl der Tod des
Das ist meine Antwort. Ich habe Dir nichts weiter zu
Dann hätte Anna mit niedergeschlagenen Augen verschämt
Geliebten stürzt die Aermste in Verzweiflung, als vielmehr
sagen als das und ich werde es immer wiederholen. Ich
gelispelt: „Ach ja, lieber Paul, Du hast es errathen, es
der Gedanke, daß er für eine Andere hat sterben können,
beschwöre Dich, mich nicht zu quälen. Anna.“ Der größeren
verhält sich in der That so. Aber sei nur ruhig, ich werde
daß ihr, der Ehrlosen, kein Theil an der Trauer um ihn,
Sicherheit wegen hatte Ludwig darunter geschrieben: „Er¬
ihm schon schreiben, daß ich Dich liebe. Diese Nothlüge
kein Platz an seiner Leiche, an seinem Grabe vergönnt ist.
halten am 20. 6. um 11 Uhr Vormittags“, steckte den
wirst Du mir verzeihen; denn ich habe mir vorgenommen,
Sie fühlt wohl auch, daß sie sammt ihrem Vater Unrecht
Brief in sein Portefeuille, dieses in seinen Rock und erschoß
Dir treu zu bleiben!“ Der beglückte Gatte aber hätte dann¬
hotte, daß ihre übergroße Liebe zu dem Unwürdigen eine
sich. Auf den Vetter Ludwig, Frau Anna und auf die
sein kreuzbraves, biederes Weib an sich gezogen, und sie
Berirrung war, und dieses vernichtende Gefühl jagt sie in
Londoner Polizei wirft der Brief ein häßliches Licht.
hätte bewundernd zu ihm emporgeschaut: „Du hast mich
den Tod. Der Gerichtete hatte nur geliebelt, sie aber hatte
Anna hätte ihn nicht schreiben, Ludwig ihn vernichten,
verstanden, Du bist doch klüger als Du aussiehst, und so
geliebt; die Lüge steigerte den Irrthum zur tragischen
die Polizei aber ihn finden sollen. Da alle Drei ihre
sind wir einander werth!“ Stimme des Bruder Marius aus
Schuld und führte den Untergang der zum Sterben Gereisten
Schuldigkeit versäumten, that Paul die seinige und las ihn.
dem Hintergrunde: „Nein, Paul, ich kenne Dich länger und
Zum Teufel auch, er wollte doch erfahren, warum sein lieber
herbei. Mit den ewigen Mächten, die aus den Tiesen der
besser. Du bist doch noch dümmer als Du aussiehst. Aber
Vetter sich das Leben genommen hatte. Das nimmt Frau
Menschenbrust zu den Sternen hinaufgewachsen sind, läßt sich
Dummheit ist kein Scheidungsgrund. Und wenn nur die ge¬
nicht spassen.
Anna übel. Sie wünscht, daß nicht eher über den Brief undscheidten Männer von den Frauen geliebt würden, so stürbe
Max Kalbuck.
Wohl aber mit den verzwickten Problemen eines die damit zukammenhängende Geschichte gesprochen werde, die Welt aus!“