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Liebelei
—0
I. Oesterr.
OBSERVER Seneret. kens.
Büro für Zeitungsnachrichten
WIEN I, WOLLZEILE 11
Wiener Volksblatt
27 PB 1933
Theater und Kunst
Theater in der Josefstadt.
Schnitzler’s tiefgründige Dichterworte erklingen.
Das weite Land der Seele umfängt uns mit seinem
milden Hauch. Gleichsam als Vorspiel die Marionet¬
tenszene „Der tapfere Cassian“: ungeachtet
des puppenspielerischen Charakters ertönen alle
Grundakkorde des Seins, die urewigen Wahrheiten
von Leben, Lieben und Sterben. Dieses feinziselierte
Miniaturspiel erhält durch die virtuose Darstellung
von Hans Thimig, Friedl Czepa, Alfred Neugebauer
eine besondere Resonanz. Das Ganze ist von der
zartsinnigen Regie Paul Kalbeck’s auf farbigste
Spieldosenromantik eingestellt.
Diese wunderbare Inszenierungskunst wie die
Vollendung der Darstellung prägt sich noch nach¬
haltiger im Hauptwerk „Liebelei“ aus. In feinen
Nüancen ist das fin de siecle-Wien mit seinen sinn¬
lich-elegischen Gefühlen veranschaulicht. Eine Welt
der Halbheiten, keine Liebe, alles ist Liebelei. Aber
plätzlich erwächst aus diesem Spiel mit dem Feuer
eine elementare Flamme, eine große Liebe, ein
menschlicher Aufschrei: Paula Wessely's Christine
in ihrer schlicht-genialen Ursprünglichkeit, in ihrer
unaufdringlichen Größe; jedes Wort ihrer „Christine“
ist ein Schicksal, und selbst ihr Schweigen spricht
eine eindringliche Sprache, die Sprache des Herzens.
Als ihre Freundin, die leichte „Schlager-Mizzi“ ist
Friedl Czepa, ein Sonnenstrahl, der auch in den Nie¬
derungen des Gefühles wärmt und leuchtet. Den
alten Weyring gibt Hugo Thimig mit gereifter Mei¬
sterschaft, mit der Ueberlegenheit edler Weltanschau¬
ung und verständnisvoller Güte. Hans Thimig als Fritz
malt in erlesen nüancierten Aquarellfarben das Bild
eines sehnsuchtsvoll-lebensdurstigen Menschen, über
dem schon die Todesschwingen rauschen. Ein in¬
teressanter Gegensatz zu seiner passiven Charak¬
terisierungskunst ist Heinrich Schnitzler’s lebensprü¬
hende Gestaltung. Ueberaus saftvoll auch Annie
Rosar. Schließlich sei noch Herbert Hübner'’s ge¬
dacht, der mit scharfer Prägnanz als „fremder
Herr“ der zum Duell auffordert, die Hand des rä¬
chenden Schicksals verkörpert.
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Neue Züricherzeitung
37.3.1953
vom:
Wel r W
In der Josefstadt, bei Reinhardt, gab es eine#
Schnitzler=Feier die endlich dieses Theater¬
seiner Bestimmung wieder zurückgab; denn es hat
solange schlimmen Instinkten des Publikums ge¬
opfert, daß es nun in ähnliche Verlegenheiten ge¬
raten ist wie das Akademietheater. Sein berühm¬
tes Ensemble vermag viel — wie sich in dem Stück
„Glück im Haus“ von Letraz wiederum zeigte —
Laber doch nicht alles. Wenigstens von Zeit zu Zeite
wollen Dichter gehört sein. Man spielte als lever
de rideau den „Tapfern Cassian“ und ließ „Liebe¬
lei“ folgen. Heinrich Schnitzler, Hugo und Hans
Thiemig spielten sie, und Stax selbst dieses En¬
sembles war Paula Pressell“
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ER
HzeileNr 1#
lafon P-23=0=42
Der Kampfruf am lonta, Wiel
E
37.2. 1935.
Kunst und Bühne
Arthur Schnitzler im Theater in der
Jesefstadt
Man muß wissen, was man der jüdischen"
Gesellschaft schuldig ist. Ohne einen Kotau vor
der Großpresse Wiens geht es nicht. Und des¬
halb wurde das Werk von Arthur Schnitz¬
ter „Liebelei“ ausgegraben, das von allen
Werken dieses Juden noch immer das an¬
sprechendste ist. Arthur Schnitzler ist eine eigen¬
artige Mischung von Asiatenblut und wieneri¬
scher Geistigkeit, einer jener Juden mit halb¬
gelungener Assimilation. So kann er ganze
Akte schreiben, die unserem Empfinden nicht
fremd anmuten, plötzlich aber schlägt wieder
die Stichflamme des jüdischen ätzenden und
verletzenden Geistes durch, am stärksten wohl in
seinem Reigen. In Liebelei feierte die arische
Künstlerin Paula Wessely einen ganz großen
Erfolg.
„Dertapfere Kassian“ aus dem Nach¬
laß des Dichters ist eine Niete.
dr. a. sch.