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Liebelei box 13/4
L SSU
ASERVER‘
itzeile Nr. 11
52.61-4
Sonn- u. Krndamannühtung
21. F
Filme, wie sie wirklich sind
K
doch irgendwie milden, frühlingsahnenden Winterabend das
Kino verläßt, nicht ganz allein, spürt man in der Nähe
„Liebelei“.
HMEArme
Es ist — das wollen wir gleich festgchalten haben —des Stadtparks mehr von dem Hauch Schnitzlerscher Luft
eine preußische Liebelei. Liebelei: das ist ja bloß das hoch-aln in der ganzen filmischen „Liebelei“. Im Jahre 1933, zu
deutsches Wort für „Gspusi“. Oder für Techtmechtl. (Schreibt einer Zeit, da es gar keine Dragoner mehr gibt. Bei dem
Wiener Schnitzler berührt das Unausgesprochene. Ein
man las so?) Die Tonfilmautoren, der Regisseur, auch die
Darsteller nahmen die deutsche Uebersetzung unseres wiene- Handedruck im Halbdunkel. Fin leises Gespräch an einem
Sommerabend. Manches, das nicht gesagt wird.
rischesten Gspusis zu ernst. Das Gspusi — ihnen fehlt der
Sinn für die Beschwingtheit dieses Wortes. Für das Leicht¬
Das jedoch sind literarische Einwände. Der Film
sinnige und Oberflächliche und Verwehende und Träumerische.
selbst, jenseits der Literatur, ist sauberste Mache. Ein
Heurigenfilme — die können sie inszenieren. In Neu¬
sauberes Opus von Ophuls. Mit wunderbaren Aufnahmen.
babelsberg. Schrammel ist umzuinstrumentieren auf Berliner
Mit einer braven Vermeidung des Ateliers. Daz Erlebnis des
Jazz. Aber ein Gspusi“ avon versteht Ihr nichts. Das ist
Abends jedoch: die herbe Bubenhaftigkeit des jungen
nicht zu vergröbern, zu verhärten, zu verkörpern. Wenn die
Liebeneiner. Auch er ist unwienerisch. Aber hier
Berliner ein Gspusi haben, so gibt’s Ehescheidung, Alimenta¬
triumphiert das Menschliche. Hier verzichtet man auf orts¬
tionsprozeß und den berlinischen § 144. Das Techtmechtl
gebundene Atmosphäre. Auch Schnitzler wuchs ja über
nennen sie gleich Verhältnis. „Darf denn eine Frau kein Ver¬
Wien hinaus. Auch der junge Liebeneiner wächst, mit
hältnis haben? .“ Zum Auswachsen.
seinen irrenden Kinderaugen, mit seiner schwanken
Kurz: diese „Liebelei“ hat ka Schnitzler g’schrieb'n
Schwäche, mit seiner erschrockenen Fahlheit, über das
und ka Weaner 'dicht't. Er ist auch ka Weaner Madl, das zu
Lokalgebundene empor. Wie das Gesicht verfällt, wie dieser
[Prinz Homburg aus Sievering — d un das ist ja
ihrem Liebsten spricht.
Schnitzlers Fritz — plötzlich zusammenknickt und sich doch
In dem stummen und nun schon vergessenen „Liebelei“-aufrechterhält: das ist ein schauspielerisches und mensch¬
Film war manches gestufter. Die Regie der Brüder Fleckiliches Erlebnis. Nicht mehr auszulöschen die Szene, als Fritz
war nicht fleckenlos, ja, sie unternahmen das Merkwürdige, nach der Flucht aus dem Haus des Barons heimkehrt. Hief
spürt man, wie einer davongelaufen ist. Vor dem Er¬
Liebelei in ein Jazz-Zeitalter zu verpflanzen und das Wort
lebnis. Vor dem Gatten. Vor einer Frau. Vor Liebe,
Liebelel einfach mit „Flirt“ zu übersetzen. Aber diese Ueber¬
die keine Liebelei ist. Solches Davonlaufen schafft nur ein
setzung ist, schließlich, doch noch verwandter als die Uever¬
Großer. Neben ihm die abgerundete, aber auch kühle Leistung
setzung von Gspusi mit Leidenschart. Die braven Deutschen
der Magda Schneider. Man empfindet bei ihr die Liebelei
gehen eben aufs Janze. Sie verwechseln Wiener Schnitzler mit
nicht, an der sie zugrunde geht. Fritz sieht in einen reflex¬
Berliner Pudding. In dem stummen Film spielte Evelyne
losen Spiegel. Bezaubernd das Kleinludertum der Ullrich,
Holt das Wiener Mädl. Mit ihrer Henny-Porten-Blondheit,
prachtvoll die Männlichkeit Eichbergers. Hörbiger
ein Donaugretchen. Und Jaro Fürth, unvergeßlich mit
ist ein junger Weyring. Kein Vater. Vor dem Tonfilm, bei
seinen gütigen Vateraugen. All das ist jetzt, schon
Jaro Fürth, bei Schnitzier, las man’s anders.
durch den Ton, durch den keß-berlinerischen Ton, weniger
Ein sehenswerter Film. Für alle, die Schnitzler nicht
still, weniger verhalten. In dem, was ausgesprochen wird, liegt
gelesen haben. Lehrreich für jene, die Schnitzler lieben. Hier
die Unzucht wider die Literatur. In dem himmlischen
zeigt sich der Unterschied zwischen der Verlogenheit der
Schnitzler-Spiel von Liebe und Liebelei erscheint der Baron,
Heurigenstimmung. Kopierbar in jedem Atelier in Neu¬
der den Fritz erschießt in einer einzigen Szene. Das ist kein
babelsberg. Und der Wiener Wirklichkeit. Erfaßt von
Zufall. Wir stammen nicht von jenen Asra, welche schießen,
Schnitzler. Nicht nachzuahmen jenseits des Döblinger
wenn sie lieben. Der aufgeregte Gatte fällt aus dem Liebelei¬
Cottage.
Rahmen. Und Gustav Gründgens, ein fast peinlich guter
Sie haben, in Berlin, die Heurigen aufgetan, die bei
Sprecher, spielt hier einen Baron, der die Hand stets am Hahn
uns gesperrt haben. Sie mögen mit ihnen glücklich werden.
des Revolvers hält. Unter dem Frack glänzt eine wilhelmi¬
Schnitzler können sie uns, bei all ihrer Geschäftigkeit, nicht
nische Uniform. (Bel Schnitzler spürt man noch Schmerz¬
nehmen.
empfinden, wenn einer Schmerzen gibt.)
Und für Liebelei gibt es kein deutsches Wort. (b.)
Uebrigens: die Uniformen. Sie sind preußisch knapp.
und wenn die in gen Offiziere miteinander sprechen, dann geht
es stramm zu. Stramm statt leger. Keß statt fesch. Knorke
statt ulli. (Knorke statt tulli — da liegt’s.) Auch der Hinter¬
grund ist eher berlinerisch als schnitzlerisch. Nur dort,
wo es still wird auf der Leinwand, in der Szene auf
dem Kasernenhof, in der Szene vor dem Duell, empfindet
man einen leisen Gruß an den großen Toten von Wien.
Aber wenn man dann an einem solchen verschneiten und