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Liebelei

pr
Die als Weihnachtsnovität des Raimund=Theaters
angesetzte Uraufführung der Neufassung der Schnitzlerschen
„Liebelei“ mit der Musik von Oskar Straus, ist aneinem
Konflist gescheitert, der zwischen der Direktion des
Raimund=Theaters und den Autoren des neuen Librettos ent¬
standen ist. Direktor Dr. Hock beabsichtigt, von einer Aufführung
des Werkes vorderhand abzusehen. Die Auflösung des vor
längerer Zeit abgeschlossenen Vertrages ist nun aus dem Grund¬
erfolgt, weil die Autoren die im Kontrakt festgesetzten
Aenderungen nicht vorgenommen haben.
Der Standpunkt des Raimund=Theaters.
Ueber diese aufsehenerregende Theateraffäre macht uns
Direktor Dr. Stephan Hock folgende Mitteilungen: „Ich und
mein Mitdirektor Barnay als Leiter des Raimund=Theaters
haben am 25. Juni einen Vertrag mit den Autoren des Spiels
mit Musik „Liebelei“, M.,k von Oskar Straus, abgeschlossen,
in dem sich die Librettisten verpflichteten, gewisse, nach unserer
Ansicht notwendige elenderungen durchiuführen. Der Umfang
dieser Aenderungen, die also bei Vertragsabschluß verlangt
wurden, war von Direktor Barnay und dem einen der
Librettisten Paul Knepler in einem Gedächtnisprotokoll fest¬
gelegt worden, das ausdrücklich als essentieller Teil des Vertrages
erklärt wurde.
Nachdem wir nun die im Juni besprochenen Aenderungen
des Werkes bis Mitte Oktober nicht erhalten hatten, richteten
wir an die Autoren einen Brief, in dem wir ihnen eine letzte
Frist bis 23. Oktober stellten, da wir sonst das Stück nicht als
Weihnachtsnovität bringen könnten. Eine Komaplikation besteht
auch darin, daß vom Landesverteidigungsministerium bezüglich
dieses Stückes ein Verbot der Verwendung von altösterreichischen
Uniformen erlassen wurde und wir den Behörden also das Buch
hätten neuerdings einreichen müssen, was eine abermalige Ver¬
zögerung herbeigeführt hätte. Nachdem auch bis zu diesem
Termin die Aenderungen nicht durchgeführt wurden, erklärten
wir den seinerzeit geschlossenen Vertrag für gelöst, da inftlged
kurzen Zeit eine gründliche Vorbereitung der Operette bis Weih
nachten nicht mehr möglich wäre und wir das Werk nur als
Weihnachtsnovität herausbringen können.
Wir waren von Anfang an der Ansicht, daß durch die
Aufführung die Pietät vor dem Schnitzlerschen Werk nicht ver¬
letzt werden könne, wenn sich das Singspil entweder eng an die
Originalfassung halte oder nur einige Motive der „Liebelei“
als Grundlage für ein neues, heiteves Stück verwendet werden.
Aus diesem Grunde hatten wir auch, was allerdings im Vertrag
nicht ausgenommen worden ist, eine Titelälederung beantragt.
Wie recht wir mit unseren Forderungen hatten, bewies die Ur¬
aufführung des Werkes in Kopenhagen, wo die Kritik den
Autoren und Komponisten fast einmütig den Vorwurf machte,
daß sie aus dem Schauspiel Schnitzlers eine reine Operette ge¬
macht hätten
Was Oskar Straus sagt.
Oskar Straus, der gestern abend aus Paris, wo er eine
Reihe von Schallplattenaufnahmen seiner Wirke geleitet und
außerdem wegen der Pariser Premiere der „Liebelei“ im
Théatre Pigalle, die im Frühjahr stattfindet, die entsprechenden
Abmachungen getroffen hat, hier eingetrossen ist, äußert sich
einem unserer Mitarbeiter gegenüber über die gescheiterte Weih¬
nachtspremiere der „Liebelei“ im Raimund=Theater folgender¬
maßen: „Es ist nicht richtig, daß ich und die Buchautoren wegen
der unterbleibenden Aufführung der „Liebelei“ in Raimund¬
Theater einen Prozeß anstrengen wollen, wir haben uns vielmehe
im Einvernehmen mit dem Sohn des Dichters, Heinrich
Schnitzler, entschlossen, auf diese Aufführung zu verzichten. Wir
weigern uns nämlich, die Aenderungen durchzuführen,
die die Direktoren des Raimund=Theaters verlangen. Diese
Aenderungen bestehen darin, daß das Stück, das in unserer
Fassung keinen tragischen Ausgang hat, sondern unentschieden
endet, ein Happyend erhalten soll. Außerdem sollten verschiedene
leitere Szenen eingefügt werden, die nach unserer Meinung die
„Liebelei“ nicht verträgt. Was die Uraufführung in Kopenhagen
betrifft, so haben weder ich noch die Buchautoren dieser bei¬
gewohnt, doch sollen nach unseren Informarionen Veränderungen
vorgenommen und ganz unpassende heitere Szenen eingefügt
worden sein. Die Aufführung in Kopenhagen ist überhaupt ohne
unser Wissen erfolgt, da seitens unseres Verlages in dem Ver¬
trag mit der Kopenhagener Bühne nicht, wie es sonst üblich ist,
die Klausel aufgenommen wurde, daß die Aufführung in Kopen¬
hagen erst nach der Wiener Premiere stattfinden dürfe...