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Liebelei
4 box 13/6
Vorsenblatt. Tasnee
= 0Kl. 1834
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Neueinstudierung von Schritzlers „Liebe¬
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
leis. Das Zagreber Dramd bereitet eine
Neueinstudierung " Schnitzlers Dra¬
Wien I, Wollzeile 11
ma -Liebelei- vor. Die Regie führt Ka Me¬
Telephon R-23-0-43
sarié. Die Hauptrollen spielen: Nada Babié,
Ervina Dragman, Bogumila Vilhar, Strahi¬-
nia Petrovié, Mato Grkovié, Rudolf Kukié
Ausschnitt aus:
und Viekoslav Airié.
Morsenbian. Tadeng
vom. 30.0NT. 1934
Theater, Kunst und Literatur
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„LILBLEET
Arthur Schnitzler:
Neueinstudiert im Grossen Theater
len. Und wo blieb es im zweiten, na¬
des Stück entweder nicht aufführen
Zagreb, 29. Oktober. Somit hatten
mentlich im dritten Akt? Nada Babié
sollen — einen Dauerwert hat es ohne¬
wir Gelegenheit, gewisse Grenzen der
hätte doch nur eines Hinweises ge¬
hin nicht — oder hätte ein Kabinetts¬
braucht, was denn ein ssüßes Mädele
Leistungsfähigkeit unseres Theaters
stück daraus machen müssen. Die Fi¬
kennenzulernen. Vor allem der Spiel¬
ist. Das übrige hätte sie selbst gebracht.
gur, die Mato Grkovié geschaffen,
leitung. Der rührige und unermüdliche
Also fehlte es an dem Hinweis.
hätte dabei in ihrer Hudozestvenigröße
Bogumila Vilhar war die richtige
Spielleiter Ka Mesarié stand ganz
und dem Hudozestvenitypus eine treff¬
Figur. Die Künstlerin übte ganz offen¬
offenbar vor einer Aufgabe, die ihm im
liche Richtschnur abgeben können.
sichtlich Zurückhaltung. Diese soll ihr
ursprünglichen Sinne des Wortes fremd
Dem Personenverzeichnis nach! Stra¬
auch anerkennend gebucht werden.
war. Die drei Akte waren jeder für
hinia Petrovié gab den Vater, den
Gjurgiica Devié wirkte sympa¬
sich innerlich verschiedenartig ange¬
Geiger. -Liebeleis ist zwar eine Tra¬
thisch durch sicheres Auftreten.
legt. Es waren drei Dramen, wovon
gödie, die Figur ist aber keineswegs
Viekoslav Afrié hat gänzlich ver¬
das erste (der erste Akt) schwach und
pathetisch. Neben Christine, Mizzi,
sagt. Das war kein Student, kein Sohn
blaß, das zweite „passabelz, das dritte
Fritz und Theodor kann es keine Pa¬
reicher Eltern, aber auch nichts ande¬
trotz aller Kräftespannung ein Versa¬
thetik im Stück geben. Die Figur wirkte
res. Kein Ton klang aufrichtig noch
ger war. Das waren freilich leider kein
und dies auch nur wegen der starken
richtig. Offenbar dieselbe Schuld der
Kunst Petrovié’, daher nur im zweiten
Wien und kein Schnitzler. Die modi¬
Spielleitung, wie bei Ervina Dragman.
Akt. Im dritten gab es des Guten zu¬
schen Kleider machen es nicht allein.
Bei beiden offenbar auch noch ein
viel. Die Pathetik zerriß das Stück
Im Gegenteil. Sie störten. Störten in
Mangel: Man treibt zu wenig Kultur¬
Schnitzlers.
einem abscheulichen Maße. Das Stück
und Sittengeschichte. Gewisse Kennt¬
Aus demselben Grunde war die gan¬
Schnitzlers ist sowohl seinem äußeren
nisse gehören ins Fach des modernen
ze Figur unserer lieben und werten
Rahmen als auch seinem inneren Ge¬
Schauspielers. Auch frug man sich
Ervina Dragman mißraten. Diese
schehen nach kein Stück, das aus einem
ganz erstaunt, was denn jenes Herum¬
Trauerweide ist vom ersten Akt an
bestimmten Jahrzehnt Wiens heraus¬
torkeln und Herumstolpern auf der
falsch aufgefaßt und falsch durchge¬
gewachsen wäre. Liebeleien dieser Art
Bühne zu bedeuten hätte. Man ist von
führt. Ervina Dragman verfügt über
sind überhaupt nicht ort- und zeitbe¬
Afrié ganz andere Leistungen gewöhnt.
innige Töne, die unbedingt wirken
dingt. Modekleider älteren Datums wir¬
Diesmal scheinen sich durch eine sel¬
müssen. Ihre Sentimentalität ist echt.
ken dazu in der Regel lachhaft. Denn
tene Koinzidenz die Fehler des Künst¬
Hier war sie falsch verwendet. In den
Mode ist kein Stil und kein Symbol ei¬
lers und die des Spielleiters gegensei¬
beiden ersten Akten war fast kein
ner Epoche. Ebenso wie alte Jungfern
tig potenziert zu haben.
Satz richtig eingesetzt, noch richtig
komisch und verletzend wirken, wenn
Rudolf Kukié als Theodor gab sich
moduliert. Im dritten Akt gab es starke
sie sich angeblich znicht modische, in
eine Note zu blöd. Er muß zwar ein
Momente. Die Künstlerin steuerte aber
Wirklichkeit aber nach einem zufälli¬
liebenswürdiger Flachkopf sein, aber
von Anfang an zu geradlinig auf diese
gen Modeschnitt ihrer Jugendjahre
tatsächlich ein gemütlicher, ein esym¬
Endszenen hin. Es muli ganz anders
kleiden. So wirkten auch die weibli¬
pathischer.
kommen. Das Flockige der Gestalt
chen Gestalten auf der Bühne. Solche
Mato Grkovié muß zum Schluß
muß anfangs zur Geltung kommen.
Dramen sind zeitlos zu geben. Dann
nochmals mit ehrender Anerkennung
Dann schneiden Autor und Künstlerin
kommt der Ideen- und Gefühlsinhalt
genannt werden. Es war eine Spitzen¬
immer tiefere Linien in das Stück.
zur Geltung. Das er Samstag glatt hin¬
leistung, diese kleine Nebenrolle. Ja,
Die letzten Schreie haben dann den
gemordet wurde, daran ist auch die¬
die sind so zu spielen. Dann hat das
Augenblick zu zeigen, da das dumme
ser -Echtheitskollere mitschuldig, Die
Zeug seine Wirkung.
Gänschen zum tragisch liebenden Weib
Aufführung zeigte, daß Mesarié keine
Man muß mit Stücken dieser Art äu¬
geworden. Da hätte eben die Spiellei¬
Ahnung vom Wiener ssüßen Mädele
Berst vorsichtig sein. Zumal kein zwin¬
tung von Anfang an eingreifen müssen.
hat. Daher waren die Figuren von Er¬
gender Grund vorliegt, sie aufzufüh¬
Das sind keine Ansichtssachene. Die
vina Dragman und Nada Babié falsch
ren. Wir wollen hoffen, daß dieser
Figur ist von Schnitzler eindeutig ge¬
eingestellt, und das ganze Stück geriet
Abend nicht so bald einen gleichen
zeichnet.
damit in eine verlogene Perspektive,
Nada Babié wird wohl niemand ] Nachfolger erhält.
die als Endergebnis eine Lauheit des
Zdenko Vernic „
Publikums zur Folge hatte. Man hätte das volle Theaterblut absprechen wol¬