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Liebelei
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Semmering
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Österreichische Casino A. G.
Wien III, Schwarzenbergplatz 5a
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I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Ausschnitt a
Wioner Söllung
14 FER 1036
vom:
Theater und Kunst
„Liebelei“ im Schönbrunner Schloßtheater
Schnitzlers „Liebelei“ ist das richtige Stück für die
jungen Schauspieler, die im Reinhardt=Seminar
lernen. Denn es kommen fast ausschließlich junge
Menschen vor, so daß sich die Jugend nur selbst
spielen muß. Es muß übrigens anerkannt werden,
daß auch die beiden älteren Figuren, besonders der
Violinspieler Weiring, von Feodor Weingart¬
ner recht gut gespielt wurde. Den Theodor gab
Otto Fischer mit dem Scharm und der Gewissen¬
losigkeit des Sohnes aus gutem Hause. Gustav
Breuer bemühte sich redlich, den Fritz möglichst
lebenswahr zu gestalten, doch paßt sein Außeres nicht
zu der Vorstellung eines Dragonerleutnants i. d. R.
Hilde Herbert war in Erscheinung und Spiel die
richtige Mitzi, das bedenkenlos liebende Vorstadt¬
mädchen. Die Christine wurde in der ersten Vor¬
stellung von Anna Maier gespielt, die zwar er¬
greifend wirkte, aber doch in ihren Ausbrüchen etwas
zu heftig war. In der zweiten Vorstellung wurde
diese Rolle von Erika Pelikovsky weicher und
dadurch besser dem Typus des Wiener Mädels ent¬
sprechend gespi lt. Elisabeth Deutsch hat sich wieder
als Repräsentantin der Frau aus dem Volke be¬
währt. Zu dem Erfolg hat die Regie Karl Gutt¬
manns und die treffliche Bühnengestaltung Hjal¬
mar Heibergs wesentlich beigetragen. Krafft.
„OBSERVER
I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien l, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Ausschnittellas. Wiener # Shlest. W
vom:
14 FEB 1936
Schönbrunner Schloßtheater.
„Liebelei“ im Reinhardt=Seminar.
Unter der Oberleitung Ernst Lothars, der damit zum
erstepmal von seiner neuen Lehrtätigkeit am Reinhardt¬
Seminar Zeugnis gab, spielten die jungen Schauspielschüler
im Schönbrunner Schloßtheater Schnitzlers „Liebe ei“,
diese in ihrem menschlichen und drameischen Gehalt immer
noch lebendig ergreifende, echt wienerische Ballade eines
liebenden Mädchenherzens. Wieder erwies das Werk trotz dem
veralteten Duellkonflikt, der im Mittelpunkt seines tragischen
Ablaufes steht, seine blühende Dichterkraft, die ungebrochen
und unverwüstlich über allen Wandel der Zeit hinweg von
Herz zu Herzen spricht und unmittelbar erschüttert. Beweis
dafür, wie dieser jüngste Nachwuchs der heutigen Schauspieler¬
generation ohne jede Spur einer psychischen Umstellung, aus
sich heraus, natürlich und selbstverständlich den richtigen
Schnitzler=Ton trifft, seine liedhafte, von leichter Melancholie
umschattete Melodie, die zutiefst aus der ursprünglichen
Musikalität wienerischen Wesens geschöpft ist. Alle un¬
verkennbaren Zeichen eines Meisterwerkes trägt diese
Dichtung: die knappe Schlichtheit der Fabel, die Magie der
urhen
Stimmungen und die klare Einfachheit des
Baues.
Ernst Lothar läßt mit Hilfe seines Regiejüngers Karl
Guttmann das Atmosphärische der Schnitzler=Welt in
behutsam gedämpften Farben aufleuchten und breitet über
das Ganze einen zarten Schleier aus Schwermut und Heiter¬
keit. Rein und schlackenlos, wie aus einem Guß, ist die A##¬
führung unter seiner unsichtbar weisenden Regiehand zu
erstaunlicher Reife und Geschlossenheit gediehen. Aus den
vielen Begabungen unter den jungen Darstellern ragen gleich
einige Persönlichkeiten hervor: vor allem Anna Maier als
Christine. Vom ersten Augenblick an, da sie die Bühne
betritt, wird ihre Besonderheit offenbar. Ein Mensch steht auf
der Szene, gezeichnet von der Tragik eines ihm unbarmherzig
aufgetragenen Schicksals. Diese Christine ist keine Mischung
aus Fröhlichkeit und Sentimentalität, kein empfindsames
Gewächs aus einer zärtlich umhegten Kleinbürgerstube, eher
ein Proletarierkind. Sie macht sich keine Illusionen, ist sich des
notwendigen, vorzeitigen Endes ihrer großen einmaligen
Liebe immer bewußt, will das Verhängnis nur möglichst
hinausschieben und ist bereit, für ihr kurzes Glück zu
kämpfen. Um so furchtbarer stürzt plötzlich und allzu früh die
vernichtende Klarheit über sie herein. Keine Theatralik, keinen
„Schauspielerei“ stört den elementaren Ausbruch ihrer
Gefühle, da sie sich allein und verlassen sieht. Und so läuf, siet
in den Tod wie eine vom Schrecken des Lebens Befreite, die
nun erst Erlösung finden kann. Hilde Herbert ist eine ent¬
zückend resche Schlagermizzi, leichtlebig, albern und gutherzig
zugleich, der echte Wiener Fratz, der in Otto Fischer als
räsonierendem Theodor seinen gleichgestimmten, lockeren
Partner findet. Feodor Weingart als Vater Weyring ist
von sanfter, ergreifender Herzenswärme, Elisabeth Deutsch
als ehemalige Schlagermizzi und nunmehr in den sicheren
Ehehafen gelandete Strumpfwirkersgattin spitz und drastisch,
Walter Kent als jener „Herr“, der eigentlich der Tod ist,
beunruhigend glatt und kalt. Der Fritz Lobheimer des jungen
Herrn Breuer ist mehr ein müd=verzärteltes Mutter¬
söhnchen als das Opfer einer großen Leidenschaft. Ueberaus
stimmungsvoll und charakteristisch die Bühnengestaltung
Hjalmar Heibergs unter der Oberleitung Walter
v. Hoeßlins. Im ganzen eine sehr geglückte Aufführung,
die dem Ruf des Reinhardt=Seminars erneutes Ccho spendet.
M. M. D.
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