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5. Liebelei
Se. box 13/8
Baden Salzburg Semmering
Roulette — Baccara — Chemin de fer

Österreichische Casino A.
Wien III. Schwarzenbergplatz Sa
„OBSERVER“
I. österr. behördlich konzessioniestes
Unternehmen für Zeitunge-Ausschnitte
Wier 4, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
5
Ausschnitt aus:
elenerizer e
vom:
9
Jesuitenkolleg — Güdamerika —
Reisherdtsminar.
Hubert Chaudoir, der erste Held und Lieb¬
haber des neuen Leitmeritzer Theaterensembies.
bittel uns um Veröffentlichung des solgenden
Brieses, mit dem sich dieser sympathische Mensch
dem Leitmeritzer Puhlikum vorstellt.
Der Brief lautet: „Gestatten Sie, mein hochver¬
ehrtes liebes Publikum, daß ich als Fünfter im Bunde
das Wort ergreife und mich Ihnen vorstelle.
Wer ich bin, wissen Sie vielleicht schon! Wenn
nicht, so erlauben Sie mir, es Ihnen zu sagen: Ich
bin det künftige Held und Ligbhaber Ihres entzücken¬
den Stadttheaters.
Geboren bin ich, nebenbei gesagt, auch und zwar
in Wien. Wehr oder weniger verlief meine Jugend
wvie die anderer Leute auch. Gesagt sei nur, daß ich
neine Gymnasialstudien im Jesuitenkolleg in Kalks¬
burg bei Wien absolvierte. Als ich nach der Matura
neinem Vater den seit der Wiege gehegten Wuns
zum Theater zu gehen, äußerte, kaufte er m
Untwort darauf eine Schiffslarte nach Südt
und noch einen Tropenhelm. Mit dieser Au
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ohne ein Wort Spanisch zu können, und
Es
asche landete ich mit 19 Jahren in Ven
vürde zu weit führen, Ihnen meine Abenteuer in
Benezuela, Kolumbien, Curagao, Trinidad und
Zuerto Ricco zu schildern! Kurz: Nachdem ich mich
um großen Teil im tropischen Urwald, u. a. als
Straßenarbeiter, Kellner, Zigaretten= und heiße
Bürstelverkäufer, als Agent einer nordamerikanischen
Lokomotivfabrik und Sekretär eines englischen Kon¬
uls durchschlug, landete ich als Lehrer in der „Deut¬
chen Schule“ in Maracaibo. Eines Tages führten
wir zur Freude der dortigen deutschen Kolonie
Gegenwart des Präsidenten von Venezuela Go
das Theaterstück „Liebelei“ von Schnitzler auf, worin
ich mit Einsatz meines ganzen Ser appeals den 80¬
jährigen Vater spielte. Der Bombenerfolg stieg mit
dermaßen zu Kopf. daß ich von neuem den Entschluß
faßte. nach Europa zurückzukehren und zum Theater
zu gehen. Ich konnte doch nicht die Verantwortung
übernehmen, der Welt ein solches Gevie vorzuenthal¬

ten. Da ich schon in der Nähe von New York war
(es waren nur 14 Tage bis hin), entschloß ich mich,
den kleinen Umweg zu machen, um auch diese Stadt
kennen zu lernen. Schondnach wenigen Tagen dort,
machte ich die unliebsame Entdeckung, daß mein Geld
zur überfahrt nicht mehr reichte, und so mußte ich
wohl oder ubel wieder zu verdienen trachten. Erst
nachdem ich ein Jahr in New York Wolkenkratzer
verkauft hatte, schifft ich mich nach Europa ein.
In Salzburg fand ich einen Weg, Prof. Max
Reinhardt vorzusprechen; ich wurde in sein Semi¬
nar in Wien ausgenommen und studierte dort zwei
Jahre. Von dort weg erhielt ich mein erstes Engage¬
ment nach Reichenberg als erster jugendlicher Lieb¬
haber und Held. Danach führte mich mein Weg nach
Wien, wo ich diesen April an der „Scala“ engagiert
war. Im Sommer spielte ich den „lustigen Ge¬
sellen“ im „Jedermann“, also die Hauptrolle bei den
Festspielen in Salzburg.
Und jetzt, liebes Publikum, da ich in Ihrer rei¬
zenden Stadt bin, wo ich mich schon ganz zu Hause
fühle, habe ich nur noch eine große Bitte an Sie:
Kommen Sie bitte recht, recht oft ins Theater.
Hubert Chauhoir,
Herzlichst
440
e Aecikeieaen