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5. L.selei
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diesem Stück; der Leichtsinn äußert sich in liebenswürdigster, humor¬
vollster Weise, die Tragik hält sich von dem Dämonischen fern und ist
dafür mit leiser Sentimentalität gesättigt. Einfachheit, Stimmungs¬
poesie herrscht durchaus vor und für sie hat unser Publikum allgemach
doch ein bischen Verständniß gewonnen. So errang die „Liebelei“ mit
ihren Wiener Kindern hier ebenso gut einen starken Erfolg wie vordem
in Wien selbst.
Wie sein, mit wie sorglichem Nachempfinden dieses Schauspiel
im Deutschen Theater dargestellt wird, erkennt man ganz erst, wenn
man den soeben bei S. Fischer (Berlin) erschienenen Text des Dramas
liest. Die beiden Paare, die Schnitzler als Gegensatz bringt: das
lebenslustige, das an Liebelei für den Tag Genüge findet, das ernste,
das nicht zur Liebelei, sondern nur zur Liebe taugt und darüber
zugrunde geht, werden im Deutschen Theater von Gisela Schneider
und Josef Jarno, von Agnes Sorma und Rudolf Rittner meisterlich
charakterisirt. Schon dieser Künstler wegen wird sich dem Drama die
Gunst unseres launischen Publikums wohl dauernd zuwenden. Ein
werthvolles Werk hätte dann einmal ein verdientes Glück gefunden —
was wahrlich hier zu den bisher kaum erlebten Dingen gehören
würde. Vielleicht nimmt unser Publikum dann auch noch sein ab¬
fälliges Votum über eine frühere Novität des Deutschen Theaters
zurück, über Ernst Rosmer's Komödie =Te Deume! Auch
dieses Werk liegt jetzt in Buchform vor (S. Fischer's Verlag), und die
Klage, daß diese Komödie schon wieder vom Repertoire hat ver¬
schwinden müssen, möchte man jetzt dringender und dringender immer
wieder erheben. Wir sind so arm an Werken echten Humors, daß wir
eine solche reife und köstliche Gabe nicht ungenützt beiseite liegen lassen
dürfen
Mit Karnevalsscherzen versuchte es außer dem Residenz=Theater
auch das „Lessing=Theater“; aber sein Beginnen ist vorläufig
erfolglos geblieben. Ein kleiner, mehr denn burlesker Einakter
Ludwig Fulda's: „Fräulein Witwe“ konnte auf irgend¬
welche literarische Werthschätzung keinen Anspruch erheben und ein
Lustspiel „Der Thron seiner Väter“ von F. v. Zobeltitz
brachte es auch zu keinem Erfolg. Zobeltitz hatte wenigstens einen guten
Einfall, den man gern hinnahm; er persiflirte die kleinen Liliputfürsten,
deren wir — so unglaublich es klingt — in Deutschland immer noch
mehrere haben, indem er einen Lieutenant Christian XXVIII. auf die
Bühne stellte. Fulda's bester Einfall aber war ganz unannehmbar; er
läßt einen Studenten a. D. und Afrikareisenden z. D. afrikanisch
sprechen und eine veritable Schwarze sich vor einem jungen europäischen
Fräulein auf die Erde werfen. Wenn das ein guter Witz ist, so ist es
jedenfalls ein miserabler Bühneneffekt. Kurakara ... tada .
bibimilich! . .. Derartige unverständliche Worte von der Bühne herab
hören zu müssen und dann auch noch lachen zu sollen — das ist eine
starke Zumuthung in einer Zeit, da afrikanische Angelegenheiten zu¬
weilen auch deutsch behandelt werden!
Walter Pactow.
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