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Liebelei
5. J
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Die Berliner Th#atersaison 1895/96.
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und seelenkranken Kinde, die mütterl. he Gefährtin, die ihn hält
und tröstet. Auf ihrer harten Lagerstatt, an ihrem kargen Herd, im
sauren Dunst ihrer Lohnarbeit fand er jenen Reichthum der Liebe, jene
Fülle der Güte, deren Mangel ihn aus dem sichern Elternhause ver¬
trieben hat. Bei dem derben Kind des vierten Standes findet der
degenerirte Bourgeoissohn Alles, nur nicht das, was er verloren hat. In
diesem physischen und geistigen Armeleutgeruch bleibt die Sehnsucht
nach reiner Luft bestehn, und diese Sehnsucht macht seine Lage
doch unerträglich. Er sucht leise Fühlung zurück zum Elternhaus,
auf dem jetzt nicht mehr die harte Hand des Vaters lastet. Un¬
versehns steht er wieder vor Schwester und Mutter; nach der
Pein des ersten Wiederbegegnens öffnet die rechte, die leibliche
Mutter weit ihr Herz. Der verlorne Sohn, weinend wie ein
Kind, liegt wie ein Kind in ihrem Schoße. Nun erst sieht der
verblendete Knabe, wie sehr er Mutter und Schwester verkannt
hatte, als er auch ihnen fern und feind wurde. Sie hatten unter
dem Druck des Tyrannen so schwer gelitien wie er, aber sie waren
stärker als er. Die Pflicht hielt sie aufrecht. Die Pflicht aber,
ein rauhes Joch zu tragen, hatte das Mutterherz rauh gemacht.
Nun der Tyrann todt ist, schmilzt die Kruste; die Gefühle quillen
hervor. Nun wird der Knabe in der Heimath erst heimisch werden.
Da aber steht, ihr Recht der Liebe, ihr Recht der Rettung fordernd,
die andre Mutter vor ihm, die Mutter seines Kindes. Sie kommt
ihren Liebsten sich holen und muß sehn, daß sie den Liebsten ver¬
loren hat. Sie kommt im wilden Haß gegen die, denen sie ihn
abgewann; sie geht, ohne ihm das Geheimniß ihres Mutterschoßes
zu gestehn, entsagend. Bis hierher hat der junge Dichter sicher
seinen Faden gesponnen. Bei beiden Müttern, hüben wie drüben,
hat er uns nicht nur genau orientirt, sondern auch unsern innigen
Antheil für beide Lebenssphären gewonnen. Besonders das Leben
der Proletarierstube ist ein Meisterstück gegenständlicher Poesie, eine
kernhafte, saftige Frucht unsrer an tauben Nüssen so reichen
Hinterhausrealistik. Nun aber sind wir uns über die zwiespältige
Situation klar, nun steht der Mütterkonflikt auf der Spitze und
soll sich lösen. Vor dieser dramatischen Kraftaufgabe geräth die
Lyrikerbegabung des jungen Dichters in leise Verlegenheit. Viele,
auch wohlwollende Beurtheiler warfen ihm vor, daß er einer Scéne¬
a-faire zwischen den beiden Müttern ängstlich aus dem Wege geht.
Eine solche Szene könnte zu starker Bühnenwirkung führen und
das Theaterbedürfniß des Publikums mannigfach befriedigen. Aber
leicht a
hier d
als der schwankende
Problematische des 2
Führung des ganzen
des passiven Helden.
„Tedeum“ und „Liebe
„Liebelei“ ist
faßt, der hier ein schon
tiefer variirt. Wie b
Gegensatz zwischen Lieh
Mädchen die Beziehung
was für ihn nur Liebe