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Liebel
5. LE1 box 10/4

Mar Karfunkel's Nachrichten-Burean „Argus“
Ausstellung, grosse Rotunde. Eigenes Telephon.
n der Dichter seinem Stück zu geben wußte. Als sich nämlich das
¬
ferlin (N. 37, St rbrückerstr. 5. Telephon VII, 4096.
Pärchen, das sich noch eben ewige Liebe geschworen hat in flagranti
ertappt glaubt, knickt vor der brutalen Wirklichkeit die geheuchelte
Paris.
London. New-York.
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große Leidenschaft wie ein Streichhölzchen zusammen und der
mutige Ritter, der noch eben mit seiner Ehrenhaftigkeit geprahlt
(Liest alle Zeitengen der Welt und liefert aus denselben
hat, wünscht sich über alle Berge.
Ausschnitte über jeden Gegenstand.)
Die beiden Hauptrollen wurden von Frl. Rudolfi (Jeanne)
und Herrn Stephani (Louis von Nohant) sehr drastisch wieder¬
gegeben. Vermißt man bei letzterem auch die leichte franz
Eleganz des Auftretens, so traf er das Gigerlhafte des Cha
um so besser. Daß Frl. Dalldorf als fesche Schmuggler
mit ihrem Ehegespons, Herrn Krause, nicht zufrieden we
greife ich nur zu gut; mir ging es mit dem Herrn nämlich ge
o. Frl. Manke als Frau a Casteli trug die Erzählung von
prem tragikomischen Liebesaventeuer sehr ergötzlich vor. Das
Zublikum nahm den geistreichen Scherz recht wohlgelaunt auf.
Nach dem Franzosen älierer Schule der Deutsche mit dem
modernen Profil, nach der Pariser Satire das Wiener Sittenbild —
man darf wohl sagen, daß unsere Direktion diesmal bei der Zu¬
sammenstellung der Stücke einen feinen Geschmack zeigte. In
ulto Theater. Der gestrigen Vorstellung strahlte ein freund= Arthur Schnitzlers Liebelei kost undsküßt, lacht und weint
licher Sterg. Direktion, Publikum und Kritik haben alle Ursache
das leichtl
en der Gegenwart' Man hat die Dichtung
zufrieden zu sein. Die Direktion — nicht etwa des leeren Hauses
vielfach öhne Weiteres als eine gelungene Schilderung der décadenca
halber (wer könntebei diese Julihitze von einem vernünftigen
(gesellschaftlichen Zersetzung) bezeich
ch kann dem nur bei¬
Menschen verkängen, daß er, Katt im Freien, im Theater schwitze?),
stimmen, wenn man das so vie
verstandene Wort ohne
wohl aber, weil sie, wie ich heute schon zu prophezeien wage, endlich
das verächtliche Achselzucken selbstg
Besserseins ausspricht.
das langersehnte Kassenstück gefunden hat. Das Publikum, weil
Gewiß, die tragische Haupthandlung
chauspiels, der Unter¬
es wieder einmal auf unserer Bühn: Menschen sah, mit denen es
gang der armen Tochter des Violinistn durch die Liebelei mit dem
lachen und weinen konute. Die Kritek endlich, weil gestern auf der
reichen Studenten aus der haute-volés, ist eine herbe Anklage gegen
Leipziger Bühne auf einmal zwek Dichter zu Worte kamen, ein
unsere vielgerühmte gesellschaftliche Ordnung, die das Mädchen aus
Franzose und ein Deutscher, ein Vertreter des älteren Kunststils
dem Tolke, das nach Glück schreit, den leichtlebigen Söhnen der
und ein Moderner#der jüngsten Richtung.
oberen Zehntausend zur Befriedigung ihrer wechselnden Launen
Paillerons Gewitterschauer ist ein geistreiches proverbe,
vorwirft und so der Schande oder dem Tode preisgiebt. Allein
eine dramatische Kleinigkeit mit geschickt zugespitzter Handlung, die
was hat diese gesellschaftliche Misere mit dem Dichter zu thun?
die sogenannte Liebe der verheirateten Pariser Weltdame und ihres Man lese doch nach, was er dem alten Musikus für prächtige
heißblütigen Anbeters mit feiner Ironie verspottet. Die Schmuggler= Worte über Liebe und Glück in den Mund legt! Wie frei,
herberge, das zur rechten Zeit hereinbrechende Gewitter und die wahr und gesund ist das alles empfunden! Nein, das Stück
zerbrochene Deichsel, die das Liebespaar an der Flucht hindert, ist nicht nur ein düsteres Sittenbild unserer Tage, es werden darin
muten uns zwar etwas altväterisch an; aber hat man einmal diese
auch Zukunftstöne angeschlagen, die inmitten der engherzigen
abgebrauchten Bühnenrequisiten mit in Kauf genommen, so be= Philistermoral unserer Zeit etwas Befreiendes und Erlösendes
wundert (man um so mehr die feine psychologische Wendung, die haben. Und das eben ist die stets zu wenig beachtete gute Sei“