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Arthur Schnitzler. Ins Böhmische übertragen von
Jos. Fr. Javürek.)
Arthur Schnitzler, dessen neuestes Schauspiel „Lie¬
belei“ gestern hier zur ersten Aufführung gelangte, ist ein
Glückskind unter unseren modernen Bühnen=Autoren;
er darf getrost nach rechts oder links ein Hiebchen austheilen,
da er eine liebenswürdige Art hat, die Wahrheit zu sagen,
und ihr geschickt ein Mäntelchen umzahängen versteht. Er
besitzt ein bedeutendes formales Talent und er weiß, daß in
unserer Zeit dessen richtige Verwerthung Erfolge verspricht;
er ist auch ein literarisch wohlgeschulter Mann, der in den
Meisterwerken deutscher und außerdeutscher, insbesondere
französischer Literatur gut Bescheid weiß und durch ihr Stu¬
dium seinen Geschmack geläutert hat. Er tritt in die Bewe¬
gungen des Tages ein und sucht die Gegensätze unserer Zeit
in seinen Bühnenwerken zum Ausdruck zu bringen. Wohl¬
ausgerüstet begibt er sich so in den Dichterkampf und nicht
allzu schwer erringt er in ihm seine Siege; er ist einer der
erfolgreichsten Wiener Autoren und einer von denen, deren
neue Werke mit Spannung erwartet werden.
Anläßlich der Erstaufführung des deutschen Originals
„Liebelei“ im denischen!Landestheater am 20. Feber d. J.
hat unser Schauspiel=Reserent für dieses Theater im Feuil¬
leion der „Prager Zeitung“ vom 21. Feber d. J. Nr. 43
die Handlung des Stückes ausführlich wiedergegeben. Um
das Sujet des Stückes im Gedächtnisse unserer Leser aufzu¬
hier eine kurze Skizze desselben folgen.
frischen, lassen
Um was ei
andelt? Sehr viel handelt sich's über¬
haupt nicht. Fr
heimer und Theodor Kaiser sind aus
n die Vermögensverhältnisse handelt —
so weit es
benutzten auch Beide, indem sie sich in
gutem Hause.
dem schönen
gen Wien als Lebemänner qualificiren.
natürlich auch Liebenschaften. Die Mo¬
Dazu gehören
distin Mizi Sch#rist Theodors Geliebte, eines Menschen,
der, obwohl erst vor den Rigorosen stehend, Lebensanschau¬
ungen entwickelt, die einem alten gichtischen Roué allenfalls
Ehe machen würden. Lieben, aber ja nicht warm empfinden,
kalter Genußmensch, dem nur der Moment etwas gilt, der
aber beileibe nicht von einem tieferen Empfinden sich be¬
berrschen lassen würde, ein absolut unsympathischer Patron.
Fritz Lobheimer, sein Freund, ist ein Schwächling, der gleich¬
falls keine Sympathie einzuflößen vermag. Durch freundliche
Vermittlung der grisettenhaften Modistin Mizi Schlager ist
er mit Christine Weiring, Tochter des Violinspielers am
Josefstädter Theater, Hans Weiring, bekannt geworden.
Das Mädchen war bisher brav und faßt, einmal verführt
für Fritz eine innige ernste Zuneigung, der aber seinerseits
nebenbei noch ein Verhältniß mit einer verheiratheten Frau
das Zeug zu einem anständigen Menschen, wenn er nur
eben nicht ein solcher moralischer Schwächling wäre. Und
ein Angstmeier ist er auch noch; denn die Besorgniß, daß
der betrogene Gatte seiner Geliebten Nr. 1 etwas erfahren
könnte, ist keine Gewissensregung, sondern einfach Furcht vor
den rächenden Consequenzen. Seine Furcht ist begründet.
Der Betrogene fordert ihn und schießt ihn nieder. Christine
läuft, als sie es erfährt, davon, nachdem sie noch kurz vorher
ihrem Vater ihren Fehltritt gebeichtet bat, der aber gar
nichts Besonderes darin finden kann, daß seine Tochter sich
einen Liebhaber angeschafft hat, von dem sie weiß, daß er sie
nie heirathen wird. Warum denn auch? Soll sich das
Mädel amüsiren; man ist nur einmal jung. Die echte
„Weaner Verkaufts mei G’wand“=Moral: Christine läuft
also davon und ihr Vater äußert die Ueberzeugung, „Sie
kommt nicht wieder, sie kommt nicht wieder!“ Anstatt ihr
nachzueilen, sinkt er aber vor dem Fenster laut schluchzend
zu Boden und läßt dem Verbängniß seinen Lauf. Die
hondelnden Personen sind Typen à la fin de siècle. Die
Charakterzeichnungen sind entschieden gut, das Ganze ist
wirklich ein Sück Leben.
Das Schauspiel „Liebelei“, dessen treffliche Ueber¬
tragung ins Böhmische, wie bereits Eingangs erwähnt, von
Jos. Fr. Javürek herrührt, fand gestern seitens des vollen
Hauses eine sehr freundliche Aufnahme. Die Darsteller waren
den hohen Anforderungen, welche dieses vortreffliche und
außerordentlich spannende Stück an dieselben stellt, vollkom¬
men gewachsen und ernteten reichlichen Beifall. Den aus¬
führlichen Bericht über die Aufführung bringen wir im heu¬
tigen „Prager Abendblatt“.
Jtadre Jauune 7% 70 (he L2g.
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* 2 Narodniho divadla. Vöerejsi novinka
pfiväbila valné mnozstvi premiérového obecenstva.
Bylt provozován opét plod Moderny, jei cim dale
tim vice ziskává si püdy, budajic na troskäch
stärych tradic novy paläc umén, a predvädéjie
misto smyslenky pravdu, misto idedlu ekuteöny
zivot. V einohre, Arthura Schnitslera „Milko¬
väni“, prelokené velice správné od Jos. Fr. Je¬
vürka, vystupuji tyto vyznaëné ryey nviääté püso¬
bivon mérou. Hlavni tézisko oendu hry spodivá na
hereich, jimz nutno zrici se dablonovitého pathoen
ahräti zcela prirozené, aby osoby, jes predstavujf,
byly jako v Zivoté z masa a kosti a ne jako zjevy
ohledu tom tußi se nasi uméler,
z jinych sfer.
se6 eily jich stadi. Zvlasté mladéi pochopuji evü)
nesnadny ukol uspokojivé. Dekáselyf toho vöera
predeväim pi. Kvapilová v ülose Krietiny a el.
Velsová v uloze modistky Mici; k nim druzili
se öestné pan Sedlücek i pon Vojan. Celková
souhra prece vöak nebyla takovä, jak bychom si
ji präl; na nékterych mistech nutno bräti
zivejsim tempem, k demus ovsem treba nméti
dobre ulohy napamét. Déj „Milkovani“ gest vellce
jednoduchy. Dva mladi svihäci, studenti Bedrich
Lobheimer (p. Vojan) a Theodor Kaiser (p. Sed¬
läéek) stykaji se düvérné s divkami Kristinon (pf.
Kvapilova) a Mici (sl. Velsova). Kdesto Miei po¬
vazuje vse jen za pouhon zübarn, zamiluje se
Kristina läskou väsnivon do Bedricha, netusic, Ze
milenec jeji mä pomèr s ienon vdanon. Klamany
manzel dovi se vöak vöe a uemrti Bedrichav
souboji. Kristina v zoufalstvi oponäti domov, aby e
miläckem rozloudila se na jeho hrobé. Osud gejs
ponechán diváku k rozlusténi. Obecenstvo prijalo
novinku vrele, s patrnou zälibon. Druhé predeta¬
veni bude zajisté jesté zdarilejéf pryniho.
#vane AeDtan 10 %0
„* Vom böhmischen Landestheater. Der
morgige Abend bringt uns wieder eine Novität: Ar¬
thur Schnitzler's dreiactiges Schauspiel „Lie¬
belei“ (Milkováni). Das Stück ist eine Talentprobe.
die nichts gemein hat mit den unzäbligen Jamben¬
tragödien, in denen „die verlassene Ariadne“ und ver¬
wandte Motive mit eingelegten Arien entstellt werden.
Jeder dramtische Stoff, den sich ein Bühnendichter zur
Behandlung zurechtlegt, biegt in sich eine geheime
Logik, die einer Vergewaltigung widerstrebt. Der
Grundton bei den Voraussetzungen und den ersten
Elementen der Handlung muß auch das ganze Büh¬
nenwerk heberrschen. Wo dies nicht der Fall, offenbart
sich ein Zwiespalt, der die Dichtung gar oft um die
beabsichtigte Wirkung bringt. Das hat Schnitzler in
seinem neuesten Stück „Liebelei“ keineswegs er¬
fohren. Der Dichter wollte ins Schwarze treffen und
verfehlte nicht sein Ziel. Er wollte ein Sittenbild
liefern, ein bestimmtes Milieu schildern; er hatte die
Kraft dazu und blieb nicht auf halbem Wege steben.
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Schnitzler hielt die angespannten Fäden fest, er bog
das Sittenbild nicht zu einer psychologischen Char¬
akterstudie um, deren Reize, Feinheiten und suggestive
Wirkungen im breiten Rahmen der Bühne verblassen,
zerflattern, ohne zwingende Beweiskraft bleiben. An
Schnitzler's Begabung konnte schon n) dem Erschei¬
nen seiner Novelle „Sterben“ nicht gezweifelt werden.
Der merkwürdige Vorwurf der Geschichte hat eine auf¬
fallende Aehnlichkeit mit einem Motiv von J. H.
Rosny; ob nun Schnitzker bei der Verfassung seiner
durchwegs originellen Erzählung von Rosny's Motiv
Keuntniß gehabt hat oder nicht, jedenfalls verräth sich
in seiner Schreibweise der Einfluß der modernen
Franzosen.