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EakoczeT box 11/1
Dr. Max Goldseh
Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: IIl, 3051.
Berlin N. 24.

Ausschnitt aus
Germanie Berün
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und Griseitenwirtschaft? „A biel leicht“ mögen die Wiener fassung der „Liebelei“ gebalten
schon sein. Aber diese Schlamperei gilt in allen Großstädten zur Besinnung, indem er
Aus Kunft und Wissenschaft.
als das, was sie ist: als verschleierte Prostitution. Wem das den Senenverfal in Rom
Schnitzler aber s## kaum ein
Berlin, 30. Oktober.
„sympathisch“ ist, dem kann man nicht gut helfen. Ueberdies
Lebensbildes, es sei denn die
Schillertheater N. Arthur Schnitzler=Abend.
ist das, was Schnitzler in der „Liebelei“ bietet, ein gerabezu
Ich komme zur Darstellung
kümmerlicher Abklatsch aus Murgers „Zigeunerleben“.
„Es war einmal ein Bonvivant“, der hieß Arthur Schnitzler.
die das Schillertbeater beete
Diese Zigeuner, wahre enfants perdus, können doch
Nebenbei war er Medicyniker. Folglich hervorragend befäbigt,
Weiring — eine Figur aus
wenigstens noch etwas, sie haben Temperament und Lebens¬
die wahre Liebe im Strahlenkranze der Dichtkunft zu ver¬
herrlichen.
Die beiden Stücke, welche am Doanerstag im Schiller= farbe. Aber diese „jungen Leute“ in der Liebelei“, die nichts,schütternden Herzenstönen, we
rein nichts tun, als ihre Zeit mit Poussagen zu vertrödeln, dieses Charakters hinwegtäusch
Epiiol
sind reine Jammerlappen, neurasthenische Schwächlinge, [Werne in
theater N. über die Bretter gingen, waren nur für die Be¬
jugendliche Lebegreise, Sumpiblumen der gesellschaftlichen! die einzige wahre Gestalt as
sucher des Schillertheaters neu. Das Schauspiel „Liebelei“
als Christine konnte nur
Korruption, die uns keine Teilnahme einflößen.
erlehte schon 1895 in Wien die Uraufführung, das Lustspiel
„Literatur“ stammt aus dem Cyklus „Lebendige Stunden“
In der „Liebelei“ sehen wir zwei „junge Leute“ mit zwei übertrieb sie schließlich. Elis
und ist in Berlin bereits bekannt. Da sie aber an dieser
neuen „Verhältnissen“. Wer wissen will, das wievielte es ist,ichtsinnige Modistin sehr
nicht minder das studierend
Stelle noch nicht besprochen waren, so kann das hiermit nach¬
mag Marie Madeleine fragen, die es auf ca. 120 gebracht par fein abgestimmt. Or#
geholt werden: es ist ein Aufwaschen.
hat, wenn man ihrem Geständnis an Pieccot glauben darf.
Arbeit!
Die Motive der beiden Stücke sind, wie diejenigen der ersten
Die Blüelte „Literatur“ g
Den ganzen ersten Akt füllt ein Doppelrendezvous in der
Entwicklungsperiode Schnitzlers überhaupt, dem Wiener
Wohnung Fritz Lobheimers aus, jäh unterbrochen durch das
Vergebens bemühe ich mich,
Phäakenleben entnommen; d. h.: wie Schnitzler dieses Leben
Auftreten eines von Fritz betrogenen Ehemannes, der den Ehe¬
sehe nur Schnitzlersche Puppen
auffaßt und zeichnet, ist es eigentlich eine Beleidiguug für die
brecher zum Duell fordert. Der zweite Akt führt uns in die
verständlich beruht auch die
Phäaken. Es ist eben jene Seite des Lebens, welche den
meidlichen „Verhältnis“, das
Dekadenten allein der tünstlerischen Beachtung wert schien: Dachstube des Violinspielers Hans Weiring, des Vaters der
die Handlung hinüberreicht.
uf die ver= in den samosen Fritz wahnsinnig verschossenen Christine. Wenn
in Anwendung
sexuelle Problem
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beschränkter Typus eines Spo
schiedensten Lebensverhältnisse. Nach Schnitzlers Be= das ein Typus des Wieners ist, dann danke ich für Süd¬
wertung muß die Liebe eine Art Paranoia oder früchte. Er feuert seine brave Tochter an, das Leben zu ge¬
Der Luterat Gilbert taucht a
Delirium tremens sein, denn die von ihr befollenen Personen nießen, so lange sie jung ist. Wenn auch etwas Unrechtes will Margarele heiraten,
dabei vorkommen sollte — nun ja — dann ist's halt eine
Margarethe und Gilbert ein
tragen die Merkmale unverkennbarer Verrücktheit in den ver¬
angenehme Jugenderinnerung. Diesen Pädagogen und Volks¬
schichte ihrer Liebe geschriebe
schiedensten Phasen. Will man ihnen „mildernde Umstände“
philosophen kann sich Schnitzler patentieren lassen. Fritz kommt
zubilligen, so ist allenfalls auf „moral insanity“, mindestens
in einer Seelenstimmung, die man nur als „klatrig“ be=ist ein Edelmann. Er kauft bil
Braut zum Einstampfen a
auf schlechte Erziehung zu plädieren. Mir ist un¬
Margarethe in den lodernd
saßbar, wie in den zwanglosen Heften des Schiller= zeichnen kann, um Abschied von Christine zu nehmen, und
Ruhm, Clemens seine Brat
Theaters gesagt werden kann, in der „Liebelei“, zeige entveckt sein Herz. Die lodernde Leidenschaft der underührten
Gußmann Bernhard Herr#
sich Schnitzler „als ein trefflicher Beobachter des Wiener Jungfrau bat es ihm angetan und nun — steht er vor dem
Lebens, insbesondere des Wiener Volkslebens (1), als dessen Duell. Eine Szene von gewagtester Sinnlichkeit folgt. boten Kabineistücke der Da
sympathischeste Erscheinung uns hier bereits der Typus des Fritzens Spezi Theoder Kaiser unterbricht sie und schleppt
glieben, süßen Wiener Mädels“ entgegentritt, dem wir in Fritz mit fort — zur Vorbentung auf den Zweikampf. als ruppiger moderner Dek¬
Schnitzlers dramatischen und novellistischen Arbeiten so oft Der Einbrecher fällt im Duell, sein zweites Opfer Darzellung immer mehr die
begegnen und den er in so liebenswürdiger Weise zu Christine begeht Selbstmord: Wiener Volkeleben? Spaalse
Oder will Schnitzler etwa predigen? Das wäre die richtige
zeichnen versteht.“
Pardon! Das soll Wiener Volksleben sein? Dieser! Art! Ovidius Naso als Lehrer der reinen Liebe! Der
Ausschnitt aus einer verbummelten und versumpften Studenten= Epikurder Horaz ist ein Quäker, gegen die lascive Lebensauf¬