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Liebelei
5. M Si 1
box 11/1
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSEPYE
1 9
3
Nr. 90
I. österr. behördl. conc. Burcau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“-
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus: Deutsches Volksblatt, Wien
von 7 70
Amateur=Theatervorstellung. Der Besuch von Schau¬
sviel=Eleven= und Amateur=Theatervorstellungen gilt dem
Berufskritiker gemeinhin als der schrecklichste der Schrecken.
Er muß von einer derartigen Veranstaltung in die andre
laufen, um zuletzt zu dem betrübenden Resultat zu gelangen,
daß fast überall gewissenlose Lehrer, die von der lieben
Eitelkeit kurzsichtiger Eltern leben, im Begriff sind, talent¬
lose oder mittelmäßig talentierte Schüler soweit „heran¬
zubilden“, daß die jungen Leute zu keinem andern Beruf
mehr fähig sind, und da sie nicht mehr zurück können, die
Schar der durch den Theaterteufel vernichteten Existenzen
vermehren helfen, die im besten Fall an kleinen Provinz¬
bühnen eine Gage beziehen, die zum Verhungern zu groß
und zum Leben zu klein ist. Umso überraschender und umso
Für
50 angenehmer berührt ist der berufsmäßige Besucher der¬
usive
100
## artiger Vorstellungen, wenn er einmal anstatt der üb¬ ro.
dbar

50 lichen Talentlosigkeit und Mittelmäßigkeit wahre, echt
oraus.
1000 Begabung und diese gleich in mehrfacher Auflage antrifst.

In Das war in der am 9. d. M. im Theatersaal des eng- ist das
Abonnenlisch=französischen Konversationsklubs veranstalteten Vor- es den
stellung de Fall, in der wir zwei junge Damen und
Abonnen
einen Her## entdeckten, die sicher sein dürfen, daß sie bei
fleißigem Weiterspielen einer glänzenden Karriere ent¬
end die
gegengehen werden. Man gab Schnitzlers „Liebelei“.
Inhaltsa
Der Saal war dicht gefüllt, zumeist wohl von guten Be¬ Tgen¬
#
blätte
kannten der Darsteller, aber auch von einem starken Bruch= itung)
wodurch
teil von Leuten vom Fach, Schauspielern, Theateragenten #ftliche
se Mit¬
Leben d
und Schriftstellern. In dem Kreise der letzteren herrschte
theilung
vor Beginn der Vorstellung und während der ersten
Szenen eine Stimmung, die etwa jener gleicht, in der
der geübte Schwimmer den Versuchen ängstlicher Anfänger
zusieht. Da wurde gewitzelt, ironisiert, gelächelt, getuschelt
und gekichert, aber je mehr die Handlung sich ihrem Höhe¬
punkt näherte, umsomehr wich die Ulkstimmung der ernsten
Aufmerksamkeit und rückhaltslosen Anerkennung. Und
diesen Umschwung hatten die Trägerinnen der beiden weib¬
lichen Hauptrollen und der Darsteller des alten „Weiring“
bewirkt. Zuerst brach sich das Gefühl wärmster Anerkennung
und Wertschätzung, die Ueberzeugung, daß mand es da mit
einem großen, echten Talent. zu tun habe, zu gunsten der Dar¬
stellerin der „Mizzi Schlager“, die ja#freilich im ersten
Akt auch die be weitem leichtere Aufgabe hat, Bahn. Die
Trägerin dieser Partie, Fräulein Hilda Jenik, nahm schon
bei ihrem Erscheinen durch ihre brillante, vornehme Er¬
scheinung, ein pikantes Köpfchen mit zwei'schelmisch blitzenden
Augen auf einem wohlgeformten Körper, ein. Schon die
ersten Worte, die sie zu sprechen hatte, bewiesen aber, daß
sie in natürlicher Weise zu plaudern, daß sie sich degagiert
zu bewegen und auf den weltbedeutenden Brettern mit
einer Sicherheit zu bewegen versteht, die sonst erst nach
jahrelanger Bühnenwirksamkeit erworben wird. Auch ihr
Temperament ist echt und von mitreißender Impulsivität,
sie hat es aber bereits jetzt so in der Gewalt, daß si
nicht ein einzigesmal in irgend eine Uebertreibung verfiel
oder den Eindruck der Absichtlichkeit hervorrief. Wir machen
unsre Bühnenleiter auf dieses junge sympathische Talent
schon jetzt aufmerksam. Es wäre schade, wenn Fräulein
Jenik uns von einer reichsdeutschen Bühne weggeschnappt
würde. Ebenso groß ist die Begabung der Darstellerin der
„Christine“, des Fräuleins Rolla v. Hasaty. Daß über¬
haupt eine so blutjunge Dame wie diese Kunstnoyize uns
die ganze „Christine“, namentlich jene des ersten Akts,
in dem uns Frau Sorma unvergeßlich ist, die schon bei
ihrem Erscheinen mit dem ersten neugierig scheuen Blick,
den sie um sich wirft, die Schlacht gewonnen hat, zu
geben im stande ist, halten wir für ausgeschlossen; für
ebenso ausgeschlossen halten wir es aber auch, daß irgend
eine gleichalterige Kollegin der Debütantin nach so kurzer
Vorbereitung den zweiten und dritten Akt und namentlich
den letzten mit so tiefer Wirkung zu geben vermag wie
Fräulein v. Hasaty. Sie spielt mit tiefer, den Zuhörer
sofort in ihren Bann ziehender Leidenschaft und warmer,
on.
et.u. Tutbrenhien
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