Faksimile

Text

Liebelei
box 11/2
B. B 4
Telephon 12801.
Aimne kr Brere Smnng
*
2
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
a Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quelienangabe ohne Gewahr.)
7 Ausschnitt aus: 20801907
55
Relichs Auzeiner, Bernn
E vom:
S
Theater und Musik.
Kammerspiele des Deutschen Theaters.
1a Schauspiel „Liebelei“ hat — immerhin
Arthur
eine Seltenheit def Ven=Bühnenerzeugnissen der Neuzeit — ein Jahr¬
zehnt überdauert und kehrt im Spielplan dieser und jener Bühne
öfter wieder. Gestern bewährte es auf der Bühne des Kammerspiel¬
hauses, neben der Stätte, wo es in Berlin im Jahre 1896 zum ersten
Male das Rampenlicht erblickte, aufs neue seine Wirksamkeit. Für
Werke solcher Art, bei denen die Handlung wenig, das Psychologische
und die Stimmung alles bedeuten, ist das Kammerspielhaus, wo auch
leise seelische Regungen und Schwingungen wahrnehmbar bleiben, der
rechte Ort. Aber es ist auch ein gefährlicher Boden für den Darsteller,
denn jeter Mißton, jedes Vordrängen des einzelnen im Zusammen¬
spiel macht sich ebenso deutlich fühlbar. Das war nun gestern nicht
der Fall, eher könnte man im Gegenteil behaupten, daß in dem
Quartett der beiden jungen Leute und der beiden Mädchen die führende
11
#1
1
Stimme, die unbedingt der Chrisuine zukommt, den anderen gegenüber
anfangs gar zu gedämpft erklang. Das lag nicht etwa an der Vor¬
dringlichkeit der Mitspielenden, sondern an der Zurückhaltung, die
Fräulein Höflich, offenbar um der Wirkung der Schlußsteigerung
sicher zu sein, sich in den ersten Szenen auferlegte. Aber um des
tragischen Schlusses willen, den sie mit so echter, warmer Empfindung
und einer selbstvergessenen Hingabe spielte, die wahrhaft erschütterte, ver¬
zieh man ihr später gern den Fehler. Der durchdringende Verzweiflungs¬
schrei, den sie ausstieß, als Christine erfährt, daß der Geliebte um einer
anderen Frau willen im Duell gefallen, dürfte den Hörern noch lange
in Erinnerung bleiben. Die Inhaber der anderen Rollen zeichneten
sich durch ein tadelloses Zusammenspiel aus, insbesondere Fräulein
Berger als Christinens leichtlebige Freundin Mizi, die Herren Dumont
und Ekert als die beiden jungen Leute und Herr Pagay in der Rolle
des gemütvollen alten Vaters der Christine.
Telephon 12801.
M

O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.

Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quelienangabe chse Gewahr.)

6 Ausschnitt aus:
23
20 3C.1907
E vom:
eeehen denone Zoltung.
Berlin.
Theater und Musik.
B. Das dreiaktige Schauspiel von Arthur Schnitzler:
Ziebelei, diese tragische Geschichte von dem nur allzu ver¬
kiebten „kleinen Mädchen“, die mit ihrer Mischung von
Sentimentalität und Leichtsinn, von Frivolität und Skepsis,
von schnell verrauschender Erotik und verhängnisvoller Leiden¬
schaftlichkeit schon vor etlichen Jahren in Berlin ansehnliche
Erfolge erzielt und reiches Gefallen gefunden hat,
ist am Donnerstag zum ersten Male in den Kammer¬
spielen des Deutschen Theaters gegeben worden.
Auch diese Aufführung übte einen starken Eindruck,
obwohl es ihr weit weniger als früheren gelang, das eigentlich
Wienerische des Dramas herauszubringen. Man machte sich
Inur die Mühe, im wienerisch accentuierten Hochdeutsch zu
sprechen, verzichtete aber sonst=darauf, die Töne einer gewissen
tändelnden Oberflächlichkeit und spielerischen Grazie zu
suchen, die dem Schnitzlerschen Werke eigen sind.
Ein wenig Blasiertheit, ein paar Tränen, Feschheit
ohne Forcierung, etwas volksstückmäßige Rührseligkeit:
diese Züge wurden alle zu dick und zu voll genommen.
Frl. Lucie Höflich als die unglückliche Christine Weiring
ließ das Fatum, unter dem sie wandelt, gleich von Anfang
an ahnen und nichts davon merken, daß auch sie mit einer
artigen Dosis Leichtfertigkeit versehen sein muß. Warum
sonst der innige Verkehr mit der Mizi Schlager, die bereits
auf den Pfaden der berechnenden Kokotte balanciert? Doch
wie Frl. Höflich ihre blonde Christine gestaltete, das be¬
kundete, an sich genommen, eine höchst bemerkenswerte Kunst.
Sie war ganz schmachtende Sehnsucht und sich ver¬
zehrende Hingebung und fand für das schreckliche Er¬
kennen und den grausamen Schmerz einen wahrhaft herz¬
erschütternben Ausdruck, so daß der dritte Akt ihr allein ge¬
hörte. Das „kleine Mädchen“ hatte sich zur wuchtigen Tragödin
ausgewachsen; alle Affekte der Verlassenen und Verzweifelnden
gellten mit wundervoller Ueberzeugung hervor; es war eine
unmittelbar packende seelische Explosion. Minder glücklich
wirkte Herr Dumont als Fritz Lobheimer, der, um den die
Christine bangt und verzweifelt. Er war gar zu dunkel und
gewichtig, gar zu sehr in den Dämmer einer apriorischen
Traaik gehüllt, statt ein wenig von dem Schimmer der genu߬
frohen Jugend zu zeigen. Besser sein Partner, Herr Ekert,
dem der flotte Lebemann wohl anstand, und der auch hübsch
mit dem Wiener Idiom fertig wurde (worauf der Vorgenannte
ganz verzichtete). Nur der Walzer! Man hopst nicht so an
der schönen blauen Donau, verehrter Herr Ekert! Fräulein
Grete Berger machte die Mizi sehr lustig und laut,
wenn auch vielleicht etwas stark unterstrichen und
nicht selbstverständlich genug. Für den alten Geiger
Weiring war Herr Pagay der rechte Mann, schlicht
und sonnig, gütig und nachsichtig und nach der
national wienerischen Seite hin ganz echt. Endlich lieferten
Herr Steinrück als der betrogene Ehegatte und Frau
Pagay als redeselige Strumpfwirkersfrau anständige Episoden.
In dekorativer und stimmungmalender Hinsicht erwies die
Regie ihre oft bewährte Geschicklichkeit. Das Marschpfeifen,
das sich auf der Gasse mählich verliert, das Sonnenlicht, das
in den Erker des Stübchens der Christine mailich herein¬
flutet, — bravo!