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Theater und Musik.
[„Liebelei.“ — „Abschiedssouper.“] Ein
Schnislerabend, der den Eindruck solider, ernster
aufwies, aber ein Abend, an dem die
Darstaller mit einer gewissen Feierlichkeit die Höhe!
ihrer Aufgaben überschauten und nicht ganz mut¬
beseelt an die Bewältigung derselben schritten. Da¬
ran war wohl das Milieu schuld. Schnitzlers La¬
chen und Weinen ist durchaus auf den Wiener
Volkston gestämmt und wers anders bringt, wirkt
auf den Hörer befremdend. Wie der Schauplatz
der Handlung durch die Kunst der Regie in sinniges
Halbdunkel getaucht oder durch die Einfachheit der
Einrichtung der Stimmung entgegenkommt, so
muß es aus dem Spiel der Darsteller heraustönen,
das anheimelnd Süße, das herzlich Fröhliche und die
tiefe Schwermut, und in eins zusammenfließen mit
der Ortlichkeit und den Worten und Gedanken des
Dichters, der seine Erlebnisse auf dem Wiener Bo¬
den erschaut. Das war am Samstag Abend nicht
immer der Fall. Man hörte und sah sehr brav
agieren, aber es fehlte im Anfang die Resonang
des Herzens. Mächtig gestaltete sich erst die Wir¬
kung, als im 3. Akt die Tragik der Handlung die
Gemiter erschütterte. Frl. Jansber spielte die
Christine. Mit ihrer Neigung zum Sentimentalen
legte sie die Rolle etwas zu schiverhlülig an, und
da ihr die Klangwirkungen des Dialektes nicht zu
Gebote stehen, kam vorerst das stille Glück einer
hingebungsvollen Neigung nicht deutlich genug zum
Durchbruch. Dagegen war die sanfte Sprödigkeit
Chviseinens mit der entsprechenden Innigkeit des
Gefühles gepaari. Als aber im letzten Akt die
Tragik des Schmerzes allein zum Worte kam, da
bot Frl. Janover eine Leistung, die bewunderns¬
wert genannt werden muß. Es kam so recht in
leidenschaftlichem Schmerze von ihren Lippen und
die bitteren Qualen der furchtbaren Enttäuschung
drängten sich so gewaltig aus dem Innern hervor,
daß der Eindruck auf die Zuhörer ein übermältigen¬
der war und sich in rauschendem Baifall löste. Der
Weiring des Herrn Kaspar war schlicht und ein¬
sach, aber seine Rede zeigte nicht genng Vebration
des Tons und des Gemüts. Herr Rubel hatte
in der Rolle des Fritz mt dem Niederhalten seines
(kräftigen, für mächtigere Impulse und die Dar¬
stellung eines stärkeren Charakters geeigneten Ta¬
lentes zu kämpfen. Er war ergreifend in seinem
Schmerze und voll Tiefe des Gemütes in den
Ausdrücken der Liebe, aber es stak zu viel Persön¬
lichkeit und großzügiges Wefen in diesem Jüng¬
ling. Herr Anthony gab den Theodor mit rich
tigem gutmütig-heiteren Ausdruck, aber auch seiner
Darstellung gebrach es an der lokalen Färbung. Frl.
Brion (Mizi Schlager) mit ihrer naiven Fröh.
lichkeit und der drolligen Natürlichkeit ihres Hu¬
mors, sowie Frau Dudes als redselige Frau Bin¬
der waren vollständig auf ihrem Platze. Das Stück,
das bei uns bereits kurz nach seinem Erschminen
vor 13 Jahren und seither wiederholt aufgeführt
wurde, begagnete auch diesmal der starken Interesse
des zahlreich erschienenen Publikums, das, wie ge¬
sagt, namentlich im britten Akte von dem treff¬
lichen Spiel des Frl. Janover män#tig im Banne
gehalen wurde. — In „Abschiedsseuper“, wurde
der ibergang von der Schwermut zir Lustigkait
lückl vollzogen. Frl. Forst 48 Annie
ar chie, nur ekwas zu oherflächlich in der Dar¬
stellung, Herr Rubel als Anatol und besonders
Herr Müller als Max waren zufriedenstellend,
Herr Steinen als Kellner stumm, aber trotzdem
X.
komisch.

5. Liebelei box 11/4
enreneenenten
1

Telephon 12801.
S MnTE EBn
9 l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
4
Vertretungen
G in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New -Vork,
Paris. Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe chus Gevam.
Ausschnitt aus:
Slavonische Presse, Eesek Ungarn
E vom:
13 1 1909
Die Wiederaufführung von
(„Liebelei“, die vergangenen Sonntag b#r
schwachbesuchtem Hause stattfand, brachte ans
einen neuerlichen Beweis von den hohen künstle¬
rischen Fühigkeiten unseres Drumenpersonals, das #
ohne nach äußeren Effekten zu haschen, seine Auf=|0
gabe in künstlerischer Beziehung wirklich ernstg
auffaßt und uns ganz unbegrefflich erscheinen!
läßt, daß ein großer Teil des Publikums nochsa
immer an den nichtigen Mätzchen und Banalitä=1g
ten so mancher Stücke mehr Gefallen findet, als
an den Aufführungen ernster dramatischer Werke, 5.
die uns neta bone in so gediegener und vollen¬
deter Weise vorgeführt werden. In dem genannten
Stücke waren es diesraa. ganz besonders Frau
Taborska („Christine", und Hirr Milo¬
vanovic (Weiring), die uns durch ihr vorneh- E¬
mes, feines Spiel einen wirklich erhebenden Kunst=|#
genuß boten. Volles Lob verdienen auch die Her¬
ren Taborsky („Fritz Lobheimer“) und
Pavic („Theodor Kaiser“), ersterer auch als!
Regisseur und Fräulein Stokic („Mizzi Schla¬
ger“), während sich Frau Rucovic („Frau;
Binder“) wie gewöhnlich bewährte.