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Zyklus
4.9. Anatol-
Der Großes
sen wie der Jüngste und der Vornehmste wie ein
Diener." An den 18. Oktober 1861 erinnerte er die Gemeinde, die
das weite Gotteshaus vollauf füllte, und an die alte Hohenzollern¬
losung: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen.“ Daß den
Hohenzollern allezeit Herrschen zum Dienen geworden, scheine doch
ein Ausfluß des Segens zu sein, mit dem unser Königshaus von Gott
gekrönt werde. So sei auch unserer Kaiserin ihre hohe Mission
nur zu dem einen geworden: helfen und dienen. Denn der rechte
Weg zur wahren Größe heiße dienen. Emporschauen dürften wir zu
unserer Landesmutter, die auf allen Gebieten sich voll Eifer betätige
bei der Abhilfe der Kirchennot, bei der Sammlung der Frauen zu
werktätiger Nächstenliebe in der Frauenhilfe, bei der Fürsorge für die
Heimarbeiterinnen. Wie erst ganz kürzlich bei ihrem Besuch im Kran¬
kenhause der Barmherzigkeit, so biete sie immer das Bild einer Königin,
der es Herzensbedürfnis sei, im Dienen und Helfen voranzugehen.
maßgebenden Kritikern privatim aufführen läßt. Inhalt. Zw.
erfahren muß, daß er seinerseits nichts als eine spurlos
fromme, hochgradig moralische Elternpaare haben einen Sohn und
vorübergegangene Episode war. „Abschiedssouper als die be¬
seine Tochter, die sich heiraten sollen. Doch beide entgleisen, Bobby
kannteste und wirksamste der fünf Komödien bedarf keiner näheren
muß 14 Tage sitzen und Grete gar einen Monat — sie schlug als
Erwähnung, und „Hochzeitsmorgen" bringt wieder eine köstlich¬
Stimmädel einem Polizisten zwei Zähne aus! Heiraten tut sie
Squation. Anatol hat die letzte Nacht der Freiheit und vielleich
ein — Herzog, der zu seiner moralischen Läuterung Kammerdiener
der Liebe zu einem solennen Abschiedsfest ausgenützt und kann nun
eine Stunde vor der Trauung, seine — Festgenossin nicht loswerden, auf Zeit wurde, und ein französischer Marineleutnant (er hat auch
gesessen) „lobt England mit dem Pathos der Distanz. Man taumelt
Ach, er wird sie nie loswerden, die Festgenossinnen! Und wie seine
von einer Bosheit in die andere, bis nach Fannys Stück die Kritiker
Ehe auch ausfallen mag, sicher wird sich daran sein eigenes Wort
vor dem Vorhang ihre ästhetische Weisheit im Raketenbrillantfeuer¬
erfüllen: „Man heiratet immer eine andere
Man amüsierte sich göttlich in dem ausverkauften Haus, zumal werk abbrennen! Shaw schont sich nicht, damit wir ihn verschonen.
die Regie du Bois-Reymonds fest auf ihrem Posten stand und Das redselige Stück ist dramatisch haltlos, sonst äußerst unterhaltlich,
vor allem im Dialog des Dieners funkelnd von Geist. Im Spiel
mit der winterlichen Straße (mit „wirklichen Auslagen!) noch eine
taten sich Alfr. Abel, Traute Carlsen (eine süße Kokette!),
Extrasehenswürdigkeit bot. Der Anatol ist eine sehr gedehnte und
Frl. Brandt, über sie hinaus Maria Mayer und Ilka Grüning
schwierige Rolle, die aber, wie eigentlich jede Aufgabe dieser
flott hervor. Nicht immer siegte der Witz über die Farce. Doch
Proverbs, auch recht dankbar ist. Herr Aldor führt
die Besucher ließen Shaw seine barocke Selbstbeweihraucherei nicht
sie mit sehr vielem Geschmack durch und legte einen starken
Th. K.
vergelten, weil ihm so muntere Ausfälle einfallen.
Akzent auf den „leichtsinnigen Melancholiker, wobei er denn mit¬
unter in Ton, Geste und Mimik auch etwas einförmig wirkte. Der
Im Befinden des Dichters Wilhelm Jensen, dessen schwere Er¬
Dichter hat die Gestalt mit so vielen Lichtern bedacht, daß es nicht
schwer halten kann, damit noch einige interessante Strahlen krankung kürzlich gemeldet wurde, ist erfreulicherweise eine erhebliche
Besserung eingetreten. Sein neuester Roman „Fremdlinge unter den
brechungen mehr hervorzubringen. Wie viele Nuancen ließen
Menschen" ist soeben (bei Carl Reißner in Dresden) erschienen und
sich noch anbringen, wenn der Darsteller nur immer dar¬
zeigt den Altmeister deutscher Erzählerkunst auf gewohnter Höhe
auf bedacht bliebe, den Part nicht nur fertig auf den
Haus Olde — Direktor der Kasseler Kunstakademie. Wie der
Tisch des Hauses zu legen, sondern ihn vor dem Zu¬
„L.-A." berichtet, ist Professor Hans Olde in Weimar vom 1. November zum
schauer allmählich gleichsam entstehen zu lassen. Der Gegen
Direktor der königlichen Kunstakademie in Kassel ernannt worden. — Olde
pol des schwärmerischen Anatol, Freund Max, war bei Herrn
ist am 27. April 1855 zu Süderau in Schleswig=Holstein geboren und
Falke vortrefflich aufgehoben, und auf der Stufenleiter der Weib¬
studierte an der Münchener Akademie und an der Akademie Julian in
chen kam, wie zu erwarten stand, Frau Rosner zu oberst an
Paris. In den Galerien zu Hamburg, Kiel, Bremen, Dresden, Weimar
Aber auch Frl. Bauer bewahrte als einzige Mondaine gute Hal= und Berlin werden Werke von ihm aufbewahrt. Olde war acht Jahr¬
lang Direktor der Weimarer Kunstschule, wo er auch als Lehrer eine
tung, und Frl. Fröhlich war als Ilona noch etwas forciert, son
ersprießliche Tätigkeit entfaltete.
aber recht talentvoll. Endlich hatten noch die Damen Parenna
Lederer und die große goldene Medaille. Die Verleihung der
und Weigold, (die zum ersten Male in einer größeren Rolle her¬
großen goldenen Medaille an Professor Hugo Lederer, die der Kaiser
vortrat,) an dem allgemeinen Erfolge einen bescheidenen Anteil.
dem Künstler bei der Enthüllung des Aachener Kaiser Friedrich=Denk¬
Ludwig Goldstein¬
mals eben bewilligte, erregt besonderes Interesse. Der Kaiser hat vor
vier Jahren, wie wir in der „V. Z." lesen, als Lederer von seinen
Kollegen zur „großen goldenen“ vorgeschlagen war, diesem Vorschlage
nicht zugestimmt, so wie es seinerzeit ja auch bei den Architekten
Kunst und Wissenschaft.
Paul Wallot und Ludwig Hoffmann geschah. 1907 hatte der Künstle¬
am Lehrter Bahnhof eine Sonderausstellung, die Gruppen vom Ham¬
Shaws neueste Chose,
burger Bismarckdenkmal, zwei Arbeiterfiguren zum Kruppdenkmal für
die uns im Kleinen Theater in Berlin am Sonnabend ge¬
Essen und einen St. Georg und andere Werke umfaßte. Daß Ledere
bracht wurde, ist „Fannys erstes Stück, ein leichtes Spiel
inzwischen durch künstlerische Leistungen sich die Anerkennung auch
mit neckischem Rahmen. Fanny, eines in Venedig lebenden eng¬
des Kaisers erworben hat, ist ein schönes Beispiel dafür, daß unser
lischen Romantikers (!) couragiertes Töchterlein, hat als Suffragette
Kaiser bei einer einmal vertretenen Meinung durchaus nicht steher
im Weiberkittchen brummen müssen. Aus Zorn verfaßt sie ein bleibt, wenn er sie als irrig erkannt hat. Die kleine goldene Medaille
Stück, das sie an ihrem Geburtstag vor ihrem Vater und vor den besitzt Lederer seit 1903.