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4.9. Anatol
Zykle
15
Dr. Max Goldschmidt
Bureau für
Lungauche
und
Berlin N. 24
Ausschnitt aus
Basische Presse, Karlsruhe
18 1. 191
doch, wenn's ein anderer kriegt? — Und Anatol bringt ihr, der Joch, so hätte man für
Grosh, Hoftheater zu Karlsruhe innerlich bestrebenden, der diese kleine Welt gar so send ist, defeat den Weichen
Zum erstenmal: Arthur Schnitzler, Weihnachtseinkäufe, neue Anschauung bei. „Sie können sich da nicht hineindenken!... es sich wie ein Am¬
Die dramatisch-psychologische Studie „Anatol“, eines der fesselnd Man hat Ihnen zu viel verschwiegen, als Sie junges Mädchen waren
Zum erstenmal,
sten Werke Arthur Schnitzlers, besteht aus sieben Episoden, in denen
und hat Ihnen zu viel gesagt, seit Sie junge Frau sind!
der Dichter den „leichtsinnigen Melancholier", den mit moderner Sen
Der wackere Ot
Darunter leidet die Naivetät Ihrer Betrachtungen.“ Und in Gabriel
sitivität geimpften, vornehmen Lebemann Anatol in der verschieden
wächst ein leises Verstehen und ein leises Verlangen auf, als Anatol Humor! Nun erzähl
artigen Beleuchtung des Lebens vor immer neuen Problemen als ihr von seinem blonden Mädel erzählt, dem er alles auf der Welt ist
seine Schnurren, daß
einen Typus up to date zeigt. Die zweite Episode darunter, be= und das nur Liebe, vertrauende, selbstlose Liebe kennt. Und sie be¬ gibt. Die „Geschicht
titelt „Weihnachtseinkäufe", hat man gestern, aus dieser Dichtung greift, daß hier ihre Ueberhebung nicht mehr angebracht ist. Und genossen als Erzähl¬
herausgerissen, auf unserem Hoftheater gegeben, für Anatols Ver= wenn sie sich eben noch spöttisch angeboten, mit Anatol zusammen die hat sie in der dra¬
ständnis ebenso grausamer Weise, wie man einst eine andere Anatol-Weihnachtseinkäufe für seine Liebste zu machen und ihm hierfür allen ihrer lustigen Dikti
Episode, das kecke „Abschiedssouper, uns seitens des Münchener Schau=möglichen Talmischmuck empfahl — jetzt reicht sie ihm von den genug behalten, un
spielhauses im Stadtgartentheater vorsetzte. Denn so abgeschlossen der Blumen, die sie in der Hand trägt, daß er sie der in der Vorstadt gebe, lassen, wenn wir se
dramatische Vorgang in der kleinen Causerie auch sein mag, die die so sehnsüchtig ihn erwartet. Und er soll ihr dabei sagen: „Diese Lore als geliebtes
dramatische Persönlichkeit des Helden ist nicht zu ihrem Recht Blumen, mein . . . . süßes Mädl, schickt Dir eine Frau, die vielleicht nungssinn nicht in
kommen
Knopf ihrer Matrose
ebenso lieben kann wie Du und die den Mut dazu nicht hatte...
Nun haben wir es also hier mit der einen Episode allein zu tun
dann der „Kleine
Das Stückchen ist aus. Ein echtes Anatol=Stückchen voll leicht
die auch in ihrer „splendid Isolation" den geistvollen Wiener Dichter
sinniger Melancholie oder melancholischem Leichtsinn, voll Lebens seine Liebste sich mi
erkennen läßt, der im Drama der liebenswürdige Plauderer und in hunger an reichen Tischen, voll artigen Verbeugungen gegen eben das und beide zusammen
so wird man in ein
der Plauderei der feine Dramatiker ist. Das Ganze ein auf zwei Leben, das unser Gegner ist und dem wir ein sentimentales Schnipp¬
Wirbel auch wirklich
Personen gestellter Dialog: Anatol und Gabriele treffen sich am chen schlagen. Und ist viel köstlicher, seiner Duft darin von einen
Christabend bei den Weihnachtseinkäufen auf der Straße. Zwei zarten, sehr diskreten Parfüm. Und ist viel wundervolle Leichtigkeit Vorstellung ging zu
Menschen der vornehmen Welt, die sich einander nahegefühlt, aber sich
sich. Und erst in
darin, wie Schmetterlingsflug. Schade, daß wir das hier nicht geber
verloren, als die Gesetze jener Welt der jungen Frau ihre Grenze konnten. Denn die gestrige Aufführung hatte von dem Stückchen nur übriger Bezlichte
diktierten. Nun erfährt Gabriele von Anatol, daß dieser für sei¬
den Titel und die Worte geborgt. Aber die innere Grazie, diese aus wollen auf der Büh
„süßes Mädel“ in der Vorstadt draußen ein Weihnachtsgeschenk sucht, gesprochene Wiener Grazie, die allein das wirkliche Stück ist, die hatte Otto Erich hätte se
Ihr Spott gleitet glitzernd über das Verhältnis hin, das den elegan
Stachelvers unterbre¬
man nicht zu Gast geladen. Die Besetzung des Anatol durch Herrn
ten und vornehm empfindenden Mann in der „kleinen Welt festhält. Baumbach war unmöglich. Das wird niemand mehr wissen, als der Art sich hier sei¬
„Versteht man Sie denn .... da draußen?" — „Keine Idee! Aber
Herr Baumbach selbst, dessen reiche Begabung ihn für alles, aber ju¬
Zum erstenmale: 2
sehen Sie.... in der kleinen Welt werd' ich nur geliebt; in der nicht für das Gebiet der leichten Plauderei des Anatolstils geeigne
großen — nur verstanden — Sie wissen ja . . . .
Tut mir um Gottes
Und Anatol weiß erscheinen läßt. Hier ist sein Wesen und sein Ton viel zu gewichti¬
durch seine sacht hingeworfenen und doch sicher pointierten Bemerkungen und schwer und schlägt alle Feinheiten um sich einfach tot, ganz ab
hinaus, sie werden so
die geringschätzige Meinung der Weltdame über solch eine Vorstadt gesehen von der Mißhandlung des Wiener Dialekts. Frl. Noorissimusstück brauchen
Liebe leise zu wandeln. Denn die Dame der „großen Welt“ lebt in mans Gabriele war gleichfalls alles andere, nur nicht der Typ der ruhig den ganzen
stiller Feindschaft zu denen der „kleinen Welt". Nicht, daß man ihr hier gedachten Wienerin, aber das mangelnde Gegenspiel mochte das führen können. Den
etwas wegnimmt, weil sie doch selbst es nicht behalten will. „Ja
mitverschulden. Konnte man aber das Stück nicht besetzen — wo Her
Blüten, was Ludwig
aber, wenn Sie selbst irgend was nicht wollen .... es ärgert Sie Herz und Frau Ermarth die geborenen Repräsentanten sind!
dote offen dartut.