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4.9. Anatol Zyklus
Nr. 1916
vom
Venkov, Prag
Artur Schnitzler de Fland. Zur spisovatel.
Schnitzler, jehož práce zejména Mikování.
Anato « a jiné dávají se na nasich scénach, za¬
vitá do Plzně v druhé polovici března, kdy spolu¬
dinkuje jeho choť v mistnim koncertu.
.
rage
glatt, Prag
n:
.
to
destheater.
in Anatolen. Das heißt fünfmal
ouvre. Man bekommt dann zum Schluß
aus zuviel Gaumenkitzel Hunger nach derber Kost,
nach Brot mit Salz.
Durch die Winkelgäßchen amoureuser Musik,
Zehenspitzenerotik und verliebter Bagatellen fuhr
ein fröstender Wind. Es war, als grinste schon in
die tiefdunklen, zärtlichen Heimlichkeiten bebender
Nächte ein fahler Morgen mit bitterem Nachge¬
schmack herein.
Man hatte alle fünf Kleinigkeiten in den
Eiskasten einer peniblen Regie gestellt, die ihnen
eine neue Form geben wollte. Da zogen sich alle
eine Angina zu. Nur die stärkere Konstitution des
Abschiedsoupers kann ohne Schaden hinweg. Auf
dem strengen, salonglatten Hintergrund der Insze¬
nierung zogen alle Blüten des Dialoges rasch ihre
Köpfchen ein, der Duft war weggeblasen und es
blieb ein gläsernes Wortesprechen wie in einem
höflichen, bescheidenen, ein wenig blutarmen Lust¬
spiele.
Frühgereift und zart und traurig,
Die Komödie unserer Seele,
Unseres Fühlens heut und gestern,
Böser Dinge hübsche Formel,
Glatte Worte, bunte Bilder,
Halbes, heimliches Empfinden,
Agonien, Episoden.
So hatte einmal „Loris" den Anatol besun¬
gen. Man hatte gestern die Heimlichkeiten aus allen
Winkeln gejagt, man hatte gründlich abgestaubt.
Da nahm das Staubtuch viel anderes mit.
Das große Reinemachen in der sentimen¬
talen Garnitur Schnitzlers blies den Blütenstaub
weg, die Imponderabilien, die eigentlich das Wesen
dieser kleinen Stücke bedeuten. Der Aufführung,
die diesem Entfüßungsprozeß unterworfen wurde,
blieb in ihrer Art sehr viel. Es wurde durchwegs
hübsch gespielt, freilich schimmerte ein leiser, kühl¬
parodistischer Ton hindurch. Den Thadädl gab
Herr Hennig. Sein Anatol, nett und nicht un¬
liebenswürdig, aber von Haus aus schon ein wenig
kühl, oberflächlich und naiv-fidel, erhielt hier wirk¬
lich einen Thaddädlanstrich. Herrn Roma¬
nowskys Max ist eine bekannte, gute Figur.
Dann die fünf Damen: Der Cora Frl. Newes
kann man nicht böse sein. Sie kam lieb und nett
hereingeflattert und blieb es auch nach der Hyp¬
nofe. Die Bianca Fr. Hoffmanns ganz ent¬
zückend neckisch, auch die Emilie Frl. Crons und
die Ilona Frl. Hübners bemerkenswert. Das beste
des Abends war das „Abschiedsouper". Freilich
ist ja die Annie Fr. Medelskys ein Meister¬
stückchen.
w. t.
box 9/2
Ausschnitt aus:
Montagsblatt aus Böhmen, Pr
vom
1
Anatol. Der Anatolzyklus Schnitzlers ist stim¬
ungsvoll, reizend und unterhaltend für den Leser;
in grellen Lichte der Bühne erweisen sich aber diese
vorbeihuschenden Episoden als körperlose Nichtigkeiten,
deren einziger Reiz, die zarte Stimmung, zerflattert.
Eine Ausnahme bildet lediglich das entzückende „Ab¬
schiedssouper". Die Aufführung im Landestheater ver¬
suchte zwar den Episoden mehr Festigkeit zu verleihen,
aber dieser Versuch mußte mißglücken, weil er eben
diesen zarten Kleinigkeiten wesensfremd ist. Er konnte
auch deshalb nicht gelingen, weil wir keinen Darsteller
für den Anatol besitzen und diese Rolle Herrn Hen¬
nig anvertraut wurde, der ihr seiner Natur nach nicht
gerecht werden kann. Sein trockener Humor und seine
ein wenig derbe, wenn auch originalwienerische Komik
ist für den Anatol unmöglich. Auch die weiblichen Rol¬
let wurden mehr angedeutet, als gespielt. Eine Aus¬
nahme bildete nur die bekannte, meisterhafte Darstel¬
lung der Annie durch Fr. Medelsky. Der durch
Herrn Romanovsky dargestellte Freund und Ver¬
traute Mar war zwar glaubhaft, aber auch er ent¬
sprach nicht vollständig den Absichten des Dichters. Da¬
Haus war dicht gefüllt und feiertäglich freundlich ge¬
stimmt.
An den
Ausschnitt aus Mährisches Tagblatt, om
10.
vom
Königlich städtisches Theater.
Zu Schnitzlers Anatol."
Schnitzler muß anders gespielt werden, vom
Grunde auf anders, und vor allem anders gesprochen
werden, wesentlich anders. Schnitzler muß gespielt
werden, wie man eine Violine spielt, wenn man die
Sordine aufgesetzt hat, oder ein Klavier, wenn man
das Dämpfer=Pedale anwendet. Schnitzler muß im
legersten und leichtesten Konversationstone gesprochen
werden, fein, sehr fein pointiert. Diese grazilen Ge¬
danken vertragen keinerlei Kothurn, sie müssen auf
leichtbeschwingten Silben=Sohlen ruhig vorgebrachter,
perlenartig aneinander gereihter, mehr nur so hinge¬
worfener, als mit gewichtigem Bewußtsein breit und
tragend ausgesprochener Wörter gehen, nicht ausladend
im Tone, nicht behäbig und weitspurig in der Satz¬
anlage. Schnitzler ist eine Sache für sich, also will er
auch eine Darstellung für sich, eine Interpretation,
durch die er verstanden werden kann. Schnitzler ist
weder Pose noch Posse. Schnitzler ist Geist. Man
muß, will man ihn wirklich herauskriegen, ganz
radikal brechen mit der üblichen Lustspiel- oder
Possen=Schablone. Es ist bei Schnitzler unmöglich,
daß sich — (nur einige Beispiele!) — zwei Freunde
vom Schlage des Anatol und des Max, zwei Menschen
also von stilisierten Salonmanieren und raffinierter
Großstadtkultur, umarmen, indem sie sich dabei laut
hörbar gegenseitig auf die Rücken klopfen und sich, wie
tanzend, einmal rund herum drehen, wie es Operet¬
tenmenschen tun mögen, wenn sie sich umarmen. Es ist
bei Schnitzler unmöglich, daß man irgend etwas über¬
haupt, geschweige denn die Schlußworte des Max in
der „Frage an das Schicksal, mit schallhaftem Augen¬
zwinkern ins Publikum hineinspricht, als handle es
sich da mehr um eine populäre Fußnote, die der
Dichter an sich selber anfügt, um allenfalls auf der
Galerie deutlicher verstanden zu werden.
lösen trachten
bei Schnitzler unmöglich, daß irgend jemand irgend zug, zerrissen
etwas so unsern belge