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4.9. Anatol-
Dann aber fährt Gräfin Lulu fort:
Lulu Thürheim“, die mich durch einige Wochen
Aber Artur ist doch Dichter geworden.
woche.
auf das angenehmste beschäftigten. Da las ich Nichtsdestoweniger habe Franzi eines Tages
am Schlusse des dritten Bandes ein Kapitel, während einer magnetischen Kur, sei es aus
der Theater.
Von den sieben Einaktern des „Anatol" betitelt: „Franz Liechtenstein", das mich mit Neugierde, sei es aus verzeihlicher Eifersucht,
Lügen Frauen
eine Frage gestellt, die die schöne Fürstin
die längst ver¬
Zyklus hat mich am längsten der erste be¬
aller Lebhaftigkeit an die „Schicksalsfrage
terhazy.
schäftigt, die „Frage an das Schicksal". Man Artur Schnitzlers erinnerte. Ich erkannte: Er zuerst nicht beantworten wollte. Als er jedoch
darauf bestand, und die Somnambule förmlich
wird sich ja so ungefähr der Handlung er
hatte wieder einmal — ohne es zu ihnen
sefstädter
zum Sprechen zwang, da — wir geben die
ein bischen Wirklichkeit gedichtet. Es ist aus
itung Paul innern, die da in einen leichten Dialog ge
Worte der Gräfin Thürheim wieder — „saat¬
hüllt wird, so ungefähr wie Rosen aus Nizza
geschlossen, daß Schnitzler die Bücher der Thür
des Schnitz¬
sie die Wahrheit, die jedenfalls im Geständnis
die wir in Samt gehüllt des Winters emp¬ heim kannte. Denn die Gräfin ist in der
Es ist das
sechziger Jahren gestorben und hatte verfügt, einer Untreue gegen den Geliebten bestand
fangen. Anatol ist wieder einmal verliebt und
neues Wien
wieder einmal ein bißchen melancholisch. Denn daß ihre französisch geschriebenen Memoiren konnte sich aber bei ihrem Erwachen an nichts
es, in dessen
mehr erinnern
er weiß nicht, ob seine Cora ihm treu ist, das
fünfzig
geheimgehalten
gefallen ist
Später schreibt die Gräfin: Lange nach
reizende, liebe Wiener Frühlingsgeschöpf! Da Jahre nach ihrem Tode herausgegeben
und seine
jenen Tagen habe ihr „ein anderer Geliebten
werden dürfen. Was die Familie auf
bringt ihn sein Freund Max auf den Ge¬
Wiener und
der Fürstin erzählt, ein Engländer, daß er sie
danken, eines Mittels der Mode sich zu be¬ getreulich hielt. Doch nach Ablauf dieser Fri¬
als uns die
so konnten die Lebens gefragt habe, wie sie es bei ihrem schlechten Ge¬
dienen, der Hypnose, um die Wahrheit zu er¬ kam der Weltkrieg,
des Josef
erinnerungen erst nach dem Umsturz erscheinen, wissen habe wagen können, sich von Franz
fahren. Das Gespräch zwischen den beider
en. Wiener
Was erzählt nun die Gräfin in diesem magnetisieren zu lassen? Da habe sie ihm unter
Freunden spielt sich in Anatols Wohnung ab
lagen, Wiene
Lachen geantwortet: „Oh, ich wußte immer
r bezaubernd Da tritt Cora plötzlich ein. Max bringt das Kapitel? Dieser Franzi Prinz Liechtenstein
ganz gut, was ich sprach
Gespräch auf die Hypnose, und das Mädchen war ein kreuzbraver junger Offizier, wahn
doch in ihren
Hat nicht der Freund Anatols, der junge
sinnig verliebt in die Fürstin Therese Ester
wahrhaftig verlangt sofort, hypnotisiert zu werden, weil
Herr Max, recht, den Schnitzler ein halbes
eines Anton es sich das „sehr hübsch vorstellt. Cora wird hazy, selbstverständlich eine verheiratete Frau
Jahrhundert später in unserem Einakter die
Sie hatte den denkbar schlechtesten Ruf. Aber
also eingeschläfert. Anatol schärft der Ge¬
was immer
Franzi hoffte sie zur Tugend zu führen, das Worte sprechen läßt: „Die Frauen lügen auch
liebten sofort ein, nur die Wahrheit zu sagen
Frauengene¬
in der Hypnose
in allem — und Cora verspricht's. Nun heißt nämlich, daß sie ihren fürstlichen Gatte.
lich Künstle¬
stellt Anatol die erste verfängliche Frage: nur mit ihm betrüge. Eines Nachts wird der
nachahmlich
Fürstin in Gegenwart des Geliebten furchtbar
„Wie alt bist Du?" — „21 Jahre," antwortet
Wohlgemerkt, der dichterische Gedanke
feine, dunkle
übel. Schon will er die Glocke ziehen, um
die Schlafende.
Schnitzlers ist in diesem „Schicksals"Einakter
vorhang, de
Hilfe herbeizurufen, doch sie erklärt, sie stürbe
nicht etwa der listige Einfall, eine Frau in
schaft trennt
Es war die erste Wahrheit! Denn bisnun
hatte Cora immer nur gesagt, sie sei Neun= berraschte ein Dritter sie beide in solch nächt¬ Wachhypnose zu versetzen, um aus ihr das
siese Gestalter
licher Stunde. In ihrer Verzweiflung legt sie
ihrer Untreue förmlich heraus
Geständnis
Fleisch un¬
zehn! Nun drängt Max seinen Freund, die
plötzlich seine Hand auf ihr Herz und beschwör¬
so untrüglich und warm wie der
hen? Dieser
zuzaubern,
eigentliche Frage zu stellen, die Anatol se
ihn, ihr den Schmerz durch sanfte Striche weg
Atem. Das subtil Wienerische, das Anatolische
Jünglings¬
schwermütig gemacht hatte, die Frage: „Cora
zumagnetisieren. Damals (1827) war ja der
des Stückes ist, daß Anatol plötzlich sich zu
ist heute noch
bist Du mir auch immer treu gewesen?" Doch
Mesmerismus gang und gäbe,
schwach fühlt, der Wahrheit ins Antlitz zu
hen auch fas¬
Anatol findet diese Frage plötzlich doch
In der Tat: Die schmerzhaften Krämpf
schauen und seinen schmerzlichen Zweifel zu
schaftsdrame
brutal. Er hat offenbar Furcht, die Wahrhei
schwanden, zugleich verfiel die schöne Frau in verlieren. Den er fürchtet, mit ihm verlör¬
immer hinter
zu erfahren. Er findet plötzlich, es sei unedel
Gaze, so daß die Vorteile einer solchen Situation auf diese einen somnambulen Zustand, in dem sie er auch die Geliebte. Drum weckt er sie, bevor
das schicksalsschwere Ja oder Nein ihre süßen
rückt scheint
Art auszunützen. Max erwidert überrascht, plötzlich über metaphysische und rein religiöse
Fragen zu schwärmen begann. Seither be¬ Lippen verläßt.
vo Tag und
„Wie? Nun könntest Du die Wahrheit er
Aber — ist die Feigheit des wohllebigen
einander um¬
fahren über die Treue der Geliebten. Diese diente sich die Fürstin des öftern bei ihren
schmerzhaften Anfällen der magnetischen Hilfe träumerischen Frauenfreundes Anatol der
men. Nichts Wahrheit liegt auf dem Boden vor Dir un
ihres Freundes. Schließlich wurde aber auch Geist, so ist der Einfall, die Hypnose als
sang, den ein
Du fürchtest Dich, sie aufzuheben?
der Arzt ins Vertrauen gezogen. Der Doktor Mittel der Wahrheitsforschung in der Liebe zu
ten Händen
Nun schämt sich Anatol seiner Feigheit
verwenden, doch wenigstens der Körper des
empfahl dem jungen Magnetiseur, den Zustand
rchblicken und
Ja, er will die Frage stellen, aber nur, wenn
der Trance (eine Art Verzückung) bei der Stückes, sein szenischer Witz. Dieser Witz aber
Freunde, und
Max aus dem Zimmer geht. Denn wenn Cor
ist vor Schnitzler und ohne dessen Wissen einem
Fürstin nicht zu weit zu treiben und sie nich
ardus schließ
die Treue verneint, so will er das Furchtbare
über Dinge zu befragen, die sie allzu sehr auf anderen Wiener eingefallen, jenem durchlauch¬
dann steht au
allein hören. Unglücklich sein, sei erst das halb¬
regen könnten. Denn ein solcher Zustand könne tigen Franz Liechtenstein, der nicht so geistreich
lers vor uns
Unglück, bedauert werden, das ganze.
aber viel gutmütiger gewesen ist als Anatol.
Gefahr bringen!
ts hinter dem
Ebenso wie die Fürstin Therese viel ver¬
Der Freund verläßt also das Zimmer
Die Gräfin Thürheim unterbricht hie
schlagener war als Cora, das Kind der
Anatol betrachtet die schlafende Geliebte mi
ihren streng sachlichen Bericht durch eine per
Phantasie Schnitzlers. Denn sie wußte genau,
Angst und mit Bewunderung. Endlich wir
sonliche Bemerkung. Diese liebenswürdig
dem jungen
daß sie mit dem Geständnis ihrer Untreue den
er entschlossen und — erweckt Cora und küß
seine Dame, die inmitten der von ihr so tie
isvoll werden
guten Franzi nicht abstoßen, sondern nur noch
sie! Und als der Freund gleich darauf eintritt
bedauerten sittlichen Fäulnis des österreichi
Angsrat Doktor weiß er, Anatol habe es nicht gewagt, die
schen Hochadels reinen, unschuldsvollen Geistes mehr an sich fesseln wurde.
eunde Adol
Was auch geschah.
Frage an das Schicksal zu stellen. Uebrigen
geblieben war, gibt da ihrer Vermutung
Burgtheaters
Man sieht, welch irre Wege unsere Seele
ist er überzeugt: die Frauen lügen auch in de
Raum, diese Warnung des Arztes sei von
Prüfung über
Hypnose.
Therese Esterhazy ausgegangen, die sich nicht geht: Anatol findet im Zweifel an der Treue
te Artur ent
habe der Gefahr aussetzen wollen, als Som= und Prinz Franzi in der Gewißheit der Un¬
rden. Wie das
Vor drei Jahren ungefähr stieß ich auf die nambule ihre Liebesabenteuer auszu¬ treue das höchste Liebesglück
er den Anatol
Julius Stern,
vier Bände „Lebenserinnerungen der Gräfin plaudern