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4.9. Anatol
box 9/3
Zyklus
Deutsches Volk et
Nr. 12,
Die Kreditanstalt der Deutsch
Zweiganstalt Komotau-
über
der
Fleischbank,
verzinst ab 1. Jänner 1923
pareinlage
bei jederzeitiger
Rückzahlung mit
1jähriger Kündigung mit 4
5
1
Kunst, Musik, Literatur.
Komolauer Stadttheater.
niet von
Anatol von Arthur Sch.
che waren
Fred Hennig. Aus der be¬
vier der besten ausgewählt von denen Anatols,
des Frauenlieblings, Geschick am charakteristischesten vor
unser Auge tritt. Anatols, des Lehenswürdigen Dan¬
dys, des bloß den Schaum der Dinge abstreifenden, ihr
Aroma einfangenden Findesiecle Menschen eines nun¬
mehr verklungenen Wiens. Wie Achill in Homer, so
sand dieser Typus seinen echten Herold nur in Schnitz¬
ler. Aber in ihm mit der höchsten Vollendung. Das
Wien der neunziger Jahre steigt auf, die alte seine
Kultur dieser mit Paris in Geschmacksfragen rivalisie¬
renden Stadt. Die heutigen jungen Wiener haben, ge¬
trieben von Erwerbs= und Schiebergeist, nur noch äuße¬
ren Schliff, nicht mehr jenes zärtliche sentimentale Strei¬
cheln des Herzens. Die materiellen Grundbedingungen
des Lebens haben den Charakter des jungen wohlge¬
bildeten und wohlhabenden Genießers schon vor dem
Kriege verändert. Die feminine Note in seinem Wesen
ist nicht mehr so deutlich. In Anatol ist sie aufs stärkste
bemerkbar. Sie tritt immer hervor, wenn eine Kultur
Verfalls erscheinungen aufweist. Etwas vom Geiste Os¬
kar Wildes schwingt mit in Anatols Seele, seine leicht¬
füßige Dialektik, seine Neigung zu Aphorismen und
Apercus. Manches interessante, seingeschiene Wort
über Liebe, Treu und die Frauen flattert auf. Glitzernde
Oberflächenphilosophie, denn von wahrer, tiefer, echter
Liebe weiß Anatol nichts. Er ist der Wiener Don
Juan ohne die Dämonie des spanischen. Etwas un¬
endlich Liebeswürdiges, Bestricken es liegt in der Art
dieses Frauenfeßlers. Sie verfallen ihm alle, wenn
auch nicht immer für lange Zeit. Die Mittel seiner
Verführungskunst leuchten in Makarin Farben,
deren intensive Wirkung so bald verblaßte. Wißt ihr
noch, was Anal est bedeutete? Jünglinge und
Jungfrauen losen das Wort me heißen Augen und
heißen, sehnsüchtigem Herzen. Schnitzler hatte mit
seiner Schöpfung auf einen Typus hingewiesen und
nun vermehrte sich dieser Typus mit Blitzesschnelle.
Jeder junge Mann mit Manieren und erotischen Ge¬
lüsten meinte schon ein Anatol zu sein und liebkoste sein
von der Crotik stark in Erregung versetztes eigene¬
Herz. Es war, in gebührendem Abstand genannt, wie
einstens mit dem Wertherzummel im 18. Jahrhundert.
Man wechselte die Mädchen wie die Hemden und be¬
rief sich auf Anatol. Auernheimer hat dann diesen
Typus literarisch sehr geschickt in weitere Pflege über¬
nommen. Unserer Aufführung kann nur Gutes und
stellenweise sehr Gutes nachgesagt werden. Direktor
Hennig hat unverkennbar seine eigene Note und einige
echte Partikel von Anatols Weltauffassung. Sein
feierliches Entree in „Episode war besonders gelungen,
die in Heine und Lord Byronschen Weltschmerz (aller¬
dings in Verdünnung von 1:10) getauchte Stimmung
nach den Absichten des Autors heraufbeschworen. Hen¬
nig machte uns durch seine Darstellung Anarols tiefste
Erkenntnis klar, da die Summe der Stimmungen, nicht
der Erlebnisse, das Glück bedeutet. Er verführt, aber
verführt mehr aus Stimmungsbedürfnissen, als aus
a
physischen. Dudek hatte die nüchterne, praktische, un¬
sentimentale Note zu vertreten. Es gelang ihm glän¬
zend, er schuf seinen Max nach den besten Vorbildern.
Frl. Nouska wurde bei ihren Erscheinen als Banka
mit herzlichem Applaus nach ihrem langen Fernfein
willkommen geheißen. Ihre beiden Leistungen waren
trefflich, vom Geiste Schnitzlers angehaucht. Ihre
Toiletten, besonders das fesche Pyama, wurden mit
stillem Entzücken bewundert. Als Ilona hätte sie die
Ungebärdigkeit des heißen Weiben noch etwas verstär¬
den können. Manche Ilona zerschlägt das ganze Tee¬
geschirr. Frl. Sußmann gab sehr schneidig die
Ballettrakte mit dem sentimentalen Magen. Ihre
Leistung verschwemmt, auch an der unvergleichlichen
Wiener Medelst gemessen, durchaus nicht in wesen¬
losem Scheine. Sie verstand es ganz ausnehmend gut,
die Gemeinheit mit Wiener Charme zu umkleiden. Die
fertige Schöpfung war sichtlich mit sehr viel Fleiß und
Gewissenhaftigkeit geformt werd von Stockungen
war nichts zu merken. Ueberhaupt lief in der ganzen
Aufführung der Apparat licherweise ziemlich laut¬
los. Das herzige Wiener Mädel Cora hatte Frl.
Schicketanz übernommen. Sie war überaus fesch
und nett und diesmal herraschend sicher und bühnen¬
gewandt. Die Rolle ist nur klein, da sie lange zu
schlafen hat, aber sie führte sie recht anmutig und her¬
Da durch. Die Regie ganze für würdige Ausstattung
gefor¬