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4.9. Anato
box 9/5
Zyklus
cher eige¬
Großherzogliches Hoftheater
„Anatol“ von Schnitzler
Erstaufführung im Hoftheater)
Liebe ist Mut.
Modernst Eleganz und kultiviertester Luxus sprühen
aus den glänzenden Läden am „Graben in Wien. Tritt
man von hier nur wenige Schritte in eine der Seitengassen
ein nach den Tuchlauben oder dem Hohen Markt zu, so wird
man umfangen von der verschlafenen Stille des früheren
Wien, der wundervollen Stadt, der Fischer von Erbach und
Lukas von Hildebrand, die Meister des Barock, das Gepräge
gegeben haben. In diese stillen verschwiegenen Straßen
flüchten die liebenden Paare aus der beobachtenden Helle
der Großstadt, und am Eingang zu einer dieser Straßen
trifft zufällig Frau Gabriele am Weihnachtsabend den
jungen Anatol, der mehr ein Lebenskünstler als ein
Lebemann ist. Beide machen „Weihnachtseinkäufe
Frau Gabriele für Mann und Kinder, Anatol für das süße
Mädel mit den zerstochenen Fingern, das draußen in der
Vorstadt seiner wartet. In dem kurzen Gespräch, das unter
den leichten Flocken des fallenden Schnees zwischen ihnen
sich entspinnt, enthüllt sich die ganze Tragik der mondenen
Frau, die in ihrer Conivenz=Ehe das arme, kleine Mädel
um sein Glück beneidet und ihm durch Anatol zum Weih¬
nachtsabend einige Veilchen schickt: von einer Frau, „die
vielleicht ebenso lieben kann wie du und die den Mut dazu
nicht hatte ... Charlotte Pils erwies sich als
„Gabriele als eine feinempfindende Künstlerin und be¬
strickte durch den Ton einer wundersam verhaltenen Sehn¬
sucht, den sie in ihre Stimme legte.
Liebe ist Stimmung.
Alle, die Anatol liebt, tauchen in seiner Stimmung
unter und bringen ihm einen sonderbaren Duft von Aben¬
teuern und Seltsamkeit mit, an dem er sich berauscht. Als
er Bianca, die lebensfrohe Zirkusreiterin, in dem Ar¬
men hielt, empfand er den süßesten Zauber und glaubte, ihr
unvergeßlich zu sein. Doch als sie von Petersburg zurück¬
kehrte, erkannte sie ihn nicht wieder, den enttäuschten
Idealisten. Für sie war es nur eine „Episode gewesen,
ja weniger als eine Episode ... Ilse Berka gab der
un eiwillig grausamen Freundin Gestalt und Leben.
III.
Liebe ist Illusion.
In dem geliebten Wesen sehen wir das Ideal, dem die
von der Phantasie getragene Autosuggestion alle Vorzüge
dieser Erde verleiht. Weh dem, der den Schleier zerreißen,
den Zauber zerstören wollte! Wir scheuen die Wahrheit,
wir bedürfen sie nicht. Als Cora, das süße Mädel, in hyp¬
notischen Schlaf versenkt, vor Anatol saß, konnte er die
Wahrheit, ob sie ihm treu sei, durch ein Wort erfahren. Die
Frage an das Schicksal stand im frei: er stellte sie
zur
stani
mit
der Taum¬
Flo¬
geschickt
war
Für
glänzenden
leichtsinnige Melan
er ist der Held
ren
jeder Szene
mung. Wahrhaft
stellung sich von sich
und mit künstleris.
spieles traf. Aus
man die Rolle von An¬
Westermann über
die letzte Lebemännisch
wisse Saloppheiten in de
sollte, so bildet er in
den richtigen Gegensa
schen, und war
der ruhende Pol in der
Der geschickt sich an
künstlerische Einzelzug
vorragende Real¬
Eger durchspüren, die
und E. Schwerdtfe
malerische Straßenecke
erleuchteten Kirche
volle trauliche Beleuchtun
helle, fröhliche Junggesell
gante Separee mit dem
gaben jeder Szene einen
So bot die Aufführu
schieden mehr als die vor
ter Schauspielhaus. Sie
wurde von dem stark bese
angenommen.