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4.9. A.
Blutrote, runde Lampions zitterten als Deckenbeleuch¬
„Ah, — dort flirtet ja der interessante E.... mit der
tung wie lohende Vollmonde über ihnen. Die Menge schob
kleinen Waldenburg," hörte sie eine ganze Weile später einen
sich an ihnen vorüber. Hier und da sah sie bekannte Ge¬
ihrer Begleiter sagen.
fen.
sichter. Sie erschienen ihr heute wie Schatten aus einen
Sie blickte zerstreut auf. Wirklich,
da ging er mit ihr
großen Festestrubel an
früheren Leben. War sie das noch, sie, die sich so stolz von
vorüber, Arm in Arm. Sein Gesicht war zu ihr hinabge¬
ckten Wand. Und so der Welt verschlossen, in sich selbst zurückgezogen, um ihrer neigt und eine innere Erregung, die wenig zu seiner sonstigen
in etwas zusammen-
heimlichen Wunden willen . . . .
undurchdringlichen Gesellschaftsmaske stimmte, prägte sich
Und jetzt stand sie wie gebannt und lächelte diesem auf seinen Zügen aus...
und ich liebe sie nicht
Fremden zu
Die Geigen kreischten plötzlich so verletzend auf. Die Aus¬
in ihrer Lügen willen.
Weshalb gelang es ihr nicht zu lügen? Weshalb wurden
gelassenheit der Menge in ihrer schreienden Gewöhnlichkeit
den größten Reiz des
ihre Blicke zu Liebkosungen, — da doch jede Frau sonst ein
beleidigte sie. Es war ihr, als ob ihr Herz ganz fest zu¬
lebende Lüge sein sollte?
sammengedrückt würde,
ein rasender physischer Schmerz.
für eine Eigenschaft,
Es war ihr, als ob sie sich verstecken müßte, als ob jeder
muß?
Sie bat um einen Wagen und fand sich erst zu Hause
Vorübergehende die jubelnde Begleitmelodie der Faschings¬
wieder
fragte er.
musik in ihren Augen lesen könnte: „Du . . . ge... fälls
Lange lag sie im Halbdämmern und sah verlorenen
ten sogar für sehr viel ... mir,... du gefällst mir
Blickes der Kerze zu, wie sie sich allmählich in Wachszähren
Sie empfand Scham darüber, wie bei einer Bloßstellun¬
zertropfte. Und ihr träumte schließlich .... sie weinte
ein dieser Ausspruch.
ihrer Seele, ihres Körpers..... und konnte doch nicht
mit ihr.
anders, als die Wahrheit sagen.
schluchten laut auf,
Sie erwachte, da man ihr die Post brachte, einen ganzen
„Ich liebe das Unvorhergesehene", hörte sie seine Stimme
der Glückstaumel oder
Haufen von zu erledigender Arbeit. Der Tag stieg fahl und
jetzt sprechen, „und wie gut für mich! Wenn man sich nun
los der Menge preis an eines jener schlangenfalschen, reizenden Geschöpfe bände!
grau herauf, ein Tag wie ihr Dasein, ihre Erinnerungen
ng und jauchzte heim¬
Treue.... gibts ja gar nicht! Und die Untreue allein er ihre Zukunft
in ihrer Seele, — in
möglicht mir ein so eingehendes, interessantes Studium der
Die verlebte Faschingsnacht schien Jahre lang hinter
verschiedenartigsten Frauentypen! Was habe ich meinen Con= zu liegen. Sie verhöhnte sich ob ihrer jungen Phantasie,
eiten Male gegen¬
fesseurs schon alles beichten können und — müssen!
sie, eine Frau in dem Alter, von dem nur der durch die Gunst
te und kannten sich
„Männlichen oder weiblichen?
der Frauen so verwöhnte Prévost behaupten konnte, daß es
senn ihr Wirkungskreis
lichen natürlich.
dem Mann das reizvollste und interessanteste des Weibes
sei.....
„Würden Sie auch mich zu diesem vertrauenheischenden
der. Und ihr, deren Amte zulassen
War sie denn toll gewesen mit den Tollen zusam¬
nen Leben so weit zu
„Mit Vergnügen.
Hatte sie nicht fast ebenso intensiv gefühlt, wie damals
nntnis ein Reiz mehr
Er verneigte sich zustimmend.
Und diese ganze Skala der Liebe in wenigen Stunden. von
Märchen, dem nahe zu
Und sie sah sich im Geiste im tête à tête mit ihm. Dämmer dem ersten beginnenden Glückesahnen bis zu der grausamen
süße, zehrende Unrast
stunde natürlich. Draußen mußte dichter Schnee nieder¬
Folter des Beiseite geschobenwerden! Und das um eines
nachzurufen vermocht
flocken. Oder phantastische Nebelgebilde schwanken. Das Fremden willen, w. dem sie nicht einmal wußte, ob er nicht
Was ließ
seit
nur ein geistreicher Salonheld sei. . . . .
Zimmer durfte nur durch ein Kaminfeuer erhellt sein....
geheimnissen?
eine Teemaschine summte.... Irgendwoher tönte aus
Welche Glück, daß es nur ein Intermezzo gewesen in ihrem
Worte, aber sie faßt
einer oberen oder unteren Etage eine Chopinsche oder Grieg, ernsten, großen Interessen geweihten Leben.
Ihre Seele schwang
sche Melodie abgerissen her..... ihre Gesichtszüge ver¬
enden Wiener Melodi¬
Und sie setzte sich und beschrieb die Stimmung dieser Nacht
schwammen im Zwielicht .... und er beichtete... ganz und sandte sie dem Helden ihres Intermezzo mit einigen
en? Und von Anatol?
absonderliche Geschehnisse .... Eindrücke .... klein¬
die Verkörperung des
geistreich ironisierenden Dankesworten für die Anregung zu
Novellen
llte sie sich sonst auch
dieser Skizze und für die Erkenntnis, die ihr bei der Ab¬
„Würden Gnädige mich entschuldigen . . . . für einen
ne Ansichten über die
fassung gekommen, daß auch sie virtuos zu lügen verstände.
Augenblick.... ich sehe da alte Bekannte...." seine
Die ihren. Sie hätten
Dann packte sie eine Abschrift ein und adressierte sie an
Blicke, die suchend durch den Saal geglitten, schienen einen
de liebenswürdige, viel¬
eine Zeitungs=Redaktion.
festen Punkt gefunden zu haben. . . .
der Sprechweise, seine
Denn es ist nach Schnitzler mit die größte Tragik des
Der Menschenstrom trennte sie voneinander. Sie tra¬
der Abenteuer, die er
Schriftstellers, daß er seine Seelenschmerzen zu Markt tragen
mit ihrer früheren Gesellschaft zusammen......
sie gefangen nahm,
und verkaufen muß, — um 10—20 Pfennige die Druckzeile.
rer Unlogik dieser Art