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4.5. Abschiedssour
aper box 8/2
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
MI(1 „OBSERYER“
Nr. 65
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“-
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
Sachhewi
Nors 7/ 7 120 7—
Theater.
Gastspiel der Frau Josefine Glöckner.
A. 2. Die donnerstägige Gastspielvorstellung der
Frau Josefine Glöckner war eine der interessantesten
des Cyclus. Eingeleitet wurde die Vorstellung mit dem
kaum ein Viertelstündchen währenden Einacter von Arthur
Schnitzler „Das Abschiedssouper“, ein kleines asive
Für 50 Zeit Musterstückchen des Realismus in dem Sinne, wie diesen rto.
100
200
Ilbar
Meister Zola definirt. Da sind erstens einmal zwei junge oraus.
500
Leute — Anatole und Max — Typen jener in Weltstädten
1000

wie in Provinzorten in mehr oder minder eleganter ist das
Im Ge äußerer Ausstattung vorkommenden Sorte betrogener es den
Abonnement Betrüger, die sich für ihr eigenes, mitunter auch für
Abonnenten f
erborgtes Geld anlieben lassen und im vertraueusseligen end die
Der„
Selbstbewußtsein ihrer Unwiderstehlichkeit erkaufte Treue irgen¬
Inhaltsangab verlangen; welche Champagnermarke diese Hampelmänn= eitung")
blätterchen geschickter Liebesganklerinen trinken, wo und mit
haftliche
ese Mit¬
wodurch eine welchen Dämchen sie soupiren, ist Nebensache. Dann
Leben des
theilungen
Annie, Anatoles Geliebte, die er um einer Anderen willen
beim Souper verabschieden will; l’amour qui va et
l’amour qui vien, Annie, die wir persönlich kennen
lernen, und die Andere, von der nur gesprochen wird,
das sind in zwei verschiedenen Entwicklungsstadien be¬
griffene Typen jener „süßen Mädel“, die vornehmlich
jene andere bemalte Leinwandwelt hinter dem Bühnen¬
vorhange bewohnen, die lieben, um leben zu können, sich
aber mitunter — wie in dem vorliegenden Falle — den
Luxus gönnen zu dürfen glauben: zu leben, um zu lieben,
wenn sie auch ihren Appetit auf Austern, Fasan, Crême
und Champagner zu „Frankfurtern“, Golasch und Abzug¬
bier mit Liebe als Dessert declassiren müssen. während
ihre Nachfolgerinen, die sich mit einem Rostbrat'l und ge¬
spritztem Retzer begnügten, vorrücken. Das ist so Lauf
in jener Welt.
Mit ihrer Darstellung der „Annie“ hat uns Frau
Glöckner geradezu imponirt, wir möchten sie als ihre
beste, künstlerisch vollendetste bezeichnen; es war eine
scharf umrissene, bis in die subtilsten Details fein aus¬
gearbeitete lebenswahre Gestalt von prägnantester Charak¬
teristik, dabei hielt Frau Glöckner in der Darstellung
der auf der Messerschneide stehenden Figur das künst¬
lerische Maß mit so peinlicher Genauigkeit ein, daß sie
nie unangenehm, trivial oder gemein wurde; freilich
muß man, um dies zu treffen, die persönliche Liebens¬
würdigkeit und die Anmuth der Frau Glöckner besitzen.
Ihr eminentes Talent für die Kunst des Nachahmens
und Nachschaffen