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4.5. Abschiedssouper
E box 8/1
Telefon 12801.

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Ausschnitt
„OBSERVER“ N. 66
105
I. österr. behördl. conc. Bareau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Flliale in Budapest: „Figyelö“
Vertretungen in Berlin, Chicago, London, Newyork, Paris, Stockholm.
Ausschnitt aus: Schere
vom 3/23
Ein Telegramm aus Wien meldet un
Theaters“ bra#
Ensemble des „De¬
Wolzogen'schen Komödie
(gestern durch Auffüh
chieds=Souper“ die
„ampen=Gesindel“
nEhren. Das
Berliner Darstellungstan
wenn auch
fein abgesetzte Zulammenseiel imperte.
Literatur= ur
Einzelleistungen dem ##
Kunstkreisen angehörige P###kum nichts Besondere
boten. Sehr bemerkt wurde Winterstein's Friebnich
Kern, Nissen's prächtiger Wachmeister, un vor allem
Schnitzlers Ab¬
Fräulein Treuner's Else. —
schieds=Souper“ machte Gisela Shals von
rechter Wiener Leichtlebigkeit erfüllte Anmse geendezu
[Furore. „
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— Flllale in Budapest: „Figyelé“.
Vertretungen in Berlin, Chicage, London, Newyork, Paris, Stockholm.
Ausschnitt aus: Cat etustrinte Zecce
TO
vom 9/16
Theater.
Raimund-Thealer. Das Ensemble=Gastspiel der
Mitglieder des Deutschen Theaters in Berlin hat zwei
Dinge erwiesen: ein ausgezeichnetes Zusammenspiel und
eine so #dergabe der Eherisierung,
dass uns diese Kunst wie Natur anmuthet. Nichts Er¬
und nichts Verkünsteltes, nichts Gemachtes, keine Komö¬
dianterie, bis auf zwei Figuren, nämlich Roderich Fassmann
und Kunibert Dippel. Das sind zwei hineinretouchierte
Figuren, die diese Photographie des Lebens der Bohème
nicht wahrer und sie nicht wirkungsvoller machen, sondern
gegentheilig ihre Wirkung beeinträchtigen. Die eine ist die
abgebrauchte Charge des recitierenden Declamators, die
andere der in jeder Berliner Posse schon bis zur Anekelung
immer wieder abgeklatschte Sachse, der dort dieselbe Rolle
wie in unserem heimischen Localstück der Böhm'“ spielt.
Oder ist das „Sächseln" des Herrn Biensfeldt seine eigene
Zuthat? Die Tragikomödie dreht sich um die uralte Wahr¬
heit, dass, was wir in der Theorie voll und ganz aner¬
kennen, uns höchst unangenehm wird, wenn es an uns
selbst praktisch demonstriert wird. Das geht den meisten
wider den Strich. So auch Dr. Friedrich Kern, welcher
die ja an sich richtige Behauptung aufstellt: Jeder hat
seine Vergangenheit, um die man sich aber eben nicht
kümmern soll. Dagegen ist Dr. Kern ein Todfeind der
Lüge. Und nun kommt es an den Tag, dass auch seine
Frau eine Vergangenheit hat; einen „Fleck auf der Ehr'“
Für 50: Denn sie hat sich in heißer Jugendlust am Künstlerfeste gelnsire
mit dem schäbigsten Patron, dem Bildhauer Plattner, in Porto.
100
Sinnesrausche vergangen, sie, ein wohlerzogenes Mädchen, 7ahlbar
900
500
das eine sogenannte höhere Bildung genossen. Das ist der, Voraus.
wunde Punkt des Stückes. Es ist unmöglich und unwahr,
„ 1000
dass sich ein Mädchen wie dieses solch einem gemeinen## ist das
## Individuum sogleich hingeben sollte, weil sie ihr Vater teht es den
Thonnelt einmal ohne seiner Bemutterung zum Künstlerfest gehen gn.
Abennen läfst. Dieser unsaubere Patron, Plattner, ist geradezu
ekelhaft, und vor dem sollte Else nicht ein instinctives
Abscheugefühl haben? Es ist unmöglich! Der Antor hat#
für gut befunden, diesen Strolch als Wiener zu decla¬
nieren. Warum? Es scheint, weil er für den Erfolg seines
Stückes nachtheilige Demonstrationen befürchtete, wenn er
diese Großstadtsumpfpflanze als Eigenbau von Berlin,
München, Stuttgart oder Hamburg bezeichnet hätte. Diese:
Falschmeldung ist gewissermaßen als Einbekenntnis der
Furck des Autors zu betrachten, dass sein Stück draußen
unmöglich geworden wäre, wenn er Plattner als Reichs¬
deutschen auf die Bühne gestellt hätte. Mehrere Zuschauer
meinten, die Regie hätte mindestens so taktvoll sein sollen,
Plattner hier nicht im Wiener Dialect sprechen zu lassen.
Wir sind nicht dieser Meinung. Wir geben uneingeschränkt
zu dass es in Wien derartige Giftpilze gibt, weil wir
der Ueberzeugung sind, dass sie in allen anderen. Gro߬
städten auch vorkommen und vielleicht noch häufiger als
bei uns. Da Dr. Kern Kenntnis hiervon erhält, thut er
anfangs über diese Vergangenheit um so wüthender, als er
hierdurch auf Milderung für seine Schuld plaidieren kann, seine
Frau durch verschiedene Strolche und zweideutige Frauen¬
zimmer gewaltsam hinausgeekelt zu haben. Erst sein Bruder
Wilhelm muss ihn an sein eigenes Theorem erinnern,
dass jedes eine Vergangenheit hat, also
auch jede, und dafür dem Zweiten
nicht verantwortlich ist. Dr. Kern muss¬
dies zugestehen, aber es ärgert ihn,
dass es gerade ihm passierte, der Zweite
zu sein, und bei seiner eigenen Frau.
Nun wirft er sich aber erst recht in
Pose und spielt den entrüsteten Fa¬
natiker der Wahrheit, indem er Elsens
Verschweigen als die große Lüge er¬
klärt. Schließlich aber siegt die Liebe
dieses wunderlichen Paares über alle
Differenzen und führt zum versöhn¬
lichen Schlufs wie zur Anerkennung der
ewigen Wahrheit: dass eine Frau auf
alles, nicht nur wieder auf eine ihres
Geschlechtes, eifersüchtig ist,
sondern
auch auf Hunde und Katzen, Kinder
und Geschwister, kurz auf jedes lebende
Wesen, für das der Gatte eine Nei¬
gung zeigt. Wilhelm, dieser siamesische
Herzenszwilling Dr. Kerns, nimmt da¬
her die Selbstamputation vor und
beschließt freiwillig von seinem Bruder
wegzuziehen. Die Schwächen sind hier
dentlich vorgeführt, zu welchen auch die
geringfügige Handlung gehört, aber
das ist ja doch ein Vorzug, nicht ein
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