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Ereignissen der Hochzeit von Valent von Auf¬
tritt zu Auftritt mit immer stärkerer Befriedi¬
gung Anteil, weil die Darsteller ganz vergessen
ließen, daß sie nur selten in Thaliens Diensten
stehen. Das inhaltlich wenig befriedigende Stück,
ein Gemisch von altmodischer Theatralik, noch
'schwerer verdaulicher Sentimentalität, über¬
moderner Schürzungen allerart und unwahr¬
scheinlicher Zufälle aus der seltsamen Stück¬
machervereinigung Ludwig Ganghofer und Marco
Brociner bietet immerhin reichlich Gelegenheit
schauspielerische Fähigkeiten zeigen zu lassen. Die
vorzügliche Inszenierung und Spielleitung Karl
Werner=Eigens gewährleistete auch eine ab¬
gerundete Vorstellung. Am natürlichsten spielten
die anmutige Pia (Baronesse Elly Fries) und
der sehnsuchtsvolle Jonel (Dr. Rich. Bernkopp)
Frl. Fritzi von Rupprecht vereinte mit einem
äußerst ausgeglichenem, verinnerlichtem Spiel in
der Rolle der Santa einen besonders klaren
Vortrag. Aus der dankbaren Rolle des Böse¬
wichts Tschuku holte Werner=Eigen alles
heraus, was zu holen war. Auch für die schwer
zu meisternden Rollen des Gutsherrn von Valeni
und des Zigeunermusikanten versicherte man sich
zweier Berufsschauspieler. Die übrigen, von den
Verfassern nicht immer gut geschauten rumänischen
Typen boten auch ihren Darstellern Gelegenheit
sich als Mitglieder einer Liebhaberbühne im
besten Lichte zu zeigen und zwar die Damen
Hanna von Rupprecht, Gusti Prager, Hermine
Eigner und die Herren Ernst Schmid, Josef
Schrottenbach, Emmerich Laschitz, Stefan Süß,
Franko Nickel, Wilhelm Luksch, Karl Schütz,
Eugen Körner und Josef Horn. Allerdings
müßte manchem gesagt werden, daß man sich
auf der Bühne nichts vergibt, wenn man augen¬
fällig wütet und weint und sich sichtlich koset
und küßt. Daß ein Publikum, schon gar wenn
es wie hier, auf die Leistungen seiner Kinder
und Verwandten mit Recht stolz sein kann, mit
Beifall und Blumen nicht kargte, ist selbstver¬
ständlich. Die Vorhangzieher hatten einen schweren
Tag. — Nicht minder unzufrieden waren diese
braven Leute am nächsten Tag. Man stellt dies
immer gerne fest, weil dann alle übrigen zu¬
frieden sind. Dies war ebenso vorauszusehen,
wie auch ein volles Haus, wenn Martha von
Schlettingen ein Gastspiel ankündigt. Sie
konnte es auch wagen ein Stück zu bringen,
worin von vorneherein das Publikum nicht
gerne mitgeht. Die beiden Bühnenstücke „Vater“
und „Fräulein Julie“ des fünfmal verheiratet
gewesenen, fanatischen Weiberhassers und großen
nordischen Dichters Strindberg sind nicht jeder¬
manns Kost. Es ist bezeichnend genug, daß ge¬
rade viele Männer von der zersetzenden psycho¬
logischen Entkleidung der Frau durch Strind¬
berg abgestoßen werden, andere wieder, man
kann solches aus der Nachbarschaft der Sitzreihen
vernehmen, haben für die seelische Zerlegung der
Personen durch Strindberg nichts übrig und
ermüden bald, nicht zuletzt, weil dies oft die
Eintönigkeit ihres Lebenshauses mit sich bringt.
Strindberg, der zeitlebens ein Idealweib suchte,
sah in jedem Weib die Dirne, der Wollust alles,
Charakter nichts ist, das eine Knechtsnatur in
jedem Stande bleibt und im Vergleiche zu ihr
eine Lakaiennatur noch immer ein Herrenmensch!
Wohrer fühte
Aufwand zu machen ist.
sich jedenfalls in der knappen Rolle des ersten
Stückes „Episode“ aus dem Anatolzyklus
Schnitzlers, worin sich die Herren Hans Mar¬
schall und Wilhelm Wilhelmy in die Ehren
des Abends teilten. Die knorrige Dichtergestalt
Strindbergs mit seinen voll augeschöpften, zu¬
packenden Figuren neben dem jubiläumsfrohen
Modepoeten Schnitzler mit seinen süßlichen,
stichelnden Nebelgestalken#n einem Abend zu
genießen, ist ein geteiltes Vergnügen, wenn auch
beide das Liebes=Thema behandeln, oder eben
Lambert.
darum.
schnitt aus:
3PR 19|3
adener Leitung
1:

Ein Strindbergabend in Baden.
Für die bereits angekündigte Vorstellung am 20. d. M.,
welche von Frl. v. Schlettingen arrangiert ist,
dibt sich allseits lebhaftes Interresse kund. Auf dem
Programm steht ein Zweiakter des erst vor Jahres
frist verstorbenen großen Schweden Strindberg
„Fräulein Julie“ und SchnitzlensEpisode“. Dies
mochte vielleicht im erstenAugenblick als kleines
Pagnis dünken, doch werden die Veranstalter dieses
Albends (zugunsten des Chorpersonales) in der theater¬
losen Zeit sicher ein volles Haus haben. Strind¬
Brg gehört zu den Einsamen auf der Bühne und
Iich zu den Starken, die nicht an anderen gemessen
sein wollen und nicht mit ihnen verglichen werden
köhnen; er war der Tragiker in Person, mit dem
herhen Blick für alles Weltgeschehen, ein nordischer
Schöpenhauer, dessen Frauenhaß den Misanthropen
in ihm begründete. Die Schöpfungen Strindberg's
lassen sich nicht auf eine gemeinsame Formel bringen,
es sei denn, daß mau ihn einen kalten Mystiker nennen
wollte, was wieder insoferne ein Phänomen ist, als
eben Gefühlstiefe und Gemütswärme sonst mit Mystil
untrennbar verbunden scheinen. „Fräulein Julie“ und¬
„Vater“ sind seine einzigen Bühnenwerke, unterscheider
sich aber von der Tendenz des Epischen, Novel¬
istischen und der Skizzen Strindberg's nur durck
as Szenische, das hier freilich packender, gewaltige
ind durchdringender wirkt, als dort, wo er sich ir
sie faltenreichere Prosa kleidet. „Fräulein Julie“ is
chon in Baden gespielt worden, aber Martha vor
Schlettingen bürgt diesmal mit ihrer künstlerischer
Beschlossenheit und spürsamen Feinarbeit für einer
edeutenden Erfolg. Wir kommen auf diesen Aben)
soch eingehend zurück.