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3. Das Maerchen
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# C e en e W
ehee verommen und das Publikum auch.
schön. Und dann erschien ihr dieser Zweite als eine Er¬
lösung vom Ersten. Auch ein sehr gewichtiger Milderungs¬
grund. Aber dieser Zweite verließ sie lächelnd, da sie ja
schon eine von Jenen war, die man ruhig verlassen durfte.
Fedor Denner ist nun der Dritte im Bunde. Und von
diesem hofft sie, daß er der Dritte und Letzte bleiben wird.
Fedor theilt leider nicht diese Hoffnung. Er glaubt zwar
an ihre Liebe. Aber die Vergangenheit! Diese zwei Vor¬
gänger! Und besonders der Zweite, der Erlöser vom
Ersten! Das Alles läßt ihm keine Ruhe, quält ihn, wühlt
in ihm. Dieser Zweite — Witte heißt er — hat just ge¬
heiratet.
Wenn nun Witte, Arm in Arm mit seiner Frau,
ihm — Fedor — mit Fanny begegnete! Wenn um Witte's
Lippen ein vielsagendes Lächeln zucken würde, jenes
Lächeln, das unwillkürlich um unseren Mund spielt, wenn
wir ein Mädchen, das eine kurze Zeit unsere Geliebte war,
am Arm eines Anderen sehen, der sie anzubeten scheint!
Fedor erschauert bei diesem Gedanken! Und daran scheitert
sein Glaube an die Beständigkeit ihrer Liebe in der Zu¬
ku#ft. Wer weiß? Sie könnte ja wieder einmal auf dem
Lande weilen im Sommer! Und da könnte ja ein Vierter
auftauchen! Er sagt ihr das mit ziemlich deutlichen
Worten. Er spürt das Zukunftsgeweih! Und Fanny? Sie
ist sehr unglücklich, geht aber nicht ins Wasser, sondern
unterzeichnet einen Vertrag, durch den sie mit glänzender
Gage Mitglied des deutschen Theaters in Petersburg wird.
Sie reist nach Petersburg. Ist das Alles? Ja wohl, so
ziemlich Alles.
Was hat nun der Dichter beweisen wollen? Daß
das Märchen von den gefallenen Mädchen doch kein
Märchen sei? Daß wir uns von unseren alten moralischen
Anschauungen nicht loslösen können? Daß die Vergangen¬
heit eines Weibes eine Macht sei, die man durch schöne
Phrasen nicht wegdisputiren kann? Aber um dies zu be¬
Uiely. Sose de llelsr
dem stehenden Heere zu vereinigen. Dabei erörtert
f
Abgeordneter Hofmann v. Wellenhof die
weisen, derart zu beweisen, daß wir davon in tiefster Seele
gepackt werden, hätte der Dichter dem Milieu der Schau¬
spielerin einen Mann gegenüberstellen müssen, in dem die
alten Moralbegriffe eine lebendige Kraft sind. Er hätte
ein Orzeri
uns zeigen müssen, wie dieser Mann aus Liebe zur Schau¬
treffende
spielerin und nach einem heftigen inneren Kampfe die alten „steben auf
Moralbegriffe abstreift und wie dieselben dann wieder er= em
wachen und ihre Gewalt offenbaren. Er hätte da anfangen
Jas
müssen, wo Dumas in „Denise“ aufhört. Dieser Fedor
ehn
Denner hingegen ist ein Stimmungsmensch ohne Saft und
spiel
zen,
Kraft!
etzt anderer S
Ein Schönredner mit einer angeflogenen frei¬
Abends mit gems
ten
geistigen Moral! Darum läßt uns auch der Widerspruch,
ersten zwei Akte
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in den er mit sich selbst geräth, ziemlich kühl. — Also ein
Beifall und der D
Stück mit einem alten, sattsam erörterten Problem, mit
es letzte, langwierige 2
einer dominirenden Gestalt, deren sensitive Zuckungen uns
rn Den Hauptdarstelle
kein herzhaftes Interesse einflößen, mit einer dünn dahin¬
zugefallen. Fräulei
ar
sickernden Handlung, mit nur wenigen Szenen, in denen
Fanny Theren mit
etwas von einer echten Leidenschaft aufsprüht, und mit
hie und da Gelegen
nd
einem großen Fragezeichen am Schlusse, was Wunder nun,
ler zu lassen, vermocht
daß sich das Publikum an diesem „Märchen“ nicht recht
In zu erwecken Herr 9
zu erbauen vermag? Das Schauspiel hat aber gleichwohl
gabe zu bewältigen.
einige Vorzüge, die ihm einen vornehmen literarischen
z! Fedor Denner, „den
Charakter verleihen: einen geistreichen, wenn auch frostigen
seine Schuld, wenn
1n
Dialog, einige feingezeichnete Nebensiguren und ein Milien, ߬
ein leises Kichern in
dessen Schilderung von eindringlicher Beobachtungsgabe
Dichter vortrefflich
zeigt. Leider laboriren auch die lebensvollen Episoden¬
don Herren Kutse
figuren an einer überfließenden Redseligkeit. Herr Schnitzler
mit köstlichem Hum
ist ein geistreicher Mann. Er fühlt einen begreiflichen
schallende Heiterkei
Drang, seinen Esprit schillern und glitzern zu lassen. Aber u.
arbeitete die feinen
er thut des Guten viel zu viel. Dieses Haschen nach Geist,
Verständniß heraus
nach pointirten Wendungen wirkt auf die Dauer ver¬
Wiener Grisette mi
er
stimmend. Wir möchten daher den Dichter an die
Cognac. Sonst wär
Goethe'sche Mahnung erinnern: „Bilde, Künstler, rede s#
die zum erstenmal
nicht!“
kleinen Rolle auftra
ihre klare Diktion e
Marco Brociner.
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77
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