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3. Das Maerchen
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S
Adereie
gleich die Liebe des Anbeters beraus und in einem spricht. In dem Maße aber, in dem Fanny in diesem lität, der in der Jugand pulsirt, und der gesellschaftt
unbeobachteten Momente versucht sie die Hand des
Doppelstück ihre Sicherheit zurückgewinnt, verliert
cken Gebundenbeit, die Alt. und Jung aneinanderkettet:——
gnädigen Richters und des liebevollen Retters zu
Denner allen Halt und alle Selbstveberrschung. Er
obne die aufdringliche Superkn heit, die über die—
küssen. Denner wehrt diesen demüthigen Ausdruck der
hat sic selbst öberschätzt und redet sich ein, die Geliebte
Coulissen und Rampen hinweaschielt stellt er die Tragik¬
Dankbarkeit ab, aber die Bewegung bat ihm genug
überschätzt zu haben. Von nagendem Mißtrauen er¬
der Contraste dar und durzustellen ist die echten ja
verrathen: die Liebe des Mädchens und ihre Vergan¬
füllt, sieht er noch mehr Anrüchiges als vorhanden ist;
einzige Beredsamilkeit des Dichters. In allen diesen
genheit. Von der letzteren wird durch gute Freunde,
jer überreizt seinen Ekel vor der Bohême, aus der
Vorzügen Flckt das Neie Stück Schnitzlers dicht an
die Alles wissen und berichten, völlig der Schleier
Fanny hinausstrebt und für die er sie doch immer
seine früheren heran; dennoch ist „Das Märchen“
wieder verantwortlich macht, er hört selbst aus dem
hinweggezogen, Denner ist im zweiten Acte zur Genüge
schwächer als „Liebelei“ und „Freiwild“ — es vermag
orientirt und verfällt einem inneren Kampfe, der seine
harmlosen Worte eine Anspielung heraus und verfällt
die Einheit des Interesses nicht festzuhalten, die ein¬
Thatkraft lähmt. Die Festigkeit, mit der er als
in eine fieberhafte Angst vor der Lächerlichkeit, der
zige, in der Psychologie des Publicums begründete
Streithahn in der Debatte aufgetreten, verläßt ihn in
Einzige zu sein, der das Leichte schwer und das Flüch¬
Einheit, die man auch heute nicht missen mag, wäh¬
tige ernst nimmt. In diesem krankhaften Gemüths¬
dem Momente, in dem er eine Entscheidung treffen
rend die von Ort und Zeit, von Held und Handlung
Zustande empfindet er jede cynische Plumpheit, wie die
soll; und wir erkennen in ihm eine jener grübeinden
längst der lebens= und theaterfremden Schule angehört.
Naturen, die keiner ihrer Empfindungen trauen und
freche Galanterie Wittes, der Blumen von der Hochzeit
Wir werden auf die Frage gespanut, ob der kühn und
seines Bruders mitbringt, als einen Vernichtungsschlag,
mit sich nicht fertig zu werden vermögen Fanny
frei denkende Mann, der mit Leidenschaft dafür plai¬
und da zuletzt gar ein Theateragent (Herr Krall) auf
dagegen vertritt die Euergie, die auf einer tieferen
dirt, daß auch eine Gefallene unschuldig sein kann, ja,
Stufe der geistigen Entwicklung resolut vorwärts
der Bildfläche erscheint, um Fanny für Petersburg an¬
daß sie es immer ist, wenn keine gemeine Berechnung
drängt. Sie sucht den Geliebten in seiner Wohnung
zuwerben, gibt er sich einer un natürlichen Vitterkeit
ihren Fall herbeiführte, das Wort seiner leidenschaft:
auf, bestürmt ihn mit Vorwürfen wegen seines Fern¬
hin, die jedes Wert vergiftet und die Geliebte in un¬
lichen Darlegungen zu halten weiß. Also, wie schon
bleibens, erinnert ihn an seine erlösenden Worte und
gerechter und erbarmungsloser Weise quält. Fanny
erwahnt, ein ähnliches Problem, wie in Hebbels
fleht ihn an, zu ihr zurückzukehren. Durch störende
erträgt all' dies, sie möchte den Geliebten und den
„Maria Magalena“, aber doch wieder anders gestellt,
Besuche in diesen Bemühungen unterbrochen, verläßt
Erlöser halten, was es auch kosten mag — aber der
da es sich dort um das Opfer einer Selbstpreisgebung
sie den Geliebten — aber nicht, um verabredeter Weise
große Schwärmer von ehedem ist im Bereiche der for¬
aus Demuth und Verschüchterung, hier um das Opfer.
dernden Praxis zu einem Chier willenlosen Knechte des
heimzukehren, sondern um unbemerkt vor dem Hause
einer leidenschaftlichen Wallung handelt. Wenn nun
Vorurtheils geworden, er kann die Luft nicht ertragen¬
zu warten und den günstigen Moment zur Ferisetzung
der Theoretiker in dem Momente, in dem er die
des Gespräches zu erspähen. Denner empängt unter¬
die das gefallene Mädchen athmet und ergreift in rück¬
Theorie auf sich anwendet, von ungeahnten, nagenden
dessen Eindrücke, die seine Ueberreiztheit nur noch
sichtsloser Weise die Flucht, um die nun erst in Wahr¬
Zweifeln befallen wird, so bewegen wir uns noch ganz
heit Verlorene trostlos zurückzulassen.
steigern können. In der dummen und frivolen Emmi
in der Richtung des angeregten Inieresses, und wir
Werner (Fräulein Schröffl), der zeitweiligen Geliebten
In allen seinen drei lebensvollen Stücken bekundet
gelangten auch an einen Endpunct, an eine Erledi¬
Schnihler eine, nicht gewöhnliche disterische Krasi, die
seines Freundes Well, die ihn in Gemeinschaft mit
gung des tragischen Problems, wenn seine Natur in
Tragik aus urmodernen Boraussetzungen herauszu¬
dem letzteren zu einem lustigen Abend animiren will,
einer heftigen Explosion den künstlichen Ban seiner
sieht er das Zerrbild jener Art von Freiheit, für die
spinnen. Mit schariem Blick für das Alltägliche, das
Uiberzeugung sprengte und alle Verheerungen eines
er eine Lanze gebrochen, und im Gespräche mit Dr.
er überzeugend in die Erscheinung ruft, verbinder er unheilvollen Zwiespalts herbeiführte. So aber ver¬
Witte, der ihn als glücklicher Bräutigam zur Hochzeit
einen Tiefblick für seelische Vorgänge, der das Ergrei= läuft der Fall bei Schnitzler nicht. Der Mann, der
einlädt und der über seine eigene Liebesvergangenheit
fende erkennt und festhält. Aus der „Liebelei“ eines die Consequenzen seines Deukens ziehen soll, erkrankt
reichen Studenten mit einem Vorstadtmädchen wächst
spöttelt, vernimmt er harte Allgemeinurtheile über die
ihm unter der Hand und schließt schon als ein Kranker
eine erschütternde Tragödie hervor, die achtungsvolle
„kleinen Mädchen.“ die er nothgedrungen auch auf
das Bündniß mit der Gefallenen, um es dann in An¬
Neigung eines jungen Mannes für ein Mädchen, das
Fanny beziehen muß. Da diese zum zweiten Male
fällen von Nervosität und Brutalität nicht sowohl zu
Verderbniß und Vorurtheil als „Freiwild“, betrachten,
als ungebetener Gast erscheint, verlangt er von ihr
zerreißen als zu zerfasern. Man hat das Gefühl, als wäre
führt zu einem tragischen Conflict, „das Mährchen“.
eine aufrichtige Beichte, die er mit unheimlicher Ge¬
der Autor zuletzt wider Willen in die Detailkunst eines
von der Gefallenen wird für den Mann, der es ver¬
lassenheit entgegennimmt und mit philosophisch ironischen
Portraits hineingeratheu, als beschäftige ihn nurmehr
höhnt, und für die Frau, die es bezweifelt, in der un¬
Bemerkungen begleitet, deren kalter Witz sein völlig
das Bildniß eines modernen Nervösen, eines Neurasthe¬
heimlichen Kraft, die ihm der Glaube der Gesellschaft
zerrüttetes Gemüth erkennen läßt. Dennoch gewinnt
nikers, der nicht mehr handeln kann, aber das unwider¬
gibt, zum ergreifenden Trauerspiel. Dabei ist Schnitzler,
es die ehrliche Leidenschaft der Geliebten über ihn;
stehliche Bedürfniß empfindet, sich und seine Umgebung
so wahrhaft er die Vorurtheile und die Wirkung der
von der Wallung fortgerissen, zwingt er ##, zu
zu quälen und als drängte diese Studie die ganze
gesellschaftlichen Annahmen darstellt, kein leidenschaftlicher
glauben und verlobt sich mit dem Mädchen, das sich
äußere und innere Handlung aus dem Stücke heraus.
tendenziöser Ankläger vom Schlage der modernen Ila¬
so tief vor ihm gedemüthigt hat. Es ist ein
Wohl ist diese psychopathische Grübelei, die nach einem
erklärtes Verhältniß, und Denner erscheint jetzt liener; mit tiefer Empfindung, aber doch mit allerförmlichen System des Pessimismus jede Vorstellung
als der Bevorzugte und Berechtigte in dem Kreise, der
Ruhe des künstlerischen Gestaltens arbeitet er die auf¬
vergiftet, diese verspätete Othellostimmung, die sich im
sich um Fanny versammelt und der sich animirter! reibenden und zerstörenden Gegensätze des wodernen
zweischneidigen Sarkasmus nicht genug thun kann, an
als je bewegt, da die kleine Schauspielerin, die sich in] Lebens heraus, zumal den Widerspruch zwischen dem
sich gut beobachtet; aber so consequent festgehalten, wird
einer Novität hervorthat, eine große zu werden ver= leidenschaftlichen Drange nach Freiheit der Individna= sie zur Abnormität, die nicht mehr tragisch wirkt, zum