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8. Die letzten Nasken
dichte ihres Petrarca den Kuß der Unsterblichkeit erhalten. Sie falt hatte angedeihen lassen, von Wirkung sein mußte. Was
hat ihm, dem in der Ferne Weilenden, darum sogar gegrollt;
davon äußerlich und dem Szenenraffinement, das durch klang¬
allein da er nun zurückgekehrt ist von weiter Reise, da sprengt
volle Fausaren und einen schönen n enpella=Chor von 6. Ta¬
in ihr die alte Liebe mächtig alle Bande: sie will nun sein eigen
svernier in Turin unterstützt wurde, in Rechnung zu setzen
sein und findet, daß sich in ihm die Leidenschaft zur Poesie ver¬
sein wird, das muß die Lektüre des endlich erschienenen Wertes
klärt hat, daß es überhaupt niemals ihre besondere Persönlich¬
ergeben.
keit und Schönheit war, die ihn anzog und festhielt, sondern wie
Den Schluß des Abends bildeten zwei Dramen aus Arthurg
sie daraus erkennt, daß er sich der schöneren Tochter der schönen
[Schnitzlers „Lebenden Stunden“. Daß der Wiener Dich¬
Mutter zuwendet, nur die abstrakte Schönheit und Jugend, die
terarzt, der es zu seinem Schaden empfinden mußte, wie gefähr¬
den Künstler fesselte. Davüber stirbt sie. Das Drama, das un¬
lich es ist, den feelischen Zustand eines k. und k. Leutnants kurz
leugbar einen poetischen Einschlag von hohem Werte besitzt, ist
vor dem Selbstmorde zu schildern, ein feiner Psycholog und ein
nicht leicht verständlich und wird sich immer nur an einen klei¬
mit breitem Pinsel malender Deiailkünstler ist, ebenso wie ein
neren Kreis wenden. Da es sich bemüht, tiessinnig und vielden¬
Satyriker von großem humoristischen Gehalte, ist allgemein be¬
tig zu sein, ist es umso mehr zu bedauern, daß der Druck des
kannt und hier in Dresden speziell durch seinen „grünen Ka¬
Gedichtes erst nach der Aufführung erschienen ist, ein Gebrauch,
kadn“. Der Sprung aus Königsbrun=Schaups zarter Lyrik in
der als neueste Mode vor langem in Berlin aus Koketterie „viel¬
die ekelhafte Atmosphäre eines Wiener Krankenhauses war un¬
leicht aber auch aus übergroßer Vorsicht aufgetommen ist, der
vermittelt und grell, und es hatte sicher seine Berechtigung, daß
aber von dem gewissenhaften Kritiker als Rücksichtslosigkeit
sich bei diesene schreienden Kontrafte der Stimmung nach dem
empfunden wird. So kann nach einmaligem Anhören und bei
Schauspiele „Die letzten Masken“ Widerspruch in den
der Unmöglichkeit, die rasch vorüberziehenden volltönenden poe¬
Beifall mischte. Das Schauspiel gehört in dasjenige Kapitel
tischen Phrasen auf ihren Gehalt hin zu untersuchen, nun das
der Aesthetik, das vom Häßlichen handelt, eine Lazarettstudie,
Urteil gefällt werden, daß die Darstellung einen ganz bedeuten¬
die Heimatsrecht auf der Bühne nur erhalten kann, wenn sie all¬
den Sieg davongetragen hat. In ihr waltete ein so feines,
seitig auf das Beste gespielt wird. In dem todgeweihten Jour¬
vornehm ausgeglichenes Ebenmaß, die Poesic des Dichters
nalisten Rademacher, der von dem Sterben nur den einen Wunsch
wurde so kräftig durch das poctische Verständnis und die selbst¬
kennt, den erfolgreicheren Freund zu Tode zu treffen mit der
schaffende Gestaltungskraft der Darsteller gehoben, daß das Mitteilung, daß er einst in gesunden Tagen der Geliebte von
stark besuchte Haus, das dem ganzen Abend ungeteiltes Interesse
dessen Frau gewesen sei, kommt der Haß des Unterdrückten,
entgegen brachte, lebhaften Beifall spendete und den anwesenden
Verkannten gegen den Erfolgreichen zum Ausdrucke, der Krank¬
Dichter mehrfach hervorrief. Den schönsten Eindruck hinterließen
heit gegen die Gesundheit, des Lebens gegen den Tod; die Wen¬
Petrarca=Wiecke, eine wunderbare Gestalt von poctischer
dung, daß der Haß des Sterbenden auslischt, als er sieht, daß
Weihe, in der kein falscher oder übertriebener Zug war, und
der beneidete glücklichere Nebenbuhler um die Palme des Ruh¬
Laura=Salbach, deren heiße Leidenschaft, deren wirkungsvolle
mes ein innerlich zerstörter und von Unzufriedenheit zerfressener
Erkenntnis mit mächtiger Ursprünglichkeit wirkten. Da sogar
Mann ist, erscheint von großer Feinheit. Von den Darstellern
die kleineren Rollen mit ersten Kräften besetzt waren —
Frl.
ragte Herr Wiene als Journalist Rademacher durch seine
Politz spielte die junge Laura und die Herren Müller,
fesseinde Zustandsschilderung hervor, während ihm Herr Gunz'
Winds und P. Neumann waren ferner tätig — so läßt
in der Wiedergabe des Augenblickes, wo „die letzten Masken“/#
sich ermessen, daß ein Werk, dem auch die Regie höchste Sorg=Ifallen, nur ein wenig zu Hülfe kam, und Hr##
Zweisel schien, wie er seinen großen Dichter Alexander Weih¬
gast aufzufassen habe, überhaupt nur zu einer blassen Charakte¬
risierung gelangte. Das. breit angelegte, aber von sprühendem
Geiste, brillantem Humor und heiterster Satyre überströmende
Lustspiel „Literatur“ bildete schließlich den leicht verhallenden
Schluß des sonst schwer belasteten Abends. Die prächtige Plau¬
derei zwischen dem korrekten Clemens und seiner Geliebten
Margarethe, die das Schriftstellern nicht lassen kann, sowie die
pikante Wendung, die deren Schicksal durch das Wiedersehen mit
dem einstigen Getiebter nimmt, erwärmten und entzückten. Die
klassischen Orakelsprüche des Clemens über das Kaffeeliteraten¬
tum von heute gewannen in dem Munde des Herrn Franz,
der in dem Clemens ein höchsten Beifall verdienendes Kabinett¬
stückchen von außerordentlicher Feinheit und Durchbildung lie¬
ferte, brillante Schlagkraft. Das Liebespaar aus der Schrift¬
steller=Boheme aber, das seine Liebesabenteuer in zwei unab¬
hängig von einander geschriebenen Romanen niederlegt und
dabei das Malheur haben muß, daß alle beide ihre gegenseitigen
Briese als willkommenen Stoff zum Bogenfüllen ausnutzen,
wurde von Frl. Serda und Herrn Ren# mit Frische und
Lebhaftigkeit in trefflichem Konversationstone gespielt.
Hr. E. Wilhelmy.