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8. Die Jetztensken
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Telephon 12.801
„ODSEHTER
I. österr. behördl. konzession. Unternehmen für Zeittags-Ausschnitte
WIEN I, CONCORDIAPLATZ 4
Vertretungen:
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kepenhagen, London, Madrid, Mailand, Minncapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Gregelchuren eunge
72 9 19
vom:
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Wa. Lobe=Theater. Einakter=Abend. Ein gutes und reiches,
fast allzu reiches dramatisches Menu wurde am gestrigen Abende im Lobe¬
Theater in vortrefflicher Zubereitung serviert und mit einem, mit jedem
Gange sich erhöhenden Behagen genossen. Die von Herrn Skoda
glänzend zur Geltung gebrachte pathetische Rhetorik des gegen Ende der
vorigen Saison in der Matinee der Freien Literarischen Vereinigung zur
Uraufführung gelangten Spieles aus dem deutschen Rokoko: „Der ver¬
wandelte Komödiant“ von Stefan Zweig leitete den Abend mit
vollem und lautem Klange ein; gedämpfter und zugleich vertiefter und be¬
deutungsvoller schien er weiterzutönen in dem fast bis zum Tragischen ge¬
steigerten Einakter „Die letzten Masken“ von Artbur Schnitzler,
dem die schon früher gewürdigte treffliche Leistung des Herrn Schmidt
in der Rolle des sterbenden Journalisten zu erschütterndem Eindruck ver¬
half, während Herr Strobl mit der feinen Charakteristik des seine Kunst!
noch unter den Schauern des Todes übenden Komödianten humoristische
(Lichter aufzusetzen wußte, die den düsteren Grundton des Schauspiels be¬
S
S

sebten und zugleich sinnvoll vertieften. In die Sphäre geistreicher Heiter
##it erhob dann Arthur Schnitzler die Gemüter mit seinem Lustspie
„Literatur“, in dem er das scharfe Wort Friedrich Nietzsches von der
Schamlosigkeit der Dichter so ergötzlich illustriert und das Komödienspie
des Lebens mit so seiner und spitzer Satire beleuchtet; und dann durfte
das kräftige Schlußwort Ludwig Thoma mit seinem ebenfalls von der
Freien Literarischen Vereinigung in Breslau eingeführten Einaktei
„Lottchens Geburtstag“ sprechen, der die Ahnungslosigkeit welt¬
Fremder Gelehrtheit und die Beschränktheit naiver Prüderie mit so drasti¬
chen Strichen und zwerchfellerschütternder Wirkung zeichnet. Die
Zeistungen der Herren Schmidt und Schindler, der Damen Salta
ind Fr. Mäder=Stegemann stehen noch vom Mai her in bester Er¬
nnerung; das den aufklärungsbeflissenen Vater und den Zuschauer so
verblüssend überraschende Lottchen wurde von einem neuen
Mitgliede unserer Vereinigten Theater, einem Frl. Meinhardt, ver¬
körpert, die in dieser kleinen Rolle nicht Gelegenheit fand, sich über
ihr Können auszuweisen, aber allem Anschein nach über die tastende An¬
fängerschaft hinaus und im Besitze einer sicheren Bühnenroutine ist. Eine
ergiebigere Aufgabe war Frl. v. Helling zugefallen, die die Erbschaft
des Frl. Kernic angetreten hat und die aus der gefährlichen „Literatur“
in die bürgerliche Solidität sich rettende Margarete mit sicherer, die inneren
Vorgänge diskret und zugleich eindrucksvoll veranschaulichenden Kunst ge¬
staltete. Eine Neubesetzung ist noch im „Verwandelten Komödianken“ zu
erwähnen, in dem Herr Iltz, der in „Literatur“ den Gilbert recht lebendig,
wenn auch noch nicht erschöpfend charakterisiert, den Chevalier, einen ab¬
geschwächten Hofmatschall Kalb, an Stelle des Herrn Berger übernommen
hatte. Künstlerische Lorbeeren sind mit dieser skizzenhaften Schablonen
figur nicht zu ernten; Herr Iltz führte sie gewandt durch, hätte aber wohl
ein wenig stärker agieren können. Das Publikum, das sich fast so zuhlreich
wie zu einer Operette eingefunden hatte, zeigte sich von den Gaben dieses
Abends äußerst befriedigt und spendete nach jedem Stücke, insbesondere aber
nach dem Lachtränen hervorrufenden Thomaschen Stücke herzlichen Beifall.