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jungen Künstler im vergangenen Winter kaum Gelegenheit
geboten wurde, sein Können ausreichend zu erweisen. Sehr
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liebenswürdig und sein gab Fräulein Franziska Wendt
6. Die Gefaehrtia
die Freundin des Hauses Pilgram, Frau Olga Merholm.
In dem zweiten Stück „Die letzten Masken“ offen¬
bart sich Schnitzler's bittere Ironie in dei Darstellung
eines Menschenschicksals, das auch alltäglich und doch
durch die seine Behandlung des Dichters so interessant
—relephon 12801.
ist. Wir sehen einen armen alten, todtkranken Journalisten,
Karl Rademacher, im Spital. Sein Gesellschafter ist
der Welske Baternehnen für Zeltunge au
Florian Jockwerth, ein Schauspieler, der, im höchsten
Grade schwindsüchtig, mit ihm im Spital liegt, aber in
„OBSERYED“
dem bekannten Optimismus dieser Kranken auf sichere,
baldige Besserung hofft. Rademacher ganz alleinstehend
L. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Perst
in der Welt, hat nur noch einen Wunsch. Er möchte,
bevor er stirbt, noch einmal seinen einzigen Feind, den
Wien. N, Türkenstrasse
1er im Leben hatte, den Dichter Alexander Weihgolt,
Pillale in Budapest: „Plgyeldt —
Usprechen und ihm Alles sagen, was er gegen ihn
Pereen K acin llage, dent enten Benpen Pungen
an Verachtung, Zorn und Anklagen auf dem Herzen
hat. Dies sagt er seinem Leidensgenossen, dem Schau¬
spieler Jockwerth, der gewissermaßen als Generalprobe die
Ausschnitt aus:
Scene mit ihm spielt, in der Rademacher der Ankläger,
Weihgolt der Angeklagte ist. Ein menschenfreundlicher Arzt
des Spitals erfüllt des Todtkranken letzten Wunsch und
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holt den ihm bekannten Dichter in's Krankenhaus. Als
dieser nun endlich kommt, kann der arme alte Mann die
vom Arzt festgesetzte Zeit von 15 Minuten für die Unter¬
redung festsetzt, nicht zu seinem Vorhaben benutzen, weil der
hohle, eitle Dichter den Kranken kaum zu Worte kommen
läßt. Der Dichter Weihgolt, der im Leben sehr gut gebettet
Ist, klagt ihm sein Leid vor, statt den Sterbenden anzuhören,
Gapal)
###d als die 15 Minuten verstrichen sind, geht der „Oichter“
Theateraufführungen
mir kargem Abschied fort, und der alte Rademacher — stirbt.
„Die letzten Masken!“ Der arme Comödiant, der eitle
il“der Freien litterarischen Vereinigung.
Dichter, das Weltkind, und der alte Journalist im
s.] Düsseldorf, 3. Mai 1902.
Spital; der Abschluß einer Tragicomödie, der ergreifend
wirkte. Herr Franz de Paula gab den alten Borne¬
Die Theater=Aufführungen der „Freien litterarischen
mann ausgezeichnet. Ebenso vorzüglich war Herr
Vereinigung“ gehören seit mehreren Jahren zu den nach
Stengel als Schauspieler Florian Jockwerth, und
Schluß der Spielzeit unseres Stadttheaters mit be¬
die kleine Rolle des Arztes Dr. Halmschlägel war durch
sonderem Interesse erwarteten Veranstaltungen. Das
Herrn Olbrich bestens vertreten.
Für
50 20
durch das Repertoire unseres Stadttheaters im Winter
Das dritte Stück „Luteratur“ ist eine Verspottung
100
wahrlich nicht verwöhnte Puhlikum erwartet und sieht hier
gewisser Litteraten und Schriftstellerinnen. Er, ein
200
Stücke, die einen literarisch anspruchsvolleren Geschmack
Litterat Namens Gilbert, hat einen Roman geschrieben,
·
500
befriedigen, und die kleine Bühne des Karlshauses ist in
in welchem er Liebesbriefe verfänglicher Art verwendet
„ 1000 r
Ermangelung einer anderen, modernen, wie sie z. B.
hat, die eine Kameradin — Margarethe nennt sie sich —
Im Gee
unsere Nachbarstadt Köln in dem reizenden Resi¬
ihm einstens schrieb. Sie hat aber ebenfalls einen Roman
Abonnement (.
denztheater besitzt, zu der intimen Vorführung kleiner
geschrieben, in dem sie seine Briefe in derselben Weise benutzte.
Abonnenten fl.
litterarisch werthvoller Dramen immerhin geeignet.
Sie hatte inzwischen geheirathet, war Wittwe geworden und
Der beschränkte Raum der kteinen Bühne des Karls¬
hat nun einen Anbeter gefunden, einen Baron, den wir
Der „0.
hauses und andere Umstände sind der Grund, daß die
Inhaltsangabe¬
nur unter dem Namen Clemens kennen lernen. Dieser
Freie litterarische Vereinigung eben in der Auswahl der
blätter (Tu¬
will sie heirathen, von ihrer Dichterei aber nichts wissen.
wodurch eine h
Stücke, die hier gespielt werden, beschränkt ist. Es
Als er hört, daß sie einen Roman geschrieben hat, läßt
Leben des In¬
können nur solche mit nicht zu vielen Personen gegeben
er sofort die ganze Auflage einstampfen, bis auf ein
theilungen werd
werden, und in der Ausstattung, in Bezug auf Deco¬
Exemplar, das er mit nach Hause nimmt. Er will das
rationen 2c. muß das Publikum den gegebenen Ver¬
Buch mit Margarethe zusammen lesen. Als er das
hältnissen Rechnung tragen. Der Wunsch, daß Düsseldorf
Zimmer betritt, findet er den Litteraten Gilbert bei
eine vornehmere, kleine Bühne für intime Vorführung
Margarethe. Er ist zuerst mißerauisch und fieht
intimer Stücke besitzen möchte, wird immer lanter.
die Beiden forschend an. Diese wissen sich aber?
Vielleicht, wenn die Düsseldorfer Ausstellung 1902 in
sehr geschickt aus der heikeln Situation zu ziehen.
demselben Maße erfolgreich ist, wie die von 1880, realisirt
Margarethe, die eben mit ihrem ersten Freund hat durch¬
sich dieser nicht unberechtigte Wunsch in einer Stadt
brennen wollen, ist froh, den sicheren Baron wieder zu
von der Einwohnerzahl Düsseldorfs. Die „Freie litte¬
haben. Sie weiß schlau das letzte Exemplar ihres
rarische Vereinigung“ darf aber das Verdienst für sich in
Romans, das der vertrauensselige Baron in der Hand
Anspruch nehmen, eine fruchtbare Anregung für das
hält, zu erhaschen und wirft es in den Ofen, in's Feuer,
geistige Leben in Düsseldorf gegeben zu haben. Was
der Dichteret für immer entsagend. Gerührt über ihre
dieselbe mit ihren beschränkten Mitteln leistet, verdient
Liebe und Opferfreudigkeit schließt der Baron sie
alle Anerkennung.
in seine Arme, und Freund Gilbert bedauert, diesen
Der erste Abend der diesjährigen Veranstaltungen
Schluß nicht zu seinem Roman benutzt zu haben. Eine
der Vereinigung brachte drei Einacter von Arthur
lustige Persiflage der litterarischen Bohémiens. Ganz
Schnitzler. Dieser, von Beruf Arzt in Wien, ist
prächtig war die Margarethe des Fräulein Ida Roland.
einer der markantesten und zugleich liebenswürdigsten
Wie wußte sie diese raffinirte, geriebene Spitzbübin zu
Vertreter des litterarischen Jung=Wien. Er ist ein
schildern, wie temperamentvoll, schlangenhaft geschmeidig,
geistreicher, feinsinniger Beobachter. Sein Beruf als
aber auch liebenswürdig und berückend, so daß man die
Arzt gab ihm Gelegenheit zum Menschenstudium, das
Zärtlichkeit des Barons für sie wohl begriff. Den Baron
ihm in seinen Schilderungen des Lebens ungemein zu
Statten kommt. Welch' ein feiner Psycholog Schnitzler gab Herr Schuytadellos echt; den dick gewordenen Dichter
ist, zeigt er in den drei kleinen Stücken so ganz ver= (Gilbert Herr Bäumler ganz unübertrefflich drollig.
schiedener Art, die wir gestern auf der Bühne des Karls¬
hauses sahen. In dem ersten, „Die Gefährtin“, behandelt
er in seinsinnigster Weise ein Problem aus dem alltäg¬
lichen Leben. Ein Mann, in reiferem Alter, Professor
Pilgram, hat ein sehr junges Mädchen geheirathet. Es
geschah aus rein sinnlicher Neigung. Bald erkennt der
Mann, daß seine Frau ihm keine „Gefährtin“ für das
Leben geworden ist, wie er sich eine solche dachte,
und es nie werden konnte. Ein junger Assistenzarzt
des Professors, der Doctor Hausmann, knüpft ein
Verhältniß mit der jungen Frau an. Pilgram be¬
merkt es und duldet es; er fühlt sich längst von seiner
Frau innerlich geschieden. Diese stirbt, noch jung, an!