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1. Die Frage an das Schicksal

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E vom:
H M 17
SERLINER TAGBLATT
K
Arthur Schnitzler=Abend
im Theater in der Königgrätzerstraße.
F. E. Wenn schon Sommerkunst sein soll, dann von der anmut¬
reichen Art, wie dieser Abend sie brachte. Dann diese leichtgeklei¬
deten Ideen, ein Nichts beinahe und dennoch Leben, müßiggänge¬
risch und darum zuerst fremd in unserer harten Arbeitswelt, die
aber so liebenswürdig getönt, so von Heiterkeit durchdrungen, so
von Ironie gesättigt, so weltmännisch überlegen, so klug gesteigert
sind.
Von den vier Einaktern, „Die Frage an das Schicksal“
„Denksteine", „Abschiedssouper" und „Literatur“
sind nur „Denksteine" in Berlin nicht gespielt worden. Es ist auch
das schwächste der Stückchen, die alle um das Motiv Treue und Un¬
treue und mehr um die Untreue als die Treue gaukeln. Hier hat
selbst die Sprache des Dialogkünstlers Schnitzler einige Härten und
Gemeinplätze. Die anderen drei sind uns wohlbekannt; ihre ersten
Altersschäden sind kaum wahrnehmbar, im ganzen haben sie den
Glanz reizvollster Kleinkunstwerke behalten. Und wenn man er¬
mißt, wie Arthur Schnitzler sich von diesen Stücken, die zum Teil in
seine Anfänge fallen, aufwärts entwickelt, sich geistig vertieft und
technisch erweitert hat, so kann man nicht umhin, von neuem liebe¬
voll jenes Theaterkulturkämpfers C. W. Gerst zu gedenken, der
den Dichter den „gemeingefährlichsten der Volksvergifter“ ge¬
nannt hat.
Vier Schauspieler tragen unter der Regie von Ernst
Welisch den ganzen Abend: Eugen Burg, Alexander
Ekert, Irene Triesch und Marie Orska. Burg.
ein ausgezeichneter, nie versagender Lustspieldarsteller, ist
dreimal Anatol, und einmal — in „Literatur“ — heißt er Clemens
und ist damit in stärkerem Auftragen doch nur wieder Anatol. Er
mag für den zärtlichen Jüngling ein wenig reif sein, aber auch
sein Können hat die Gepflegtheit der Reife mit fein verteilten
Wirkungen und der lässigen Würde, die man auch den Wiener Ton
nennt. Herr Ekert gibt dreimal nur den Herrn, der den Haupt¬
spielern das Stichwort zu bieten hat. Er macht das sehr schnitzle¬
risch, mit ruhigem Lächeln und gemütlicher Spitzigkeit. In „Lite¬
ratur“ ist er der struppige, geschwollene, kribbelige Poet: ein sehr
amüsantes Menschenbild.
Irene Triesch muß sich verstellen, wenn sie leichte
Frauen spielen soll. Spätere Frauen Schnitzl#s, die aus einer
satteren Psychologie erstehen als die bunten=Frimitiven Schmetter¬
linge dieser Einakter, sind mehr für siegeschaffen. Sie hat, neben
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ausgezeichneten Momenten, nicht die Courage, die den kleinen, aller¬
liebsten Kanaillen nottut. Aber Maria Orska, die hat davon,
was man braucht. Ihr Theatervollblut, durch Geschmack gedämpft,
durch große Lustigkeit ins Rollen gebracht, ist ganz und gar bei der
Sache. Sie gibt in der „Frage an das Schicksal“ die Tora und im
„Abschiedssouper“ jene unverwüstliche Annie, hie wir schon von so
vielen, von der Sorma, von der Niese und Jegar von Schauspiele¬
rinnen gesehen haben, die das Abschiedtfbuper von der Jugend
selber längst hinter sich hatten.