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Gedichte
slersburg.
unslienangabe ehne Gewü).
Ausschnitt aus: Deutschas Tagblatt
Ostdeutsch Rundschau
vom:
AVien
deutsche lyrische Oesterreich unserer Zeit? Da müßte
(Nachdruck verboten.)
doch innerhalb zweier Geschlechtsfolgen in unserem Vater¬
lande eine der seltsamsten und tragischesten Rassenver¬
Deutsche Lyrik aus Oesterreich seit
änderungen, die die Weltgeschichte bis jetzt gar nicht kennt,
vor sich gegangen sein.
Grillparzer.
Doch wir können uns mit einem starken Trost be¬
Sp nenyt sich ein stattliches und sehr hübsch ausge¬
scheiden. Nein, noch ist die Sache nicht so schlimm. Bloß
stattetes Buch, das der Vextag Meyer & Jessen
die Zeit. Unsere Zeit ist eben die Zeit des jüdischen
in Beklin por kurzer Zeit in den Buchhandel gebracht hat.
Tagschreibers, und was etwa bei einem großen Juden¬
Camil, H###fm=Anshat die Auswahl getroffen und
blatt Feuilletonist ist und was zur geistigen Ehre der auf
das (Buch mit einem hübschen und sehr klugen Vorworte
der Produktenbörse wohlangesehenen Familie auch einmal
einbegleitet. Deutsche Dichter, heißt es da, sind in diesem
in Versen Schlüsse macht, gehört eo ipso dem öster¬
Buche versammelt. Oesterreichische. Die hätten im großen
reichischen Schrifttum an. Man führt ihre Stücke auf
Gefüge und Aufbau der deutschen Kultur immer ihre
den Wiener Bühnen auf, und gibt es einmal eine lyrische
Sonderart besessen; die waren immer die südlicheren
Anthologie, nun wer irgendwie zur gewissen Presse ge¬
Temperamente, die sinnlicheren Naturen, die musika lisch
rochen hat, wird wohl auch einmal ein paar Verse
Empfänglicheren. Etwa ein Jahrhundert, das jüngste,
zusammengebraut haben. Felix Salten zum Beispiel
kommt auf diesen Blättern in Betracht. Nicht aber
macht nicht in Lyrik, aber er hat einmal einen Operntext
so will es der Herausgeber dieser Anthologie, wie
in Versen verfaßt. Das muß genügen. Verse sind es ja
es zumeist und noch zu geschehen pflegt, indem man
immerhin, Reime sind auch noch dabei, und der Gedanke,
einfach für Wien Oesterreich sagt. Ein Reich im
daß ein Sommersonntag auf dem Land schöner zugebracht
Aufeinanderprall der Rassen, ein nationales Gesprenkel
wird als etwa in einem Kaffeehause der Taborstraße,
nennt er dieses Oesterreich. Ein treffendes Wort. Hier,
ist tief und beinhaltet
eine ewige Wahrheit.
wo es sich um das deutsche, lyrisch schaffende Oesterreich
Raoul Auernheimer
schreibt Feuilletons und
handelt, kann und muß man wohl den feinen Spuren
Causerien, die in allen Salons des Schottenrings als
nachgehen, weiche die Blutmischung auch noch in der
der Inbegriff aller Eleganz bewundert werden, imitiert
geistigen Auslese erkennen läßt. Aber doch nicht so, indem
Lilieneron. Daher bekommt er eine lyrische Impression
man sich auf den famosen Standpunkt des Kuratoriums
von einem „kleinen Nest“ — vermutlich Trebitsch oder
des Bauernfeldpreises stellt.
Gaya — von den Besuchen berauschender blonder und
brauner Frauen und dem „Aroma der Vergangenheit“
Ich muß schon deutlicher werden. 110 Dichter sind
Auf den tiefen Hermann Hango, der nur mit
in diesem Bande lyrischer Eklektik vereinigt. Und genau
einem einzigen und dazu seine Eigenart gar nicht kenn¬
ein Drittel davon sind Juden. Sie spielen im ersten Teil
zeichnenden Gedicht zu Worte kommt, folgt Artur
des Buches weiter keine Rolle. Es ist die Zeit, für welche
Schnitzler mit fünf Seiten, die die Leere und Nichtig
die Literaturgeschichte Größe und Scheingröße schon aus¬
keit seines lyrischen Schaffens recht betrüblich illustriereng
einandergesiebt hat. Aber je weiter wir in der Lesung vor¬
Eine kleine Probe dieser erbärmlichen Hohlheit können
schreiten, um so mehr drängt sich uns eine erschreckende
Frage auf. Ist das wirklich das lyrische Oesterreich, das1 wir dem Leser dieser Zeilen nicht ersparen:
3
G
Wie wir sostill..
Wie wir so still an einem Tische saßen,
Als hätten wir uns früher nie gesehen,
Und ganz geruhig unsere Spargel
Alswäre gar nichts zwischen u
Und wie sie mir — als wenn ich es nich
Im Flüsterton erzählten, wer du bist,
Und ich zum Abschied dir das Händchen
Als hätt' ich deinen Nacken nie geküßt.
Man hat das Empfinden, das k
so fortgehen, etwa wie die Lauretanische
Und nun etwas ganz Orkentalisches.
Maschinen, die Technik der Fabriken ha
hirne ausgedacht. Aber der Semite —
und durch „moderner“ Mensch — entnim
er
Welt der Industrie, über die
Feuilletons schreibt, auch seine lyrische Bill
höre:
Wie leicht in öligen Becken
Die schönen Kolben gleiten,
So rühren sich deine Glieder
Durch Seligkeiten.
Hoch die Eisenhämmer!
Hoch die lärmenden Bären!
So klappen deine Zähne,
Die gern an meinen wären.
Gerüche, süß und heiß
Wie in Zuckerfabriken,
Dringen aus deiner Haut,
Wollen mich ersticken.
Und dein Haar von der Sti#
Wallt in blonder Glut,
Wie aus der Bessemer=Birne
Stürzende Eisenflut.
(Max Brod: Contemporanéité, 1
S. 300, 301.