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Luch ger epruecheung Bedenken
Bemerkungen
(Aus dem noch unveröffentlichten Buch der „Sprüche
und Bedenken“)
Von Arthur Schnitzler
(Nachdruck verboten)
Wenn zwei Menschen einander bis ins Tiefste ver¬
stehen wollen, so ist das gerade so, wie wenn zwei
gegenübergestellte Spiegel sich ihre eigenen Bilder
immer wieder und von immer weiter her wie in ver¬
zweifelter Neugier entgegenwerfen, bis sie sich endlich
im Grauen einer hoffnungslosen Ferne verlieren.
Zu bereuen glaubst du? Ach, du hast dir nur an

die Brust geschlagen.
Um eine Unrichtigkeit als Lüge schmähen zu
dürfen, müssen wir sie erst des bösen Willens über¬
weisen. Und ehe wir uns vor einer Richtigkeit beugen
wie vor einer Wahrheit, muß uns der Glorienschein
des Mutes von ihrer Stirne entgegenstrahlen.
Kommt eine Wahrheit, die du einmal aus er¬
füllter Seele sprachst, von andern Lippen, gleichsam
als geflügeltes Wort zu dir zurück, so wirst du manch¬

mal versucht sein, sie zu empfangen wie der Vater den
verlorenen Sohn, der einst mit Reichtümern in die
Welt entfloh und, endlich heimgekehrt, als Bettler an
deine Türe klopft.
Auch das ist Lüge, und ist die kläglichste von
allen: sich anstellen, als wenn man einem Lügner seine
Lüge glaubte.
Manche Menschen glauben, daß sie sich weit ent¬
t zu Ort.
wickelt haben, und von allen ihren Eigenschaften ist
en durch¬
es nur ihre Eitelkeit, auf die ihre Einbildung zutrifft.
Zeitver¬
derben
Du klagst, daß du ihm nichts Uebles getan hast
ß über¬
und daß er dennoch auf Rache sinnt? Kein Anlaß zur
Gegen¬
Verwunderung. Was er dir nachträgt, ist nicht deine
stimmte
Schuld, sondern sein schlechtes Gewissen.
tes Ver¬
In einer kranken Beziehung haben wir, wie in
Kinder¬
einem kranken Organismus, auch das scheinbar Nich¬
termund
tig#te als Symptom der Krankheit zu deuten.
ihm von
erderben.
Wenn du dich zur Versöhnlichkeit geneigt fühlst.
r bereit¬
so frage dich vor allem, was dich eigentlich so milde
er in die
stimmt: schlechtes Gedächtnis, Bequemlichkeit oder
Zufrieden
Feigheit.
in Mann.
in ihrer
Warum bildet sich der letzte Tropfen so viel darauf
ein, daß er den Becher überfließen machte? Der erste
so leicht
schon war nicht minder schuldig; — aber der törichte
Ebenfalls
Becher hat es damals noch nicht geahnt.
lleinsein
Daß man zuweilen mehr, zuweilen weniger
eufel auf
tun muß als seine Pflicht und eben durch dieses Mehr
folgte ihm
oder Weniger sie erst zu erfüllen vermag: das ist das
Problem, dem wir in jeder schweren Lebenslage immer
eheliches
wieder gegenüberstehen.
sich über
zfels zu¬
Ein großes Herz vermag reicher zu beschenken
ugenblick
als die leichteste Hand. Aber wo sind die Bedürftigen,
sicher und
die solche Gaben dankbar empfangen? Sie wollen es
die Höhe
dann kaum jemals wahr haben, daß sie einmal arm
gewesen sind.
ihnt Seite
em Rohr¬
iebenden.
Bereit sein ist viel, warten können ist mehr,
Teufelin
doch erst: den rechten Augenblick nützen — ist alles.
er Teufel
hemann
Dein unversöhnlicher Todfeind, das ist wahrschein¬
chmalen
lich der einzige Mensch, mit dem du dein Lebenlang
jen aus
in einem ganz reinen Verhältnis zu stehen vermöchtest,
uckte ehe¬
vorausgesetzt, daß ihr einander niemals persönlich
pf. Die
kennenlernt.
Wesens
heit des
Auch das Chaos gruppiert sich um einen festen
Punkt, sonst wäre es nicht einmal als Chaos da.
Teufelin
irer hei¬
Denn
Lebensklugheit bedeutet: alle Dinge möglichst
zu spät,
wichtig, aber keines völlig ernst nehmen.
hl durch
lbst wie¬
Jünger —?! Gott schütze mich vor ihnen; — da
In der
sind mir die Freunde noch lieber.
#ten doch