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Buch der sprusche und Bedenken
J reigt.
——.—
Bemerkungen.
DGa-L, A
(Aus dem demnächst erscheinenden „Buch der Sprüche und Bedenken“.)
Z/2
Von Arthur Schnitzler.
Nachdruck verboten.
Der Eintritt in das Gebiet metaphysischer Probleme sollte nur den¬
jenigen Geistern gestattet sein, die sich einer solchen Erlaubnis durch
anständiges Betragen innerhalb des Gebiets der allgemein zugänglichen
Realitäten würdig erwiesen haben; die Beschäftigung mit dem Okkultismus
müßte jedem verwehrt sein, der nicht innerhalb des relativ Offenbaren
ausreichend Bescheid weiß; endlich dürfte niemandem das Recht eingeräumt
sein, sich in den Regionen des Unbewußten zu bewegen, der nicht die der
Bewußtheit nach allen Richtungen gewissenhaft bis an die Grenzen der
Helligkeit abschritt. Aber natürlich sind es gerade diese schwer kontrollier¬
baren, unsicher begrenzten Reviere der Metaphysik des Okkultismus und
des Unbewußten, wo den Abenteurern, Spekulanten und Hochstaplern des
Gedankens am wohlsten ist. Und sie mögen von ihren Ausflügen in jene
Gebiete die wirrsten oder erlogensten Berichte mit nachhause bringen, es
wird niemals an Narren und Dummköpfen fehlen, die ihnen gläubiger
lauschen als den Forschern, die Beruf, Verantwortung und Mut zu ihren
Entdeckungsreisen prädestiniert hat.
Wir finden uns ja damit ab, daß in bösen Zeiten nach einem verlorenen
(oder auch nach einem gewonnenen) Krieg z. B. die Unschuldigen mit den
Schuldigen leiden müssen. Nur das macht uns an der göftlichen Gerechtigkeit
ein wenig irre, daß die Schuldigsten der Schuldigen so selten und meist in
so bescheidenem Maß mit den völlig Unschuldigen zu leiden haben.
Standesbewußtsein: damit bezeichnen wir eine streng um¬
schriebene Gruppe von Vorusteilen, von denen jedes einzelne nicht nur auf
sich selbst, sondern auch auf die übrigen stolz ist, und die einander gegenseitig
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automatisch so hoch zu steigern pflegen, daß daraus eine partielle Unzu¬
rechnungsfähigkeit der Standesbewußten und Gefahr für die Umgebung
resultiert.
Je entschiedener eine politische Partei zur Macht gelangt, umso kläg¬
licher verflüchtigt sich die Idee, in deren Zeichen sie den Sieg errang, und
als ihre legitimen Erben gebärden sich die Dogmen, die entarteten
Bastarde der Idee.
Der Dedantismus mißverstand die Menschenliebe; — das Resultat ist
als Marxismus bekannt. Das Ressentiment mißverstand den Marxismus, da
wurde der Bolschewismus draus. Das Literafentum mißverstand den Bolsche¬
wismus, da war er wieder Meuschenliebe. Aber nun sah sie auch darnach aus.
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Auswander11
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