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Buch der Sprueche und Bedenken
25. Dezember 1924
Neue Freie Presse.
Wien, Donnerstag
Nr. 21654
5233
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28
Weihnachtsbeilage
N 3363
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Es ist immer noch besser,
eine Stirn so mächtig ballt, als könnte in jedem Augenblick
(Nachbruck verboten.)
den tiefen Abgrund ewiger Frei
ein flammender Blitz von Wirklichkeit daraus nieder¬
reichen, als wenn sie einander
fahren, um zu leuchten oder um zu vernichten.
Bemerkungen.
des Verstehens gerührt in die A
Aus dem Buch der Sprüche und Bedenken.
Was das Leben so mühe
In jeder wirklich guten Anekdote steckt der Keim zu
(Im Buchhandel noch nicht erschienen.)
macht, das ist nicht einmal die
einem Mythos, jede dichterische Allegorie nimmt die Richtung
Lüge in all ihren Forme
Von Arthur Schnitzler.
nach einem Symbol zu.
Schlimmere ist, daß wir
Dem vollkommen wahrhaften Menschen haftet meist
manchmal sogar geneigt si
auseinanderzusetzen, als wenn i
etwas Pedantisches, zuweilen etwas Schrullenhaftes,
Wir sind in jedem Falle verdammt, unsere Neben¬
mit der Lüge zu paktieren, als
gelegentlich sogar etwas Bösartiges an, so daß man sich
menschen auszunützen; nicht nur aus sogenannten egoisti¬
gar die Wahrheit selber wäre.
seiner hohen Tugend so recht von Herzen doch nicht erfreuen
schen Gründen, sondern in einem tieferen Sinne: zur Er¬
kann. Denn wie destilliertes Wasser nicht nur fade schmeckt,
füllung unseres durch unsere Anlagen bedingten Schicksals.
sondern auf die Dauer nicht einmal den Durst zu stillen
Die Menschen, die wir zu diesem Zweck nicht
vermag, und etlicher, im chemischen Sinne verunreinigender
So mancher glaubt, im
brauchen können, entfernen wir unwillkürlich aus unserer
Bestandteile dringend bedarf, um überhaupt genießbar zu
Glücke nachzuweinen, und es i
Nähe, und mit unbewußtem Scharfblick wählen wir aus der
sein, so muß in der menschlichen Seele dem Reinen etwas
schiedene Schmerz darum, dem
Menge der uns Begegnenden eben diejenigen aus, die
Trübes, dem himmlischen Element ein irdisches, wenn nicht
jihrem Wesen nach dazu geschaffen sind, uns das
gar teuflisches, und somit auch der Tugend aller Tugenden:
unsere entdecken und entfalten und so unser Schicksal
Im Herzen jedes Aphoris
der Wahrhaftigkeit, ein leiser Hauch von Lüge beigemischt
erfüllen zu lassen.
sein, damit die edle Eigenschaft nicht nur zu ideeller Ent¬
es sich gebärden möge, schlägt e
faltung, sondern auch zu fruchtbarer Wirkung in die Welt
Daß wir enttänschen, das mag uns oft genug
gelangen könne.
es genügt dazu, daß
ohne eigene Schuld begegnen;
Parabel vo
Menschen, die uns überschätzt oder auch nur nach Verdienst
Ideen — mögen zwischen ihnen auch Gegensätze
gewürdigt haben, sich von uns fort oder über uns hinaus
(Aus einem Zykl
walten, die unserem irdischen Auge unausgleichbar scheinen —
Be¬
entwickeln, oder daß sie sich das auch nur einbilden.
sie werden am Ende doch versöhnt durch die Unendlichkeit
Von Anton
stätigen aber müssen wir uns immer wieder aufs neue,
sie dürfen noch so
schweben. Ueberzeugungen —
mit jedem Tag — aus eig'ner Mühe und Kraft.
scharf aneinander geraten — es sind doch immer Ehren¬
Heute gab mir der Schmied am
händel, die ritterlich zwischen ihnen ausgetragen werden
Eben kam ich des Wegs,
können. Parteien aber — und hätte sich selbst eine oder
Fichtenstämme, gewaltige, hat
Die Eigenschaften unserer Nebenmenschen wie unsere
die andere ein vernünftiges Ziel gesetzt — stehen einander,
Der vor der Schmiede hie
eigenen sind uns immer nur ihrer qualitativen Bedeutung
auch wenn sie sich gegenseitig nur Worte ins Gesicht
nach offenbar; und es ist kaum vorherzusehen, bis zu welchem
schleudern, immer, mit geballter Faust in der Tasche, als
Im gelockerten Riemzeug stat
Grad irgendeine Eigenschaft unter bestimmten Umständen
Aber Mähne und Schweif h
Raufbolde gegenüber.
sich zu entwickeln vermag. Wenn sich uns also das
Warfen die Häupter klirrend i
Bild eines Wesens durch solche unvorhergesehene Weiter¬
Peitschten die Fliegen von sie
entwicklung einer Eigenschaft zu verändern, sich manchmal
Die wahre Objektivilät, daher auch die absolute
geradezu in sein Widerspiel zu verwandeln scheint, dürften
Gerechtigkeit, wird immer nur eine Idee bleiben; zwischen
Doch da nahte der Meister u
wir nicht von Enttäuschungen, sondern müßten eher
Strenge und Milde, zwischen Haß und Liebe, ja zwischen
von Bestätigungen reden; und es tut nichts zur
Treue und Verrat, eine mathematische Linie, unserem Auge
Hob nun dem Hengste das
Sache, daß solche Bestätigungen, die unserer Menschen¬
unfaßbar, zieht sie sich hin. Nun aber vermag auch der
kenntnis doch nur schmeicheln sollten, uns viel schmerzlicher
sicherste Schritt nicht so mittenwegs zu wandeln, daß er nicht
Mit dem Messer zuerst gerein
berühren, als es die eigentlichen Enttäuschungen zu tun
nach der einen oder der anderen und, wie die menschliche
Ward das mächtige Horn, k
Natur nun einmal beschaffen ist, meist nach der übleren
pflegen.
Jetzt mit der Zange ergriff de
Seite abweichen müßte; und so kommt es, daß menschliche
Preßte dem Hufe es an, rat
Gerechtigkeit ohne jede böse Absicht sich öfter für strenges
Politische Ueberzeugung —? Das ist oft nichts anderes
Doch da entriß sich der Hengst
Vorgehen entscheidet als für mildes, daß sie geneigter ist, zu
als die bequeme Larve, hinter der ein Lump seine widerliche
Wären Fuhrmann und Sch
verwerfen als gutzuheißen, und daß das Renegatentum
Fratze verstecken möchte, um — unter dem Schutz der Masken¬
Aber sie duldeten nicht die L#
eine viel weiter verbreitete Seelenverfassung vorstellt als
freiheit — auf dem politischen Faschingsrummel, den wir
Und mit mutiger Kraft n
am Aschermittwoch Weltgeschichte zu nennen lieben, an¬
der Fanatismus.
Klingend traf nun der Ham
gestraft oder gar bejubelt sein feiges Unwesen zu treiben.
Und das Eisen saß fest
Was als Persönlichkeit auf uns wirkt, das ist gleichsam
ein dunkles Gewölk von Möglichkeiten, das sich um
dingungen geknüpft, aber es
ablegt, tritt die Leidenschaft hervor, wie sie im Leben dieses
nicht an den Tag gelegt,
Mannes, aus dem von ihm geliebten Mädchen hervorbrechend,
als reine, aber übergewaltige, fast rasende unbedingte Liebes= sondern nur durch ihre Erfüllt
Stifters „Nachsommer“.