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Buch der Sprueche und B
4000
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Bemerkungen zu dem Thema
Kunst und Kritik.
Von Arthur Schnitzler.
Dem Kritiker ist es so leicht gemacht, eine Abneigung, die er
etwa gegen einer. Autor, dessen Persönlichkeit, dessen Werk emp¬
findet, in einer völlig gefahrlosen Weise zum Ausdruck zu
bringen, daß er schon einer ganz besonderen Charäkterstärke und
Selbstüberwindung bedarf, um dieser Verführung nicht zu unter¬
Es ist kaum der Mühe wert, in diesem Zusammenhang von der
Schartalentloser oder bösartiger Individuen zu reden, die, wie in
jedem andern Beruf auch in dem der Kritiker die Mehrzahl bil¬
den: aber es gibt zu jeder Zeit auch recht begabte Schriftsteller,
denen, um durchzudringen, weiter nichts mangelt, als jenes ge¬
heimnisvolle Element, das ein Künstler besitzen muß, damit seinen
Erfolgen Intensität und Dauer beschieden sei —: Persönlich¬
keit. — ein Mangel, den der Betroffene selbst zu fühlen oder gar
sich selber einzugestehen nur selten imstande sein wird.
Muß es solche Leute, die als „Schaffende“ immerhin ihr Bestes
und damit oft genug Gutes, ja Wertvolles geben, und die doch nie¬
mals über die Anerkennung eines kleinen Kreises hinausgelangen;
die überdies in jenen Seelentiefen, wo auch die Möglichkeit eines
Selbstbetrugs nicht mehr besieht. ahnen mögen, daß auch die
Nachwelt sie für die Trübnis ihres Erdenwallens kaum entschä¬
digen dürfte — muß es diese Leute nicht mit Groll erfüllen, wenn
sie sehen, daß irgend ein Berufsgenosse, der ihnen an eigentlicher
Begabung vielleicht nicht einmal sonderlich überlegen ist und der
eben nur durch jenes geheimnisvolle Element der Persönlichkeit
stärkere Wirkungen ausstrahlt, ideelle und materielle Vorteile
genießt, die ihnen im allgemeinen versagt bleiben? Und wenn nun
einem von diesen Leuten Gelegenheit gegeben ist. seinem ge¬
preßten Herzen Luft zu machen, eine kurze Frist — so lange er
eben die Feder in der Hand hält— sich dem glücklicheren Berufs¬