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3. Buch der Sprusche und B
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Gesetze regelt, dessen Meinungen den Wert besitzen, daß sie nicht
jedermanns Meinungen sind, sondern die Prägung einer wirklichen
Persönlichkeit tragen. Kurz gesagt, das Bild des Menschen, das
uns aus diesem Buch anblickt, ist vielleicht nicht das Bild, das
sich die meisten, Freunde wie Feinde, von Arthur Schnitzler ge¬
macht haben, aber es ist doch der einzig wahre Schnitzler, und
man wird sich bequemen müssen, ihn in Hinkunft nach diesem schönen
Bekenntnisbuch verstehen zu lernen, aus dem er nicht durch eine
Maske spricht, sondern als er selbst.
+—
Paul de Kruif, Mikrobenjäger. Zürich und Leipzig. (Orell
Füßli Verlag) 1927.
Unter diesem Titel führt der Verfasser einen Triumphzug vor
unseren Augen vorbei, wie ihn die Wissenschaft nie gewaltiger im
Dienste der Menschlichkeit feiern konnte. Prof. Feilbogen, der
Ubersetzer des Werkes aus dem Englischen, hat recht, wenn er
meint, daß für eine Geschichte der Bakteriologie wohl wenig
Interesse gefunden werden könne, es kann aber auch nicht ver¬
langt werden. Für das Werk aber, wie es De Kruif geschrieben
hat, kann man wohl Interesse verlangen, auch in den weitesten
Kreisen, denn die Mikrobenjäger, welche ganze Völker von dem
gefährlichsten Feinde befreiten, verdienen wahrhaft mehr, daß man
von ihnen weiß, als von irgend einem blutdürstigen u. ländergierigen
Herrscher, dessen Lebensdaten jeder Schuljunge herplappern muß,
ohne zu wissen, daß er meist die Geschichte eines Massenmörders
lernt. Eine schöne und gerechte Sache ist doch unsere Geschichte!
So wollen wir denn das Buch aufschlagen und einmal Geschichte
derer betreiben, die es verdienen. Aber Geschichtsbuch ist doch
wohl nicht der rechte Name; Film vielleicht eher; denn wie lebend
ziehen die Gestalten vorbei, und an Glück und Tragik, an Liebe
und Haß fehlt es wahrlich auch nicht dabei. Leeuwenhoek beginnt
die Reihe. In seinem holländischen Geburtsstädtchen Delft hat er
zum erstenmal Mikroben gesehen. Er war ein ungebildeter Mann,
Krämer, konnte nichts, nicht einmal Latein, und seine nachmals
so berühmten Briefe an die Royal Society in London mußte sein
Freund übersetzen. Doch eines konnte er, Linsen schleifen, und
das wie kein anderer. Und durch die sah er feine „Würmchen“,
die er in allerhand unappetitlichem Zeug gefunden hatte. Ein
soviel wie Leeuwenhoek mit seinen elenden Flohgläsern. Was
dieser begonnen, führte Lazzaro Spallanzani fort, der jedem wenig¬
stens aus Hoffmanns Erzählungen bekannt ist. Siegreich führte
dieser eigentlich zum Messelesen bestimmte Gelehrte den Kampf
gegen Needham und Buffon, die noch behaupteten, eine „vege¬
tative Kraft“ ließe Leben aus Unrat entstehen. Und von da sehen
wir schon das rasche Aufblühen der Mikrobenforschung durch die
überragende Persönlichkeit Pasteurs aus Arbois, der als Chemiker
in der Gärindustrie zu verzeichnen hatte und auch als Raupen¬
arzt die Seidenraupen rettete. Doch bei aller Ehrfurcht vor dem
Geiste Pasteurs vergißt De Kruif nicht, uns dessen schlechte
Eigenschaften zu berichten, besonders seine widerlichen Angriffe
gegen Claude Bernard. Uberhaupt könnten wir Deutschen von
De Kruif lernen, wie man Biographie schreibt; bei uns wird zu
leicht Hagiographie daraus. De Kruif wird durch die Ehrfurcht
nicht blind, und schildert uns die Giganten des Forschergeistes,
seinem Leitwort gemäß „göttlich in ihren Taten, menschlich in
92.