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3. Buch der Sprueche und Bedenken
BKUE ACLISSIANSKY
Verttiftecwum
VII., KAISERSTRASSE 44—46
OIStT
fangen. Wie dem immer wäre: mit Schnitzlers Weltan= an ihr geübt wird. Der Gedankengang Schnitzlers verläuft
schauung läßt sich, zumal in so bewegten Zeiten, wie den ungefähr so: er spricht den Kritikern „Persönlichkeit“ ab, weil sie,
unseren, wenig anfangen. Das Häuflein Gewißheiten, das ihm wenn sie wirklich Persönlichkeiten wären, wahrscheinlich lieber
schnitzter...
hinzureichen scheint, das Rätsel des Daseins und das Ge= selbst etwas schaffen würden, als das Geschaffene zu kritisieren.
der Phaidon=Verlag
Die Sache mit der Persönlichkeit hat aber leider einen Haken.
heimnis der Weltgeschichte zu begreifen, kann für den Men¬
itzler mit ersten und
In der Regel hält man sie für eine Persönlichkeit, sobald
schen selbst nichts tun. Der Mensch braucht mehr, als Schnitzler
it allerhand von dem,
Leute, die man für Persönlichkeiten hält, oder die sich selbst
zu geben hat, und es ist eigentlich erstaunlich, daß er selbst mit
usfüllt. Schnitzler ist
für Persönlichkeiten halten, den Titel „Persönlichkeit“ billig.
als Poet, manchmal diesem Wenigen auskommt und nicht nur sein Leben, sondern
und zum Selbstkostenpreis an jedermann abgeben, der seiner
Wort= als Heilkünstler. auch sein Dichten damit zu bestreiten vermag.
bedarf. Schnitzler ruft: Des Kritikers erste Frage müßte sein,
Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Problem des
nitt aus seiner Welt¬
was hast du mir zu sagen, Werk? Statt dessen aber spricht
kößten Teil von Be= Lebens und den großen Fragen der Menschheit scheint Schnitzler
der Kritiker: Paß auf, was ich dir zu sagen habe, Werk!
übrigens in seinem Büchlein auch gar nicht gewollt zu haben.
herrührt. Der Dichter
Nun, das kann ich dem verehrten Dr. Artur Schnitzler sehr
Er verfolgt offenbar einen anderen Zweck damit, denn in
ner ungefähr auf der
gut erklären. Es kommt nämlich leider oft vor, daß das
einem verhältnismäßig großen Abschnitt seines Spruchbuches
eunzigerjahre. Er ver¬
bindet er mit den Kritikern an und entwickelt darin ganz un= Werk dem Kritiker gar nichts zu sagen hat; da ist man
ich wundernimmt, zu¬
gewohntes Temperament. Die Kritiker haben ihm Schmerz dann natürlich in einer großen Verlegenheit; man will doch
gugt, daß es darüber
zugefügt. Er verdankt ihnen zwar einen sehr großen Teil nett sein und dem Dichter nicht einfach schaffen: Setzen Sie
er solchen Tendenzen
len in seinem Buche) der Erfolge, die seinen Schriften beschieden gewesen sind, aber sich, Poet! Und um ihm das zu versüßen, läßt man sich nun
es muß unter dem brausenden Chor von Jubelstimmen doch auf sein Werk ein und bemüht sich, etwas darin zu suchen,
Welt hat inzwischen
#ngen genommen, aber auch etliche gegeben haben, die nicht ganz nach Wunsch schrieben, was sich natürlich nicht finden läßt. Wir haben es recht
k, ist doch hauptsächlich und die hat er nun bei der Falte, sagt ihnen eine Fülle schwer mit dem sogenannten „Schöpferischen“. Nicht wir tun
sien Geist nichts „ohne saftiger Sottisen ins Gesicht und spricht dem ganzen Ge= ihnen, sie tun oft uns weh, und in der Enttäuschung darüber,
daß es wiederum nichts war, wird man halt mitunter bitter.
ene ungeprüften Tat= werbe seine Verachtung aus. Um einiger „Ungerechter“ willen
Schnitzler verlangt „Interesse am Werk“. Und wenn das Werk
koßen Teil der Mensch= ersäuft er die ganze Brut, die er für „talentlos“ und „bös¬
nicht interessiert? Dann setzt sich eben der Kritiker seufzend hin
er geht Schnitzler nicht artig“ hält. Da er nun dieser Abrechnung offenbar nicht
gleich ein ganzes Buch zu widmen wünschte, entschied er und schreibt und verflucht heimlich sein Gewerbe. Es gibt ja
durchaus ab, sondern
Bedürfnis fühlt, sich, sich für die harmlosere Packung und kredenzt sein Büchlein aber doch schließlich und endlich eine Instanz, die alle Streitig¬
denken“. „Im Anfang ungefähr wie eine Schachtel Bonbons, deren untere Schichte keiten dieser Art schmerzlos schlichtet: das Publikum, das sich
gottlob weder um den Schöpfer kümmert noch um den Kritiker,
ch irgend etwas (ein aus lauter giftigen Zuckerln besteht. Der Lärm seiner Polemik
sondern das ein Buch einfach kauft oder nicht kauft, weil es
Schnitzler hat dagegen, gegen die Kritiker ist schon von weitem zu hören. Schnitzler
ihm gefällt oder nicht gesällt. Und so geht es mit Theater¬
gesucht wird, nicht viel gibt sein sonstiges sinnendes, verträumtes Wesen in dieser
stücken und mit allem, was sonst hervorgebracht wird. Schnitzler
n bezieht er allerdings Partie seines Buches fast vollkommen auf. Sein Stil wird
selbst sieht diesen Trost ein. Er seufzt: wenn dein Werk
einzelne, gewissermaßen unruhig, sein Puls schlägt höher und seine Augen rollen.
dauert, Dichter, hast du recht behalten!
daß sich diese Elemente Er hat es s#r eilig und erweckt durchaus den Eindruck
natürlich seltsam an= eines Menschen, der alle diese Dinge sagen mußte, weil er
Run: dauert denn?
aus diesem Zentrum, sonst zersprungen wäre. Das ist nämlich das sichere Kenn¬
Hons Liebstoeckl.
zum „Flotieren“ emp- zeichen einer „Persönlichkeit“: daß sie zerspringtt, wenn Kritik