Faksimile

Text

5 Masken und Nunder
box 35/8
mit heiß schauernder Seele ausgeht, an der Seite eines
Mannes, der das Ideal ihrer früh erwachten Tage ist,
einen Spaziergang macht, doch dieser Mann mit seinem
kleinen Eigendünkel von dem erwachten Weibe in ihr
noch nichts sieht.
Nicht daß Lucka die inneren Erlebnisse dieser Men¬
schen auf Grund psychologischer Spitzfindigkeiten schilderte,
er zeigt uns nur die Menschen, läßt sie nur leben, läßt
ihre schärfsten Züge aufleuchten, und daraus resultiert
dann, daß seine Gestalten, ob sie von einfacher Urkraft
sind oder komplizierte Gegenwartswesen, ob ihre Seele
nur hart umrissener Daseinsdrang oder blutende Selbst¬
bespiegelung, auflohende Menschendämmerung ist, sie doch
immer wahr sind, und von einer ganz eigenen Farbigkeit.
So ist denn Lucka der Dichter seelischer Exklusivität, ist
als Novellist einer der feinsten Pointillisten, ist beileibe
kein Dichter der Masse, kann vielleicht nicht einmal als
österreichischer Dichter bezeichnet werden, denn er verträgt
kein Schema, vermeidet alle Rangierung seines Könnens
und erntet vielleicht eben deshalb so viel, Anerkennung.
Und diese Würdigung der Kenner wird auch diesen beiden
Büchern nicht versagt bleiben, die so viel Neues geben,
trotz der reichen Leuchtkraft, die Lucka als Dichter auch
schon bisher besaß.
Alle hier besprochenen Bücher sind leihweise erhältlich
in der Leihbibliothek „Jrodalmi Szalon“ (literarischer Leiter
ef Diner=Denes). Budapest, V., Nädor=utcza 20, I. St.
#spekte gratis auch für die Provinz.
W
Bücherschau.
Masken und Wunder. Novellen von Arthur¬
Schnitzler. S. Fischer, Verlag Berlin. — „Masken und
dies nicht als Gesamttitel über allen Schnitz¬
lerschen Werken stehen? Immer hat ja dieser Dichter uns gezeigt,
in wie seltsame Gestalten sich die unbegreiflichen Mächte kleiden,
die uns unaufhörlich umlauern und die unser Schicksal be¬
stimmen, immer hat seine melancholische und überlegene Weisheit
das Leben wie einen reizvoll lockenden, flüchtigen Mummen¬
schanz betrachtet, in dem keiner das Gesicht des anderen recht
zu erkennen vermag. — „Wir wissen nichts von anderen, nichts
von uns“ — heißt es im „Paracelsus“ — und immer wieder
hat er darauf gewiesen, wie das Leben märchenhaft und wunder¬
bar sei, wunderbar durch die Frauen und die Kunst, märchen¬
haft durch die dräuende Nähe des Todes. Tod und Liebe um¬
schlingen sich in allen seinen Büchern, in den Dramen und in
den erzählenden Werken, überall fällt der schwarze Schatten der
Vergänglichkeit über die hellstrahlendsten Bilder, die er entbreitet.
Liebe und Tod sind auch in diesem letzten Novellenbande die
beiden Hauptmotive, sie durchdringen und verschlingen sich
neuerdings auf vielerlei Art und erschließen wieder tiefe und
gedankenschwere Zusammenhänge. Da ist eine Novelle, in der
drei Freunde an das Totenbett eines einsam verstorbenen Jung¬
gesellen gerufen werden und als hämisch boshaftes Vermächtnis
die Gewißheit erhalten, daß der Tote sie alle mit deren Frauen
betrogen hat. Allein dies liegt weit zurück und die Frauen sind
teils tot, teils behäbige stille Mütter geworden — keiner der
Männer vermag auch nur zu zürnen, jedem erscheint das,
worüber er einst vielleicht gewütet hätte, als etwas ganz Un¬