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Daennerseelen box 35/7
Telephon 12801.
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WNNSME
TEMUNEN
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O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
60
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
□ in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genk, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
euenangabs ohne Gewähr.)
Aussohnitt aus:
Vorinor Zeitung am Witag, Borln
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13
E vom:
Neben der speinlalben Verschwommengen
dieses Mitteldeutschen steht Axthur¬
der kühl seiner selbst bewußte w
da. Er weiß der österreichischen Klangfarbe, die
Grillparzer über seinen „Spielmann“ und am
häufigsten Saar über seine Novellen gebreitet
hat, der Klangfarbe wehmütiger Passivität, des
bangen Getragenwerdens durch dunkle Schicksale,
besondere Wirkungen abzugewinnen. So hat er
in seinem, neuen Bändchen „Dämmer¬
seelen“ (Berlin, S. Filcher) fortgesetzt, was
er in der traurigen Geschichte vom wehrlosen
Leutnant Gustl, den die Abwesenheit einer Nacht
dem Tode überantwortet, begann. Ganz in
dunkelgrüne Romantik ist die „Weissagung“ ge¬
taucht. Angstvoll erleben wir mit dem Erzählen¬
den, wie an einem fremden Menschen, der die
Hauptperson eines von ihm gedichteten Stückes
spielt, in ungeahnter, grauenhafter Wiederholung
das Verhängnis sich erfüllt welches der er¬
dichteten Person beschieden war. Dem Opfer,
dem Freiherrn von Umbrecht, ist im Traumbild
prophezeit worden, er werde auf einer Bahre
sterben, mitten auf der Wiese, am Wald, bei
Fackelschein; neben ihm würde seine rothaarige
Frau knien, mit ei#em Knaben und einem Mäd¬
chen, und ein kahlköpfiger Alter werde in grünem
Schal über die Bühne rennen. Auf jede Weise
hat der Freiherr versucht, das Verhängnis ab¬
zulenken; auf jede Weise schreitet es vor, bis er
in jenem gedichteten Stück auf der Holzbahre
liegt, zwischen den Seinen, und mit grünem
Schal ein irrsinniger Bauer in den Wald stürzt.
Da ereilt den Freiherrn von Umbrecht ein plötz¬
licher Tod; der deinkle Wille des Verhängnisses
ist vollstreckt. Ironischer mutet Schnitzlers
Novelle vom „Schicksal des Freiherrn von
Leisenbohg“ an, des müden Kavaliers, der
jahrelang auf die vielbeschäftigte Opern¬
sängerin Kläre Hell wartei und von ihr nur
erhört wird, weil sie den Fluch eines sterbenden
Liebhabers von ihrem nächsten Eroberer, dem
dicken Heldentenor Sigurd Oelse, abwenden und
auf jenen euen Freiherrn hinlenken wollte.
Mit feinsten, Pott sind hier ein paar Theater¬
profile gezei et. In der „Fremden“ erschießt
sich Albert von Webeling in einem Wäldchen bei
Innsbruck, nachdem er erkannt hat, daß seine
Gattin, die schöne Katharina, ihn nicht liebt
und in traumhafte Sphären ihm entschwindet.
Von der Hofkirche aus, wo Albert zum letzten
Mal die verlorene Schlafwandlerin trifft, folgt
ihr ein Fremder, von dem sie ein Kind emp¬
fängt; als sie ihm schreibt, bekommt sie keine
Antwort mehr, er hat einen falschen Namen
angegeben. Ins Wiener Kleinhürgerleben
führen das „Letzte Lied“ die Geschichte einer
blinden, verlassenen Volkssängerin, die sich um¬
bringt, und „Andreas Thameyers letzter Brief“,
die Lokalblattanekdote von einem biederen Be¬
amien. der trotz des schwarzen Kindes seiner!
Frau nicht glaubt, sie habe ihn im Aschantidorf
hintergangen, und Selbstmord berübt, um dem
Hohn zu entrinnen.
Telephon 12801.
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P AtTrTTSn
□ l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
60
Wien, Concordiaplatz 4.

Vertretungen
O in Berlin, Budanest, Chicago, Christiania, Gent, Kopen¬
E hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
* Ausschnitt aus:
Leipziger Tagblatt
15
11.4P f. 1907
E vom:
Arthur Schnitzler.
eelen. Novellen. S. Fischer, Ver¬
lag, Berlin.
Ein guter und vielgelesener Schriftsteller hat eine neue
Novellensammlung veröffentlicht.
Drei Novellen, die ganz
meisterhaft sind, zwei von noch immer zureichender Güte.
„Dämmerseelen“ sagt Arthur Schnitzler. Wer hätte nicht
geträumt? Der Verlag S. Fischer oibt an, dies wären
Variationen über Themen aus Edgar Allon Poes Gedanken¬
welt. Man dankt für den Hinweis der Eingeweihten und
meint: immerhin nur eine Novelle — Weissagung“
damit sehr treffend „eingeschachtelt". Daun erinnert man
sich der ersten dieser Erzählungen, die vom aparten Schicksal
des Freiherrn von Leisenbohg handelt. Da war graziöse
Frivolität von gesunder, heller, plaudernder Art: Humor und
sychologie (die nicht eben auf das Individuellste einging).
Boshaft, was man so nennt, lumvig ist diese Sängerin, die
ihre Liebhaber wie Handschuhe wechselt und einem fürsorg¬
lichen, aber wohl nicht eben sonderlich männischen Herrn nur
eine Nacht schenkt, um den Fluch ihres verstorbenen
„Galans auf ihn hin= und dadurch von ihrem neuen Ver¬
ehrer abzulenke; abergläubisch, wie solche Damen sind.
Nicht minder lumpig die beiden schmelzenden Seladons.
Der Mann, der
dieses Schicksal nun in Worte
eben kein Schwerflüssiger und auch
gekleidet.
kein Umstürzler,
klug, feinfühlig, elegant. skeptisch,
Ein Spaziergänger von hoher Kultur; erzählt leicht
und gut und ohne sich aufzuregen, in seiner unlyrischen,
ein wenig trockenen, aber dennoch duftigen Art. Was Men¬
schen, die nicht beruhigt sind, daraus gemacht hätten —
Hoffmann, Kleist, Dostojewski — das steht in einem andern
Kapitel. Bei Kleineren wäre ein Versagen unausbleiblich;
wer hätte nicht geträumt?
Die zweite
am
Zeichen Edgar Poes,
Novelle steht im
wenigsten amerikanischen von allen Amerikanern, und führt
den Titel „Weissagung". Ich habe nichts dagegen, daß
Schnitzler oberflächlicher, epikuräischer, französischer, sagen
wir wienerischer ist als sein Vorbild. Daß er sich wirklich
solche Probleme der rätselhaften Kräfte, des Unklaren und
Ungelösten zu Herzen nimmt, erlaube ich mir nur halb zu
glauben. Taktvoll und fein ist's darum, daß der Verfasser
sich lediglich als Herausgeber der Erzählung in der Schick¬
salsdichter= und Geistersehermanier gibt. — In „Das neue
Lied“ ist die Verschmelzung der Motive ineinander doch nicht
vollkommen gelungen. „Andreas Thameyers letzter Brie
ist nicht eben hervorragend, nur liebenswürdig,
möchte sagen —
neiner liebenswürdigen Tragik, und
hat mich ziemlich kühl gelassen. Die virtuose Technik, das
eigentümliche Arom des Schriftstellers wird auch dieser No¬
pellensammkung ein willfähriges Publikum bereiten.
zur Salcheim.