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grundlegend geworden. Seine von Friedrich Hebbel herausgegebenen
„Sämmtlichen Werke“ (1851—1853) enthalten Perlen schönster deutscher Lyrik
und funkelnde Edelsteine in Sprüchen und Wahrworten — Schätze, die bis
auf den heutigen Tag nur zum Theile gehoben sind.
Feuchtersleben's Lyrik blendet nicht; er geht jeder Phrase, jeder
Unwahrheit, jeder „poetischen“ Uebertreibung aus dem Wege. Das ist der
Grund, weshalb seine Gedichte wenig populär geworden sind. Eines derselben,
die Umarbeitung eines alten Volksliedes: „Es ist bestimmt in Gottes Rath“, ist freilich
in jedermanns Munde. Sein schönstes Naturempfinden sei durch folgende
Zeilen illustriert:
„Wo Föhren rauschen, Buchen flüstern,
Der Waldstrom ernst hinunterbraust,
An Blöcken, die den Pass verdüstern,
Der Katarakt in Schäumen saust.
Wo nur der kühne Waidmann gelit,
Nur Köhlers Hütte einsam steht,
Und übers Bild der Oede hin
Die Schatten düst’rer Wolken zieh'n —
Da fühlst du dich! nicht dich allein —
Es ist ein ungetheiltes Sein:
Natur in dir, dich in Natur,
Bist du auf wundersamer Spur.“
Sein poetisches Motto sprechen folgende Zeilen aus („Im Hochgebirge, 2“):
„Was mir der Fels, die Welle klagen,
Dem Blatte muss ich’s wiedersagen:
Ich sorge wenig um das Wie —
Und dieses Muss ist Poesie.“
Von welchem zarten Empfinden ist unter anderen Gedichten die
„Resignation“ getragen!
„Wend' ich aufs Vergang’ne
Prüfend mich zurück:
Trifft auf schwarz behang’ne
Särge nur mein Blick.
Schau' ich in das Heute,
Was gewahr' ich drin?
Alles Leben deute
Auf Verwandlung hin.
Unerforschter Weiten
Dämmerung verschliesst,
Was in fernen Zeiten
Mir bereitet ist
Noch bedeutender sind seine Sprüche, in welchen er sich als würdiger
Nachfolger Goethe's offenbart. Eine reine, klare Gesinnung zeichnet sie aus,
ein hoher, ernster Gedanke ist ihr Kern. Leider ist er als Dichter der
Weisheit weniger bekannt, als er selbst vorausgesagt hat:
„Ein schönes Wort
Gilt hier und dort;
Ein gutes Wort
An jedem Ort;
Ein wahres Wort
Pflanzt sich allmählich fort und fort.“
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